Geschichte und Kultur

FSV Zwickau: Aus eigener Kraft gegen den Investoreneinstieg

„Wenn hier einer investiert, dann sind wir’s“: Dank einer enormen Solidaritätswelle und der Kampagne der Fanszene „Fußball gehört den Fans“ kann der FSV Zwickau jetzt auf die Rettung hoffen. Doch hinter den finanziellen Problemen ostdeutscher Vereine verbergen sich die gleichen Ursachen.

FSV Zwickau: Aus eigener Kraft gegen den Investoreneinstieg
Foto: Tim Jonat / Klasse Gegen Klasse

Bei der Fanszene und der Vereinsführung des FSV Zwickau dürften am Mittwochabend die Sektkorken ordentlich geknallt haben: Nach wochenlanger harter und mühsamer Arbeit knackte der Verein sein herausgegebenes und benötigtes Fundingziel von 500.000 Euro vier Tage vor dem offiziellen Crowdfunding-Ende. Es ist ein beachtlicher Erfolg und das Resultat einer bundesweiten Solidaritätskampagne im Sinne eines fangeführten und nachhaltigen Fußballs. Nach dem Abstieg in die Regionalliga und damit auch aus dem Profifußball hatte der Verein, wie so viele Vereine zuvor, mit den Folgen von heftigen Einnahmeverlusten sowie dem Wegbruch von TV-Geldern und Schulden im Millionenbereich zu kämpfen. Es bahnte sich die Übernahme von Teilen des Vereines durch einen externen Investor an, doch die aktive Fanszene und die über 2.800 Mitglieder des Vereins kämpften dagegen. Am Ende konnten sich die Fans durchsetzen — der Einstieg wurde verhindert und der Verein blieb bei den Fans. Doch der Verein musste nun aus eigener Hand 750.000 Euro aufbringen, um die Verbindlichkeiten zu bezahlen. So initiierte die aktive Fanszene des Vereins die Kampagne „Fußball gehört den Fans”, um auf die Strukturen und Missstände des Profifußballs aufmerksam zu machen, einen Großteil der Schulden zu bezahlen und eine Kampagne mit überregionaler und deutschlandweiter Resonanz zu starten.

Die Resonanz ist massiv ausgefallen: Nach wenigen Monaten und einer Welle bundesweiter und internationaler Unterstützung von unzähligen Vereinen, Fans und Sympathisant:innen ist die Kampagne am Ziel — eine Rettung ist in Sicht. Selbstverständlich ist es auch ein Grund zum Feiern, denn es ist auch ein Sieg gegen das Moloch des modernen Profifußballs. Doch die Wurzeln der Probleme liegen viel tiefer: Nämlich im kapitalistischen System selbst. Am Kapitalismus vorbei wird man die Bosse, Konzernchefs, Investoren etc. nicht dauerhaft aus dem Fußball verbannen können. Für den FSV Zwickau haben diese Probleme vielmehr auch einen Ursprung in der kapitalistischen Restauration und dem Ausverkauf des deutschen Ostens.

Die Auswirkungen der verbrecherischen Machenschaften der Treuhand machten auch vor dem ostdeutschen Fußball keinen Halt. Die Treuhandanstalt war jenes Werkzeug der BRD-Machthaber:innen zur Durchführung der Deindustrialisierung und Liquidierung der ehemaligen nicht-kapitalistischen Wirtschaft auf dem Boden Ostdeutschlands. Der Fußball war wie alle anderen Bereiche zu „rekapitalisieren“ und in die Marktwirtschaft zu integrieren. Natürlich war der Fußball in der DDR nicht von kapitalistischen Elementen befreit — das ursprüngliche Ziel einer Umstellung des Sportwesens „auf Produktionsgrundlage“ hat man schnell wieder aufgegeben und Anreize und Privilegien für Spieler und Korruption waren allgegenwärtig. Die meisten Vereine wurden aus den Betrieben herausgelöst oder mit anderen Vereinen fusioniert, um Fußballclubs oder Sportgemeinschaften zu bilden. Die sogenannten Betriebssportgemeinschaften (offiziell sportliche Einheiten von VEBs, später oft ausgelagert) hatten für die SED-Bürokratie eher untere Priorität in dieser neuen Ära des Leistungsfußballs. Jedoch spielten die dahinterstehenden staatlichen Trägerbetriebe und Industrien noch eine große Rolle in der Finanzierung des Ostfußballs. Im Falle von FSV Zwickau war dieser der Automobilhersteller Sachsenring. Als BSG Sachsenring Zwickau feierte die Zwickauer Mannschaft zwar nicht ihre größten Erfolge der DDR-Oberliga-Geschichte, sie blieb aber eine konstante Größe des ostdeutschen Fußballs, unter anderem als FDGB-Pokalsieger in 1975. Nach dem Ausverkauf und den Privatisierungen der 90er Jahre ging es Zwickau, im Vergleich zu anderen ostdeutschen Vereinen, gut. Dies änderte sich jedoch Anfang der 2000er und ein stetiger Kampf gegen Insolvenz und ums nackte Überleben im modernen Profisport begann.

Andere ostdeutsche Vereine hatten nicht die Möglichkeit, ihr endgültiges Untergehen nach Abstieg und Verschwinden aus dem Profigeschäft zu verhindern. Der DFB ließ die ostdeutschen Vereine ausbluten. Alles wurde um jede Mark liquidiert und privatisiert, viele Ost-Spieler zogen in den Westen und am allerwichtigsten: Das Schicksal eines Vereines wurde an seine Fähigkeit gekoppelt, sich im kapitalistischen System zu behaupten und Profit zu generieren, nicht nach seiner sportlichen Leistung. 34 Jahre nach dem Mauerfall sind unzählige Vereine in der Versenkung verschwunden. Im deutschen Profifußball existieren abseits von Union Berlin, Hansa Rostock, Erzgebirge Aue, FC Magdeburg, der Hallesche FC* und Dynamo Dresden so gut wie keine ehemaligen Ostvereine. Viele ehemals stolze Vereine kicken in den unteren Rängen des Amateursports, sie sind jetzt Sonntagsvereine, da wo früher Pokale gewonnen wurden. Nach sieben Jahren in der dritten Liga hat ein Abstieg in die Regionalliga gereicht, um den FSV in eine tiefe finanzielle Krise zu stürzen. Die hohen Kosten und Verbindlichkeiten, die insbesondere durch den Abstieg entstanden und plötzlich nicht mehr zu decken sind, verhielten sich wie ein Würgegriff um den Verein. Dieser Fußball in diesem System, mit der immer notwendigen Suche nach Sponsor:innen, der enormen Bedeutung von Fernsehgeldern und dem allgegenwärtigen Druck als Verein wirtschaftlich zu agieren, macht vor allem Vereinen in den unteren Ligen zu schaffen und ist der Grund, warum für so viele Vereine der Abstieg in die Regionalligen ein Todesurteil war.

Daher begrüßen wir ausdrücklich diesen riesigen Erfolg und das vorbildhafte Vorgehen der Zwickauer Fans. Der verhinderte Investoreneinstieg ist ein Segen für die Vereins- und Fankultur und wir hoffen, dass sich der Verein bestmöglich neu aufstellen kann.
Damit wir jedoch einen wirklich fan-geführten, demokratischen Fußball bekommen, in dem die Fans das Sagen haben, muss er ein für allemal aus den Händen der Kapitalist:innen entrissen werden. Fußball gehört den Fans — in Zwickau und überall.

 

*Anmerkung der Redaktion: Magdeburg und Halle wurden in der Aufzählung ergänzt

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3 thoughts on “FSV Zwickau: Aus eigener Kraft gegen den Investoreneinstieg

  1. Ze'ev Jabotinsky sagt:

    Sowohl Magdeburg als auch Halle spielen in den Profiligen. Der FCM sogar höher als die von euch aufgeführten Vereine SGD und FCH. Trotzdem sind beide nur unter dem Vermerk „so gut wie keine“ zu erahnen. Aufstiegsplatz zu Liga 1 und 6:4 gegen den „Big City Club“ Hertha BSC klingt für mich jetzt nicht nach „so gut wie keine“.

    Vielleicht könnte man tatsächlich auch mal auf die Unterstützung von organisierten Fans anderer Vereine eingehen, die – feindschaftsübergreifend – wie im Beispiel der Diablos Leutzsch oder Saarbrücken nicht nur gespendet, sondern die Kampagne 1zu1 übernommen und weitergeführt haben. Ein Blick auf die fgdf-Seite war dann aber wahrscheinlich zu schwere journalistische Arbeit.

    Genauso wie die Geschichte der Wiedervereinigung für die Bundesliga. Nicht unbedingt bzw. nicht ausschließlich die Profitlogik hält die ostdeutschen Vereine klein – die gilt genauso gut für die westdeutschen Profis wie Amateure. Dass aber beispielsweise bei der ersten Bundesliga-Auflage nach der Wende von 20 Vereinen nur 2 aus dem Osten kamen, von denen einer direkt absteig, während die unteren Profiligen auch eine ähnliche Startverteilung hatten, wohingegen die restlichen Ostvereine aussortiert wurden, findet mit keinem Wort Erwähnung. Die Profitlogik und „die Kapitalisten“, die anscheinend Vereine an sich gerissen haben – was auch immer das bei 50+1 heißen soll – sind laut der Darstellung hier also die einzigen Sündiger. Das ist in dem konkreten Fall von Fußball in dem Ausmaß, wie das hier behauptet wird, einfach nicht der Fall; wenn doch, dann zeigt mir doch – abseits vom Sonderfall RB und vielleicht Hoppenheim – einen Verein, der explizit durch Übernahme und nicht durch Ausschluss bzw. sportliche Entwicklungen getrieben wurde. Auch ostdeutsche Vereine sind bestens in der Lage sich der Profitlogik zu beugen bzw. sich in eben diese zu integrieren. Ostvereine sind keine „guten, ursprünglichen Vereine“, die nur durch die -selbstverständlich – schlechte Profitlogik korrumpiert wurden. Könnt ja alle mal Gosens und Bonnucci sowie den anstehenden temporären Umzug ins Olympiastadion bei Union fragen, was den kultigen ostdeutschen Hauptstadtclub noch ausschlaggebendes von seinem Stadtrivalen unterscheidet.

    Abschließend bleibt zu sagen, dass die Versäumnisse bei der Recherche, das Unwissen bezüglich der Geschichte der Bundesliga und das absolut dilettantische veröffentlichen eines unzensierten Fanbilds der zwickauer Kurve einmal wieder zeigt, dass ihr nichts beherrscht außer pseudomarxistische Phrasen und Dogmen auf Sachverhalte zu übertragen, ohne auch nur im Ansatz zu prüfen, ob das tatsächlich so hinhaut. Was bedingungslose Deduktion angeht seit ihr keinen Deut annehmbarer als die ebenso inhaltsleere formale Logik.

    Lasst Ultras, lasst die Geschichte, lasst den Fußball in Ruhe, wenn ihr nichts anderes damit anzufangen wisst, außer ihm unreflektiert als Analysen getarnte Schemen und Instrumentalisierungen aufzudrücken.

    GaLiGrü ihr Poser.

    1. Dan Kedem sagt:

      Danke für den Hinweis – das ist durch einen redaktionellen Fehler entstanden und wir haben FCM und Halle jetzt im Text ergänzt. Es sind trotzdem wenige und noch weniger haben’s in die Bundesliga geschafft – gerne kann man auch die Situation nach der Wiedervereinigung ergänzen. Es sind aber natürlich noch mehr Beispiele von bedeutenden ostdeutschen Vereinen, die genau aufgrund der Restauration kapitalistischer Verhältnisse und Integration in die BRD-Ökonomie vom Anfang an in einem Kampf ums Überleben verwickelt waren.

      Zu deinem Kommentar: wir verweisen im Artikel auf die bundesweite Resonanz der Kampagne – wie du sagst: verfeindete Fanszenen nahmen sich auch der Kampagne an und haben sie im Sinne der Zwickauer weitergeführt. Hier ist kein Widerspruch und Dissens.

      Der Verweis auf 50+1 ist für uns kein Argument: wir haben in Deutschland natürlich keine englischen Verhältnisse, aber so zu tun als würde Geld im deutschen Profifußball keine entscheidende Rolle spielen, ist falsch. Zu den genannten Beispielen kann man ruhig noch Ingolstadt, Kaiserslautern, Bayern, Dortmund, Hannover etc ergänzen. Selbst bei anderen Vereinen kann man nicht davon sprechen, dass Geld, Profitlogik und andere Zwänge keine Rolle spielt: Fußball aus den Händen der Kapitalist:innen ist mehr als einzelne Investoren von seinem Verein fernzuhalten oder sollen die Aki Watzkes / Tönnies dieser Welt weiterhin so einen großen Einfluss auf unseren Sport haben?

      1. Dan Kedem sagt:

        der Punkt ist auch: westdeutsche Vereine hatten die weitaus günstigeren Startbedingungen – viele Vereine im Osten waren von Anfang an verdammt, da sie praktisch von einem Tag auf den anderen ins moderne Profigeschäft geschmissen wurden.

        Dass die meisten Clubs (und die allermeisten BSGen) eben raussortiert wurden hat auch damit zu tun, dass der DFB sie nicht für wirtschaftlich hielt.

        Es gab auch eine riesige Abwanderung von Talenten in den Westen: das hat natürlich auch mit Geld zu tun – so wie generell der Einstieg in vielen Fällen von Sponsoren, Unternehmer:innen (Siehe was Lok später VfB Leipzig wurde) etc die bei der Umgestaltung und Anpassung der Vereine an marktwirtschaftliche Verhältnisse mitgewirkt haben.

        Ich will dass Fußball wieder ein Sport der Fans in jedem Sinne wird – dazu muss er voll und ganz in unserer Kontrolle sein. Aber das passiert nicht abseits des Systems in dem wir leben

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