FSV Zwickau: Aus eigener Kraft gegen den Investoreneinstieg

10.09.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Tim Jonat / Klasse Gegen Klasse

„Wenn hier einer investiert, dann sind wir’s“: Dank einer enormen Solidaritätswelle und der Kampagne der Fanszene „Fußball gehört den Fans“ kann der FSV Zwickau jetzt auf die Rettung hoffen. Doch hinter den finanziellen Problemen ostdeutscher Vereine verbergen sich die gleichen Ursachen.

Bei der Fanszene und der Vereinsführung des FSV Zwickau dürften am Mittwochabend die Sektkorken ordentlich geknallt haben: Nach wochenlanger harter und mühsamer Arbeit knackte der Verein sein herausgegebenes und benötigtes Fundingziel von 500.000 Euro vier Tage vor dem offiziellen Crowdfunding-Ende. Es ist ein beachtlicher Erfolg und das Resultat einer bundesweiten Solidaritätskampagne im Sinne eines fangeführten und nachhaltigen Fußballs. Nach dem Abstieg in die Regionalliga und damit auch aus dem Profifußball hatte der Verein, wie so viele Vereine zuvor, mit den Folgen von heftigen Einnahmeverlusten sowie dem Wegbruch von TV-Geldern und Schulden im Millionenbereich zu kämpfen. Es bahnte sich die Übernahme von Teilen des Vereines durch einen externen Investor an, doch die aktive Fanszene und die über 2.800 Mitglieder des Vereins kämpften dagegen. Am Ende konnten sich die Fans durchsetzen — der Einstieg wurde verhindert und der Verein blieb bei den Fans. Doch der Verein musste nun aus eigener Hand 750.000 Euro aufbringen, um die Verbindlichkeiten zu bezahlen. So initiierte die aktive Fanszene des Vereins die Kampagne „Fußball gehört den Fans”, um auf die Strukturen und Missstände des Profifußballs aufmerksam zu machen, einen Großteil der Schulden zu bezahlen und eine Kampagne mit überregionaler und deutschlandweiter Resonanz zu starten.

Die Resonanz ist massiv ausgefallen: Nach wenigen Monaten und einer Welle bundesweiter und internationaler Unterstützung von unzähligen Vereinen, Fans und Sympathisant:innen ist die Kampagne am Ziel — eine Rettung ist in Sicht. Selbstverständlich ist es auch ein Grund zum Feiern, denn es ist auch ein Sieg gegen das Moloch des modernen Profifußballs. Doch die Wurzeln der Probleme liegen viel tiefer: Nämlich im kapitalistischen System selbst. Am Kapitalismus vorbei wird man die Bosse, Konzernchefs, Investoren etc. nicht dauerhaft aus dem Fußball verbannen können. Für den FSV Zwickau haben diese Probleme vielmehr auch einen Ursprung in der kapitalistischen Restauration und dem Ausverkauf des deutschen Ostens.

Die Auswirkungen der verbrecherischen Machenschaften der Treuhand machten auch vor dem ostdeutschen Fußball keinen Halt. Die Treuhandanstalt war jenes Werkzeug der BRD-Machthaber:innen zur Durchführung der Deindustrialisierung und Liquidierung der ehemaligen nicht-kapitalistischen Wirtschaft auf dem Boden Ostdeutschlands. Der Fußball war wie alle anderen Bereiche zu „rekapitalisieren“ und in die Marktwirtschaft zu integrieren. Natürlich war der Fußball in der DDR nicht von kapitalistischen Elementen befreit — das ursprüngliche Ziel einer Umstellung des Sportwesens „auf Produktionsgrundlage“ hat man schnell wieder aufgegeben und Anreize und Privilegien für Spieler und Korruption waren allgegenwärtig. Die meisten Vereine wurden aus den Betrieben herausgelöst oder mit anderen Vereinen fusioniert, um Fußballclubs oder Sportgemeinschaften zu bilden. Die sogenannten Betriebssportgemeinschaften (offiziell sportliche Einheiten von VEBs, später oft ausgelagert) hatten für die SED-Bürokratie eher untere Priorität in dieser neuen Ära des Leistungsfußballs. Jedoch spielten die dahinterstehenden staatlichen Trägerbetriebe und Industrien noch eine große Rolle in der Finanzierung des Ostfußballs. Im Falle von FSV Zwickau war dieser der Automobilhersteller Sachsenring. Als BSG Sachsenring Zwickau feierte die Zwickauer Mannschaft zwar nicht ihre größten Erfolge der DDR-Oberliga-Geschichte, sie blieb aber eine konstante Größe des ostdeutschen Fußballs, unter anderem als FDGB-Pokalsieger in 1975. Nach dem Ausverkauf und den Privatisierungen der 90er Jahre ging es Zwickau, im Vergleich zu anderen ostdeutschen Vereinen, gut. Dies änderte sich jedoch Anfang der 2000er und ein stetiger Kampf gegen Insolvenz und ums nackte Überleben im modernen Profisport begann.

Andere ostdeutsche Vereine hatten nicht die Möglichkeit, ihr endgültiges Untergehen nach Abstieg und Verschwinden aus dem Profigeschäft zu verhindern. Der DFB ließ die ostdeutschen Vereine ausbluten. Alles wurde um jede Mark liquidiert und privatisiert, viele Ost-Spieler zogen in den Westen und am allerwichtigsten: Das Schicksal eines Vereines wurde an seine Fähigkeit gekoppelt, sich im kapitalistischen System zu behaupten und Profit zu generieren, nicht nach seiner sportlichen Leistung. 34 Jahre nach dem Mauerfall sind unzählige Vereine in der Versenkung verschwunden. Im deutschen Profifußball existieren abseits von Union Berlin, Hansa Rostock, Erzgebirge Aue, FC Magdeburg, der Hallesche FC* und Dynamo Dresden so gut wie keine ehemaligen Ostvereine. Viele ehemals stolze Vereine kicken in den unteren Rängen des Amateursports, sie sind jetzt Sonntagsvereine, da wo früher Pokale gewonnen wurden. Nach sieben Jahren in der dritten Liga hat ein Abstieg in die Regionalliga gereicht, um den FSV in eine tiefe finanzielle Krise zu stürzen. Die hohen Kosten und Verbindlichkeiten, die insbesondere durch den Abstieg entstanden und plötzlich nicht mehr zu decken sind, verhielten sich wie ein Würgegriff um den Verein. Dieser Fußball in diesem System, mit der immer notwendigen Suche nach Sponsor:innen, der enormen Bedeutung von Fernsehgeldern und dem allgegenwärtigen Druck als Verein wirtschaftlich zu agieren, macht vor allem Vereinen in den unteren Ligen zu schaffen und ist der Grund, warum für so viele Vereine der Abstieg in die Regionalligen ein Todesurteil war.

Daher begrüßen wir ausdrücklich diesen riesigen Erfolg und das vorbildhafte Vorgehen der Zwickauer Fans. Der verhinderte Investoreneinstieg ist ein Segen für die Vereins- und Fankultur und wir hoffen, dass sich der Verein bestmöglich neu aufstellen kann.
Damit wir jedoch einen wirklich fan-geführten, demokratischen Fußball bekommen, in dem die Fans das Sagen haben, muss er ein für allemal aus den Händen der Kapitalist:innen entrissen werden. Fußball gehört den Fans — in Zwickau und überall.

 

*Anmerkung der Redaktion: Magdeburg und Halle wurden in der Aufzählung ergänzt

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