Gerechtigkeit für die Opfer des Genozids an den Ovaherero und Nama! [mit Video]

27.02.2017, Lesezeit 4 Min.
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In Berlin fand am Samstag der elfte Gedenkmarsch für die Opfer von Versklavung, Versklavungshandel, Kolonialismus und rassistischer Gewalt statt. Auch dieses Jahr stieg die Zahl der Teilnehmenden, sodass eine kraftvolle Demo die deutsche Regierung daran erinnerte, dass sie den Genozid anerkennen und die Opfer entschädigen muss.

Als wir den Gedenkmarsch vor ein paar Jahren zum ersten Mal besuchten, war die Zahl der Teilnehmenden so klein, dass vor Beginn der Demo mit allen Demonstrierenden eine Art “Familienfoto” geschossen wurde. Beim diesjährigen Gedenkmarsch war das nicht mehr möglich, da die Zahl der Menschen zu groß geworden war. Wie immer fand die Auftaktkundgebung in der Wilhelmstraße statt, also dort, wo am 26. Februar 1885 die sogenannte Berliner Afrika-Konferenz stattfand. Dort teilten die europäischen Kolonialmächte den afrikanischen Kontinent unter sich auf. Heute gibt es an Stelle des ehemaligen Konferenzortes eine kleine Gedenktafel dazu. Interessant: Diese Gedenktafel wurde nicht etwa vom deutschen Staat finanziert, sondern ausschließlich mit privaten Mitteln. Und das, obwohl eine Beteiligung des deutschen Staates immer wieder eingefordert wurde!

Berlin als Hauptstadt des ehemaligen deutschen Kolonialismus und heutigen Imperialismus ist voller Orte der Verhöhnung der Opfer der rassistischen Gewalt an den Kolonialvölkern. Nur eine Ecke weiter befindet sich die umrühmliche „Mohrenstraße“, wo seit Jahren eine Initiative die Umbenennung dieser Straße in die Nelson-Mandela-Straße fordert. Auch hier gibt es seit Jahren nichts als latent rassistische Einwände seitens der Berliner Verwaltung.

Teil deutscher Geschichte

Während der deutsche Bundestag letztes Jahr am 2. Juni in einer umstrittenen Resolution den Völkermord an den Armenier*innen und christlichen Minderheiten in der Türkei zaghaft anerkannte, gibt es derlei Schritte in Bezug auf den Völkermord der Kolonialtruppen des Deutschen Reiches unter Kaiser Wilhelm II. an den Ovaherero und Nama bis heute nicht. Der offizielle Aufruf zur Demo bringt die Wahrheit schonungslos ans Licht:

Im Zuge der Kolonisierung Afrikas wurden mehr als 30 Millionen Menschen Opfer dieser Verbrechen. 1904-08 begingen die Deutschen an den Ovaherero und Nama den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. 50-80% ihrer Kinder, Frauen und Männer wurden ermordet und ihr Land konfisziert. Die zeitgleichen Kriegsverbrechen der kaiserlichen „Schutztruppe“ im ostafrikanischen Maji-Maji-Krieg kosteten mindestens 100 000 Menschen das Leben. Während der menschenverachtenden Verteidigung des deutschen Kolonialreichs im Ersten Weltkrieg starben abermals Hunderttausende Ostafrikaner_innen. Zahlreiche Afrikaner_innen/Schwarze sind nach 1933 von den Nationalsozialisten zwangssterilisiert oder in deutschen Konzentrationslagern ermordet worden.

Das zeigt einmal mehr, dass die Geschichte der deutschen und europäischen Bourgeoisie von einer Reihe von Völkermorden, Massakern und Kriegen geprägt ist. Die Errichtung und Erhaltung der Kolonialgebiete diente zur Sicherung der Profite der herrschenden Klassen in Europa, was mit gleichzeitiger Ausbeutung der heimischen Arbeiter*innenklassen einherging.

Die Bundesrepublik setzt diese Politik mit anderen Mitteln fort, etwa indem sie Soldat*innen nach Mali oder vor die Küste von Somalia schickt. Auf der anderen Seite weigert sie sich bis heute hartnäckig, sowohl die Opfer des Genozids von 1915 als auch die des Genozids an den Ovaherero und Nama zu entschädigen. Es ist umso schlimmer, dass sie zwar Verhandlungen mit der namibischen Regierung aufnimmt, aber nicht mit den Nachfahren der Opfer.

Für Revolutionär*innen heute ist es Pflicht, an der Seite der Opfer für ihre berechtigten Forderungen zu kämpfen und derlei Initiativen zu unterstützen. Ein wichtiges aktuelles Anliegen ist ebenso der immense Kunst- und Kulturgüterraub, der im Deutschen Reich begann und heute seine Fortsetzung darin findet, dass die – besonders für die Ausübung der traditionellen Kultur wichtigen – Güter immer noch in deutschen Museen verwahrt bleiben. Und das alles, obwohl sie kein Anrecht darauf haben. Auch die Herausgabe dieser äußerst wertvollen Güter wird seit Jahren verweigert; im Gegenteil, es werden gar neue Projekte wie Humboldt 21 damit beworben.

Es war daher nur folgerichtig, dass die Demo vor dem Berliner Dom endete, in unmittelbarer Nähe des Pergamon-Museums und von Humboldt 21. Für die kommenden Jahre wird es umso notwendiger sein, dass mehr Menschen für diesen wichtigen Kampf mobilisiert werden und daran teilnehmen. Die Erfahrungen um die Anerkennung des Genozids an den Armenier*innen hat gezeigt, dass die deutsche Regierung öffentlichkeitswirksam unter Druck gestellt werden muss, damit sie sich regt. Dazu wird es auch notwendig sein, dass beide Initiativen sich gegenseitig unterstützen. Eines ist klar, der Kampf um Anerkennung und Gerechtigkeit wird solange weitergehen, bis die Forderungen umgesetzt werden!

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