„Die Regierung und die Kapitalist:innen wollen, dass wir die Kosten der Krise tragen“

05.03.2021, Lesezeit 4 Min.
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Wir veröffentlichen die Rede von Charlotte Ruga, die sie auf der Veranstaltung "Die Krise und die Hochschulreform: Welche Uni für welche Gesellschaft?" gehalten hat. Charlotte ist Hebamme an einer Münchner Klinik.

Ich denke, diese Veranstaltung stellt die Frage der Hochschulreform in genau den richtigen Kontext. Nämlich nicht einfach nur in einen im Allgemeinen gesellschaftlichen, sondern in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Gesellschaft in der Krise befindet.

Und den Charakter dieser Krise können und müssen wir offen benennen: Es ist eine kapitalistische Krise. Diese Pandemie ist nicht wie eine Naturkatastrophe über uns hereingebrochen. Wo und wie sie sich verbreitet und entwickelt hat, ihre Folgen – die Wurzeln dafür liegen alle im kapitalistischen System. Und auch an der wirtschaftlichen Krise ist nicht nur die Pandemie schuld. Von der letzten großen Krise 2008/2009 hat sich die Wirtschaft international nie so richtig erholt. Und die neue Wirtschaftskrise hatte sich schon vor dem Ausbruch der Pandemie angedeutet, die Pandemie war dann nur noch der Auslöser.

Die Krise ist nahezu allumfassend: offensichtlich gesundheitlich, wirtschaftlich, aber wie Liam auch schon betont hat, sozial, für viele auch eine psychische Krise und für alle, die Kinder oder Angehörige betreuen, ist die Krise auch eine Betreuungskrise. Die Aufzählung könnte man sicherlich fortsetzen.
Die Landesregierung in Bayern nutzt genau diesen vulnerablen Moment für ihren schon lange geplanten Angriff auf die Hochschulen. Sie weiss, dass die Online-Uni und die Abstandsgebote den Widerstand von Studierenden und Beschäftigten erschweren.

Die Bundesregierung und die Kapitalist:innen sind diejenigen, die gerade darüber entscheiden, wie unser Leben nach Corona aussieht. Und die Kosten der Krise werden auf uns allen abgeladen – oder zumindest versuchen sie das. Das sehen wir an so vielen verschiedenen Beispielen, an den drohenden Entlassungen, an den angedrohten Nullrunden in den Tarifrunden, an der Kurzarbeit, aber eben auch und vor allem im Gesundheitswesen.

Bei uns im Gesundheitssystem war die Krise besonders spürbar – natürlich v.a. in den Auswirkungen der Pandemie, aber eben auch an den längerfristigen Problemen, die davor schon bestanden haben. Die Lage im Gesundheitswesen geht seit Jahren auf Kosten der Beschäftigten. Auf der letzten Veranstaltung zur Hochschulreform von Klasse Gegen Klasse im Herbst, aus der das Komitee gegen die Hochschulreform hervorgegangen ist, haben Leonie und Lisa von KGK Akut ebenfalls als Arbeiterinnen im Gesundheitswesen gesprochen. Sie haben erklärt, dass die Auswirkungen von Privatisierung und unternehmerischem Anspruch im Gesundheitswesen riesige Schäden hinterlassen haben, und gewarnt, dass den Hochschulen ähnliches drohen könnte. Damals haben sie das wichtige Statement gemacht, dass es eine gemeinsame Kampfperspektive zwischen Studierenden und Beschäftigten braucht und ich will das heute mit euch konkretisieren.

Wo wir gerade beim Gesundheitswesen sind, möchte ich ein Beispiel aufgreifen, das Thomas genannt hat, nämlich die Frage der Impfstoffe. Da müssen wir aber die konkreten Forderungen auch aufwerfen: Die Patente auf Impfstoffe müssen abgeschafft werden und die gesamte Pharmaindustrie gehört verstaatlicht und zwar unter der Kontrolle der Beschäftigten und beraten von Expert:innen.

Eine Krisensituation wie diese erfordert besondere Antworten – eine Antwort ist die Selbstorganisierung, wie es das Münchner Komitee bereits versucht. Solche Komitees sind super fortschrittlich im Kampf gegen Politik von oben und auch in Betrieben notwendig.

So ein Komitee kann eine Antwort auf die Frage sein, in wessen Interesse die Uni funktionieren soll. Es kann aber auch noch viel weiter gehen und versuchen auch eine Antwort zu geben auf die Frage, die uns heute alle beschäftigt: Wer soll die Krise bezahlen? Ich denke, dass wir gemeinsam dafür dafür eintreten sollen, dass diejenigen für die Krise zahlen, die von ihr profitieren: Während immer mehr Leute nicht wissen, wie sie ihre Mieten zahlen sollen, hat der Immobilienkonzern Vonovia erst heute bekannt gegeben, dass sie 2020 zehn Prozent mehr Gewinn gemacht haben als im Jahr davor, insgesamt über 1,3 Mrd. Euro. Und wie haben sie das gemacht? Indem sie die Mieten erhöht haben! Das ist nur ein Beispiel von vielen, wie Reiche in der Krise immer reicher geworden sind. Und dagegen können wir uns gemeinsam wehren mit Komitees gegen die Pandemie und die Krise in den Unis und den Betrieben, um mehr Leute in diesen Kampf zu ziehen.

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