So erklärt es Raúl Godoy, Arbeiter der Keramikfabrik Zanon in Argentinien. 2001 sollte die komplette Belegschaft auf die Straße gesetzt werden. Stattdessen haben sie ihre Fabrik besetzt. Seit 15 Jahren produzieren sie nun unter Arbeiter*innenkontrolle. Diese "Fabrik ohne Chefs" ist ein Beispiel für arbeitende Menschen auf der ganzen Welt. Auf einer Veranstaltung am Samstag Abend in Berlin-Kreuzberg haben Dutzende Arbeiter*innen und Jugendliche darüber diskutiert." /> So erklärt es Raúl Godoy, Arbeiter der Keramikfabrik Zanon in Argentinien. 2001 sollte die komplette Belegschaft auf die Straße gesetzt werden. Stattdessen haben sie ihre Fabrik besetzt. Seit 15 Jahren produzieren sie nun unter Arbeiter*innenkontrolle. Diese "Fabrik ohne Chefs" ist ein Beispiel für arbeitende Menschen auf der ganzen Welt. Auf einer Veranstaltung am Samstag Abend in Berlin-Kreuzberg haben Dutzende Arbeiter*innen und Jugendliche darüber diskutiert." />

Fast 100 Menschen diskutieren in Berlin über die besetzte Fabrik Zanon

05.12.2016, Lesezeit 3 Min.
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"Wir greifen das Privateigentum an, weil das Privateigentum uns tötet." So erklärt es Raúl Godoy, Arbeiter der Keramikfabrik Zanon in Argentinien. 2001 sollte die komplette Belegschaft auf die Straße gesetzt werden. Stattdessen haben sie ihre Fabrik besetzt. Seit 15 Jahren produzieren sie nun unter Arbeiter*innenkontrolle. Diese "Fabrik ohne Chefs" ist ein Beispiel für arbeitende Menschen auf der ganzen Welt. Auf einer Veranstaltung am Samstag Abend in Berlin-Kreuzberg haben Dutzende Arbeiter*innen und Jugendliche darüber diskutiert.

Der Abend wurde von Kolleg*innen des Botanischen Gartens in Berlin eröffnet. Zwei Tage zuvor hatten sie nach einem jahrelangen Kampf endlich einen Tarifvertrag bekommen. Die Veranstaltung, die von der ver.di-Betriebsgruppe mitorganisiert wurde, war deswegen auch eine kleine Siegesfeier. Die Beschäftigten bedankten sich bei allen Unterstützer*innen und hielten ein Transparent hoch.

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Danach kamen Grußworte von Labournet, Interbrigadas und der Revolutionär-Kommunistischen Jugend. Verschiedene Aktivist*innen betonten, dass sie durch Zanon die Überzeugung gewannen, dass eine bessere – sozialistische – Welt möglich ist. Schülerinnen von der Antirassistischen Bewegung Weißensee erklärten, dass die Selbstverwaltung bei Zanon auch eine Inspiration darstellt, um für ein demokratisches und selbstverwaltetes Bildungssystem zu kämpfen.

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Der Film Mate, Ton und Produktion, der 2003 von einem deutschen Kollektiv gedreht wurde, zeigt die Fabrik in ihrem ersten Jahr: Die Versammlungen, die Produktionsabläufe, die Demonstrationen, die Straßenkämpfe zur Verteidigung der Besetzung. Hier erklärt auch Raúl Godoy, warum die Arbeiter*innen eine antikapitalistische Antwort auf die Krise brauchen.

Aber Zanon ist kein Einzelfall. Ein zweiter Film, nur drei Minuten lang, zeigte den Kampf der Druckerei Madygraf, wo die Produktion unter Arbeiter*innenkontrolle seit zwei Jahren läuft. Dieser Kurzfilm wurde erst vor wenigen Wochen von Klasse Gegen Klasse und unserer Schwesterseite LaIzquierdaDiario gedreht.

„Zanon zeigt nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis, dass die Kapitalist*innen Parasiten sind.“ Paula Varela, Dozentin von der Universität Buenos Aires, sprach über die klassenkämpferische Basisbewegung in den argentinischen Gewerkschaften, die Zanon als Vorbild nahm. Junge Arbeiter*innen an den verschiedensten Arbeitsplätzen haben sich basisdemokratisch organisiert, um gegen Prekarisierung zu kämpfen und die Bürokrat*innen aus ihren Gewerkschaften zu schmeißen.

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Als letzter Redebeitrag erzählte Aimo Tügel, U-Bahn-Fahrer bei den Berliner Verkehrsbetrieben und Mitglied der Basisgruppe ver.di aktiv, von der krassen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in Deutschlands größtem Nahverkehrsunternehmen. Diese war nur möglich dank der Mitwirkung der sozialpartnerschaftlichen Bürokratie in den Gewerkschaften. Er bezog sich auf die argentinische Erfahrung – demokratische Versammlungen und Wahl von allen Funktionär*innen – als Beispiel für Arbeiter*innen in Deutschland.

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In der anschließenden Diskussion ging es zum Beispiel darum, warum die Arbeiter*innen von Zanon sich nicht damit begnügen wollen, eine Genoss*innenenschaft auf dem kapitalistischen Markt zu bilden, und stattdessen für die Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle kämpfen. Auch die Erfahrung der Frauenkommission weckte viel Interesse – am Anfang des Kampfes waren nur sehr wenige Frauen dabei –, genauso die Rolle von revolutionären Intellektuellen im Kampf des Proletariats.

Zanon ist keine „Insel des Sozialismus“. In der Tat steckt die Fabrik in großen Schwierigkeiten, weil sie keine Kredite bekommt und auf dem Markt konkurrieren muss. Zanon ist höchstens ein „Schützengraben“, d.h. eine kleine Eroberung unserer Klasse, die uns weitere Offensiven ermöglicht. Um Zanon zu stärken, brauchen wir nicht nur Solidarität – wir brauchen eine starke und revolutionäre Arbeiter*innenbewegung in aller Welt. Das war die Schlussfolgerung einer sehr spannenden Veranstaltung, die fast vier Stunden dauerte.

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