Frankreich: 300.000 Menschen im Gelbwesten-Generalstreik

06.02.2019, Lesezeit 4 Min.
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Am Dienstag nahmen beim landesweiten Streiktag in ganz Frankreich Hunderttausende an Demonstrationen teil. Neben Protesten vor Konzernzentralen und staatlichen Einrichtungen gab es auch Blockaden von Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkten. Aus Paris berichtet unser Korrespondent Dustin Hirschfeld.

Bild: Die Blockade des Flughafens in Nantes

Die bedeutende französische Gewerkschaft CGT hatte für Dienstag erstmals offiziell zu gemeinsamen Aktionen mit den seit November protestierenden Gelbwesten aufgerufen. Zentrale Forderungen waren die Erhöhung des Mindestlohns und der Renten, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und gleiche Entlohnung von Frauen und Männern. Dafür sollte landesweit „gegen den sozialen Notstand“ gestreikt werden. Sowohl kleinere Gewerkschaften und linke Organisationen als auch die Gelbwesten hatten ebenfalls zu Streiks aufgerufen.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Zwar fehlte für einen echten Generalstreik, der das Land lahmlegt, noch Einiges, aber mit bis zu 300.000 Demonstrierenden war es einer der größten Protesttage seit Beginn der Gelbwesten-Bewegung im November. Neben streikenden Arbeiter*innen und solchen Gelbwesten, die auch ohne Streik auf die Straße konnten, waren zahlreiche Schüler*innen und Studierende dabei.

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Von der Demonstration in Paris: „Nein zum sozialen Gemetzel!“

Das zeigte sich unter anderem in der Demonstration in Paris, die bis zu 30.000 Menschen versammeln konnte. Dort waren neben mehreren Blocks der CGT und anderer Gewerkschaften vor allem Studierende sichtbar, die teilweise seit sieben Uhr ihre Fakultäten verbarrikadiert hatten, um den universitären Betrieb zu stören und mehr Menschen in den Streik zu ziehen.

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Blockade an einer Pariser Uni: „Jugend und Gelbwesten gemeinsam!“ / „Offene Uni für alle!“

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Uni-Blockade in Toulouse: „Die Jugend brennt für den Generalstreik!“

Die CGT spricht in ihrer Pressemeldung von einer „gelungenen Zusammenführung der Kämpfe“. Und tatsächlich waren sowohl bei den Demonstrationen als bei zahlreichen Aktionen gelbe Westen und Gewerkschaftswesten oftmals bunt gemischt. Bereits am frühen Morgen wurde der gigantische Großmarkt Rungis in der Nähe von Paris von etwa tausend Gewerkschafter*innen, Gelbwesten und weiteren Aktivist*innen blockiert. Nachdem drei Zufahrten besetzt waren, erledigte der Stau an der vierten Zufahrt den Rest.

Ähnliche Aktionen gab es auch im Rest des Landes. So wurden ab 4 Uhr morgens sämtliche Zufahrtsstraßen des Flughafens von Nantes blockiert. Erst 10 Stunden später stellte sich wieder der Normalbetrieb ein. Bei Saint-Nazaire wurde die Werft Chantiers de l‘Atlantique ebenfalls mit Straßenblockaden gestört. Später stattete ein Demonstrationszug dem Werk von Arcelor Mittal einen Besuch ab.

Dennoch bleiben die Gewerkschaften, vor allem die CGT, noch weit hinter ihrem Potential zurück. So waren beispielsweise einige Zugausfälle im Fernverkehr zu verzeichnen, von einem Stillstand aber konnte keine Rede sein. Im Pariser Stadtverkehr waren fast keine Streikauswirkungen zu spüren. Bei einer starken Mobilisierung der CGT, die allein um die 600.000 Arbeiter*innen vereint, könnte das ganz anders aussehen. Doch dafür muss es eine ernsthafte und kontinuierliche Mobilisierungsarbeit geben, gemeinsam mit den Gelbwesten, die den Gewerkschaften oftmals noch kritisch gegenüberstehen. Dann können auch diejenigen in den Streik gezogen werden, die bisher nur am Wochenende auf der Straße sind.

Die CGT kündigte nun an, regelmäßige „Dienstage des sozialen Notstands“ auszurufen. Ob sie damit auf bereits auf eine Mobilisierung in der kommenden Woche zielt, ließ sie allerdings offen. Doch „Aktionstage“ sind leider vor allem eine beliebte Taktik der Gewerkschaften um Dampf abzulassen, ohne echten Druck aufzubauen. Mehrtägige Streiks sind dagegen wesentlich effektiver und verheizen nicht unnötig die Energie der Kolleg*innen. Während in der Mobilisierungsphase befristete Streiks sinnvoll sein können, braucht es zur Erfüllung der Forderungen die Perspektive eines unbefristeten Streiks. Das gilt insbesondere für die Gelbwesten-Bewegung, die aktuell nicht über ihren wöchentlichen Rhythmus hinauswachsen kann. Wie es ein Mitglied der Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) im französischen Fernsehen formulierte: „Wenn mit der Zusammenführung begonnen wird, dann muss es auch weitergehen. Es darf nicht nur hier und da mal einen Aktionstag geben.“

Weitere Eindrücke von der Demonstration in Paris:

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