Die Linkspartei an die Regierung?

27.11.2013, Lesezeit 4 Min.
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Die Linkspartei hat bei den Bundestagswahlen 3,3% verloren, aber wegen der Großen Koalition wird sie Oppositionsführer im Bundestag. Ihr Chef Gregor Gysi ließ keinen Zweifel daran, dass er viel lieber in der Position eines Juniorpartners in einer Rot-Rot-Grünen Regierungskoalition wäre. Schon vor der Wahl hatte er erklärt, dass er am liebsten Außenminister werden würde.[1] Für ihn wäre eine Bedingung der Ausschluss neuer Kampfeinsätze der Bundeswehr – wobei er auffällig die Linkspartei-Forderung nach einem sofortigen Rückzug aus Afghanistan fallen lässt und auch die Option „humanitärer“ Militäreinsätze offen lässt.

Aber nicht nur der rechte Flügel der Linkspartei wirbt für diese Regierungsoption, auch der Parteivorsitzende Bernd Riexinger oder die Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag werben offensiv für rot-rot-grün oder #R2G: „Wir wollen mitregieren, wenn die Bedingungen stimmen“, sagte Janine Wissler.[2] Sie ist Mitglied des Netzwerks Marx21, eine der beiden größten aus dem Trotzkismus kommenden Organisationen in Deutschland. In ihren politischen Leitsätzen steht zwar eigentlich: „Eine Regierungsbeteiligung auf der Grundlage der heutigen Kräfteverhältnisse lehnen wir ab.“[3] Doch wie das Beispiel von Wissler zeigt, gilt dies anscheinend nur für solche Situationen, in denen eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei vollständig aussichtslos ist. Wenn eine Regierungsbeteiligung auch nur ansatzweise möglich scheint – wie in Hessen, wo bis mehrere Wochen nach der Wahl Gespräche über die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Koalition geführt wurden –, wirft Marx21 ihre eigenen Leitsätze über Bord, um einen „Politikwechsel“ einzuleiten – allerdings auf der Grundlage der Mitverwaltung der kapitalistischen Krise.

Wie würde so ein „Politikwechsel“ unter einer rot-rot-grünen Bundesregierung aussehen? Eine klare Antwort auf diese Frage erfordert nicht viel Fantasie: In Brandenburg kürzt eine „rot-rote“ Landesregierung kräftig im öffentlichen Dienst und im Bildungssystem, während Flüchtlinge weiter abgeschoben werden. In Berlin hat ein „rot-roter“ Senat zwischen 2002 und 2012 mit der Privatisierung von 150.000 Wohnungen die aktuelle Krise am Wohnungsmarkt vorbereitet.

International sieht es nicht besser aus. Die linke Partei Rifondazione Comunista war einst Hoffnungsträger vieler linksradikalen AktivistInnen in Europa, doch als Teil einer „linken Regierung“ stimmte sie für den Einsatz italienischer Truppen in Afghanistan und vor der Küste Libanons. Linke Regierungen machen eben immer Politik im Interesse der Banken und Konzerne – oder werden im Extremfall vom Staatsapparat gestürzt, wie es 1973 bei Chiles sozialdemokratischem Präsidenten Salvador Allende passiert ist.

Könnten wir von #R2G in der BRD etwas anderes erwarten? Gysi sagte im erwähnten Interview auch, dass seine Fraktion in so einer Koalition „disziplinierter als die anderen“ wäre – heißt: disziplinierter bei der Durchsetzung von Angriffen auf die arbeitende Bevölkerung, wie wir sie aus den letzten Jahren zu Genüge kennen.

Manche werden behaupten, dass man bereit sein muss, „Regierungsverantwortung“ zu übernehmen, wenn man politisch etwas bewirken will. Jedoch: Der Staat ist kein neutrales Gebilde unter Kontrolle der BürgerInnen, sondern ein Apparat der herrschenden Klasse zur Durchsetzung ihrer Interessen. In unserem Fall geht es um die Interessen der KapitalistInnen gegen die ArbeiterInnen, die Jugendlichen, MigrantInnen und andere unterdrückte Gruppen. Eine Regierung verwaltet nur diesen Staat, weshalb die revolutionäre Kommunistin Rosa Luxemburg schon 1899 meinte: „Als regierende darf sie [die sozialistische Partei] nur auf den Trümmern des bürgerlichen Staates auftreten“.[4] Aber für die Linkspartei ist Rosa Luxemburg lediglich ein Konterfei, mit der man sich schmückt, nicht aber auseinandersetzt.

Fußnoten

[1]. Spiegel: Koalitionsangebot der Linken: Vom Rambo zum Softie. 4. August 2013.

[2]. FAZ: Es kursiert die Ausschließeritis. 30. Juli 2013.

[3]. Marx21: Politische Leitsätze.

[4]. Rosa Luxemburg: Eine taktische Frage.

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