FU Berlin: Hunderte Studierende und Beschäftigte in Solidarität mit Palästina

04.11.2023, Lesezeit 8 Min.
1
Foto: Stefan Schneider / KGK

Am Freitag demonstrierten 250 Studierende und Beschäftigte der Freien Universität Berlin gegen den Genozid in Gaza und für ein freies Palästina. Mit Waffen der Kritik wollen wir eine antiimperialistische und revolutionäre Jugend an der Seite der Arbeiter:innenklasse und aller Unterdrückten aufbauen.

Hunderte Studierende und Beschäftigte der Freien Universität Berlin sind am Freitag dem Aufruf von Waffen der Kritik und vielen unabhängigen Aktivist:innen gefolgt, um ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu zeigen. 250 Menschen verschiedenster Nationalitäten, Jüd:innen sowie Palästinenser:innen kamen zusammen, um gegen den laufenden Genozid in Gaza zu demonstrieren und dabei sowohl die Bundesregierung als auch die Leitung der Freien Universität und den AStA der FU herauszufordern. Die umfangreiche mediale Berichterstattung von taz und Berliner Zeitung bis zu Hetze der Bild (dazu unten mehr) zeigte die Bedeutung dessen, dass Studierende anfangen, sich an ihrer Uni für Palästina zu organisieren: Dies kann ein Vorbild sein für Studierende an anderen Universitäten und auch für Gewerkschaftsmitglieder. Wir brauchen große Proteste auf der Straße, die sich an den Orten des täglichen Lebens organisieren.

Selbst die UN spricht bei den israelischen Bombardements von Krankenhäusern, Schulen und Flüchtlingscamps von Kriegsverbrechen, während in Deutschland die Regierung, alle etablierten Parteien und die Medien das Vorgehen der israelischen Armee mit dem “Kampf gegen den Terror” rechtfertigen. Doch für die Demonstrierenden an der FU war klar: Die Bodenoffensive, die Bombardements und die Blockade Gazas müssen sofort gestoppt werden!

So leitete Caro Vargas von der marxistischen Hochschulgruppe Waffen der Kritik die Kundgebung mit einer Anklage des Genozids von Seiten des israelischen Staats gegen die palästinensische Bevölkerung ein und verurteilte die Komplizenschaft des deutschen Imperiailsmus, ebenso wie aller etablierten Parteien von Linkspartei bis AfD, der Führungen der Gewerkschaften und NGOs. Zudem klagte sie die Unterstützung der Freien Universität Berlin für den Staat Israel an und forderte das Ende jeglicher Militärforschung an der Universität. Zugleich prangerte sie die Heuchelei an, dass propalästinensische Demonstrant:innen stets unter Antisemitismusverdacht stehen, während 84 Prozent aller antisemitischen Straftaten von Nazis und Rechtsextremen begangen werden. Caro sagte:

„Wir teilen weder die Methoden noch die Strategie der Hamas. Eine Organisation, die gezielt Zivilist:innen angreift, ein theokratisches Regime aufbauen will und zutiefst Arbeiter:innenfeindlich, Frauenfeindlich, Queerfeindlich und antisemitisch ist. Natürlich verurteilen wir die Hamas. Aber warum zur Hölle müssen wir uns immer und immer wieder von Hamas distanzieren, bevor man uns zuhört? Warum darf man erst wütend über die Apartheid, Vertreibung und Ermordung sein, wenn man sich von Hamas distanziert? Die Kritik an der Hamas ändert nichts daran, dass wir das Recht des palästinensischen Volkes auf nationale Selbstbestimmung und den Kampf gegen den Apartheidstaat verteidigen. Ich frage, wie fucking oft wollt ihr es noch hören, bis palästinensisches Leben endlich einen Wert für euch hat?!“

Auf die katastrophale humanitäre Situation machten auch viele weitere Redner:innen aufmerksam. So wurden mehrere erschütternde Augenzeugenstatements aus dem Gazastreifen vorgelesen. Die Hebammenstudentin und ver.di-Mitglied Franziska S. von Waffen der Kritik beschrieb die katastrophale Versorgungslage in den Krankenhäusern und insbesondere in der Geburtshilfe und klagte den Mord an über 3.000 Kindern seit Beginn der israelischen Bombardements an. Auch als Feministin verurteilte sie – gemeinsam mit weiteren Arbeiter:innen aus dem Gesundheitswesen – die Komplizenschaft der Bundesregierung und forderte die Gewerkschaften dazu auf, sich gegen den Genozid zu stellen und gegen Waffenlieferungen an Israel Aktionen und Versammlungen in Betrieben zu organisieren.

Entgegen der Hetze, die schon im Vorfeld der Kundgebung von Seiten des Präsidiums der Freien Universität wie auch von bürgerlichen Medien geübt wurde, stellten die Redner:innen bei der Kundgebung klar: Die Kritik am mörderischen israelischen Apartheidsregime ist nicht dasselbe wie Antisemitismus, im Gegenteil: Es ist antisemitisch, Israel und jüdische Menschen gleichzusetzen. Die Teilnehmenden der Kundgebung stellten sich klar gegen die Gewalt gegen jüdische Menschen in Deutschland und überall. Sie wiesen darauf hin, dass weltweit linke jüdische Stimmen sich aktuell gegen den Genozid mobilisieren. So sprach auch Udi Raz von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost, der sich als jüdischer FU-Student mit den Palästinenser:innen solidarisierte und sich gegen die rassistischen Angriffe in Deutschland stellte.

Bei der Kundgebung wurde ein ums andere Mal die Rolle der Arbeiter:innenklasse in der Region, aber insbesondere auch im Herzen des deutschen Imperialismus benannt, sich gegen die Kriegsmaschinerie zu stellen. So hob auch Caro von Waffen der Kritik die Beispiele von Streiks und Blockaden von Arbeiter:innen in England und Belgien hervor, die sich gegen die Ausfuhr von Kriegsgerät an Israel stellten. So standen wir auch als aktive Gewerkschafter:innen bei der Kundgebung, auch wenn die Bürokratien von ver.di und dem DGB das nicht wollen. So wollte uns Jörg Reichel, der prozionistische Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, das Tragen unserer Gewerkschaftswesten verbieten. Als aktive Gewerkschafter:innen haben wir uns das nicht gefallen lassen und klar gezeigt, dass wir uns gegen den Genozid stellen. Auch Claudius N. von der ver.di-Betriebsgruppe der FU und aus dem Aktionskomitee der Freien Universität stellte sich in seinem Redebeitrag gegen den Völkermord und verurteilte die Repressionen in Deutschland, und rief dazu auf, dass deutsche Gewerkschaftsmitglieder sich auf die Seite der Palästinenser:innen stellen. Weitere Reden gab es von der Gruppe Arbeiter:innenmacht, der Jugendorganisation REVOLUTION, dem Studierendenkollektiv und der Internationalistischen Jugend, ebenso wie spontane Reden von weiteren Studierenden der Universität ebenso wie Beschäftigten aus dem akademischen Mittelbau.

Ein besonders zentraler Punkt der Kundgebung war die Kriminalisierung der Palästina-Solidarität in Deutschland. Gleich zu Beginn der Kundgebung betonte Caro von Waffen der Kritik, dass wir uns gegen jede Demonstrations- und Organisationsverbote organisieren müssen und verurteilte das Verbot des palästinensischen Gefangenennetzwerks Samidoun.

Trotz dessen, dass unsere Kundgebung angemeldet und genehmigt war, gab es unterschiedliche Provokateure. Die Springerpresse sowie pro-israelische Studierende waren auf der Kundgebung und haben mit provozierenden Aussagen und Beschimpfungen versucht, die Kundgebung als antisemitisch zu diffamieren. Besonders perfide war der über sämtliche Kanäle verbreitete und völlig konstruierte Vorwurf, jemand sei körperlich angegriffen und aus der Kundgebung entfernt worden, weil er Jude sei. Dagegen haben wir ganz klar gestellt, dass die Person „von der Kundgebung verwiesen [wurde], weil er andere Teilnehmer:innen als Nazis bezeichnet hat und gegen Ordner:innen handgreiflich wurde. Der Verweis hatte nichts mit Glauben oder Herkunft zu tun.“ Eine solche durchschaubare Täter-Opfer-Umkehr soll unsichtbar machen, dass – wie schon erwähnt – auch viele jüdische Stimmen den Genozid verurteilen, um damit die gesamte Kundgebung zu delegitimieren. Dagegen stellte der Anmelder der Kundgebung klar:

„Wir sind heute hier um Druck auf die FU und den AStA auszuüben sich Palästinasolidarisch zu positionieren, während der Genozid in Gaza weiter voranschreitet und alle Stimmen, die sich kritisch gegenüber Israel positionieren, unterdrückt werden. Wir wollen nicht tatenlos den Kriegsverbrechen zusehen, wir wollen mit Streiks und Massenmobilisierungen den Krieg beenden“.

Wir stellen uns deshalb gegen die Kriegstreiberei und die rassistische Hetze hier in Deutschland, die sich in den Rechtsruck des Regimes einreihen, welcher sich auch in immer schärferen antidemokratischen Angriffen und Kürzungen ausdrückt, die als erstes Frauen, Queers und migrantische Menschen treffen.

Dagegen wollen wir uns organisieren. Wie es Caro von Waffen der Kritik in ihrer Rede betonte:

Wir kämpfen für eine Uni unter Kontrolle der Studierenden und Beschäftigten, im Dienste der Unterdrückten. Lasst uns ein Komitee aufbauen, was an der Uni und darüber hinaus für ein freies Palästina und gegen rassistische und antisemitische Hetze kämpft. Der Kampf für ein freies Palästina muss daher ein zentraler Kampf der Studierenden und Beschäftigten heute sein. Als Waffen der Kritik wollen wir eine antiimperialistische und revolutionäre Jugend an der Seite der Arbeiter:innenklasse und aller Unterdrückten aufbauen. Lasst uns hier an der FU damit beginnen!

Dafür werden wir uns auch auf der kommenden Sitzung des Studierendenparlaments der FU am Freitag, den 10. November um 12 Uhr, einsetzen. Zuhörer:innen sind erlaubt, jeder kann Redebieträge halten. Kommt deshalb mit uns auf die Sitzung, lasst uns das Studierendenparlament und den AStA dazu zwingen, sich mit uns und mit dem Völkermord auseinander zu setzen. Lasst uns ein gemeinsames Komitee mit allen palästinasolidarischen Studierenden und Beschäftigten der Universität aufbauen. Lasst uns gemeinsam organisieren und für die Perspektive eines sozialistischen Palästina kämpfen, in dem alle Jüd:innen, Araber:innen, Palästinenser:innen, Israelis gemeinsam in Frieden leben können.

Mehr zum Thema