Die Krise der Bundeswehr

03.11.2014, Lesezeit 5 Min.
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// Was steckt hinter den Mängeln in der deutschen Armee? //

Die deutsche Regierung steckt in einer schwierigen Situation. Während sie versucht, „mehr Verantwortung“ in der Welt zu übernehmen, kommen die großen Probleme der Ausrüstung der Bundeswehr mit Kriegsmaterial ans Licht. Dadurch werden die tieferliegenden Widersprüche des deutschen Imperialismus zutage gefördert.

Propagandakampagne

Die Liste der Mängel im Bestand der Bundeswehr ist lang: Ganze Flotten der Transportflugzeuge A400M sind nicht einsatzfähig, der Schützenpanzer Puma kommt nicht im Gelände zurecht und dem Kampfjet Eurofighter fehlen Teile. Weitere Mängel bei Hubschraubermodellen wie dem Tiger und dem NH90 und ein enormer Personalmangel lassen die Bundeswehr in einem schlechten Licht stehen.

Diese schweren Mängel betreffen direkt die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Beispielsweise kann die Operation Patriot der NATO, bei der Raketensysteme an der syrisch-türkischen Grenze stationiert sind, durch das Fehlen von ausgebildeten SoldatInnen nur schwerlich weitergeführt werden. Selbst die erste Waffenlieferung an die kurdischen Peschmerga im Nord­irak musste verschoben werden, so dass Kriegsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit leeren Händen zum Regierungschef der Autonomieregion, Masud Barzani, reisen musste. Und auch beim geplanten Einsatz im Ebola-Gebiet in Westafrika bahnen sich Schwierigkeiten an.

Die Kritik ließ nicht auf sich warten: Just in Zeiten, wo besonders aus der CSU die Forderung nach einem Bodeneinsatz im Nahen Osten laut werden, kamen diese Meldungen wie ein kalter Schauer auf die militärischen Träume der Regierung und der imperialistischen Bourgeoisie. Wer hat also Schuld an dem Debakel? Die Presse füllte sich mit Berichten über die Unterfinanzierung der Bundeswehr, um höhere Ausgaben zu legitimieren und sie endlich „einsatzfähig“ zu machen. Die Verteidigungsministerin selbst beschuldigte die Rüstungsindustrie, nicht ausreichend zu liefern.

Doch wer immer die Schuldfrage für sich entscheidet, eins ist klar: die Bourgeoisie lechzt nach größeren Rüstungsgeschäften und einer kampfbereiten Bundeswehr. Um dies zu erreichen, wird sie auch zu einer Umverteilung der Gelder greifen müssen, was Einsparungen im Gesundheitssektor, der Bildung und dem gesamten öffentlichen Dienst bedeutet. Dies vorzubereiten ist der tiefere Sinn der Propagandakampagne.

„Mehr Verantwortung“

Diese Debatte ist jedoch nichts Neues: Seit dem Antritt der dritten Merkel-Regierung vor fast einem Jahr wurde von allen Seiten ein aggressiver und forscher Diskurs für eine neue Außenpolitik laut. Die Formel „mehr Verantwortung auf der Welt zu übernehmen“ konnte man zu Beginn des Jahres auf der Münchener Sicherheitskonferenz aus dem Munde des Bundespräsidenten Joachim Gauck hören, der einige Monate später zum Anlass des 75. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges die russische Regierung scharf für ihre Ukraine-Politik kritisierte.

Auch auf der Generalversammlung der UNO Ende September wiederholte ein deutscher Regierungsvertreter diese Worte: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) versprach unter anderem „große Anstrengungen“ als Teil der Militäroffensive gegen den Islamischen Staat (IS), nachdem es den Vereinigten Staaten gelungen war, eine „Allianz der Willigen“ zu schmieden.

Am 2. September wurden im Bundestag die Waffenlieferungen an die US-treuen Peschmerga beschlossen. Dies war zwar bei weitem nicht die erste Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzungen in den letzten 20 Jahren, aber markierte einen weiteren Schritt in Richtung einer „klassischeren“ imperialistischen Außenpolitik. Die Merkel-Regierung wendet sich deutlich vom noch vor drei Jahren beim NATO-Einsatz in Libyen recht zurückhaltenden Kurs ab und verlässt damit den Grundsatz der offiziellen Rüstungspolitik „Keine Waffen in Kriegsgebiete“.

Von der Leyen selbst hatte die katastrophale Ebola-Epidemie und den Vormarsch des IS dazu benutzt, die Notwendigkeit einer Einsatzarmee, die militärisch in diese Gebiete intervenieren kann, zu rechtfertigen. Damit will sie den Prozess, die Bundeswehr in eine Interventionsarmee umzuwandeln, beschleunigen.

Widersprüche

Auf der einen Seite steht die für schwierige Interventionen vollkommen unzureichende militärische Beschaffenheit der Bundeswehr; auf der anderen die Bereitschaft und die dazu gehörige Rhetorik seitens der Regierung und der herrschenden Klasse, diese Einsätze durchzuführen und sich damit als Weltmacht zu präsentieren. Das sind die Widersprüche, die hinter der aktuellen Debatte stehen.

Diese strategische Offensive steht einerseits im Rahmen der kapitalistischen Krise, in der sich Deutschland durch die Unterwerfung der Massen in Süd- und Osteuropa unter seine Spardiktate hervortun konnte, und andererseits im beschleunigten Niedergang der weltweiten Hegemonie der USA.

Die Krise der Bundeswehr wirft eine Frage auf, auf die die Bourgeoisie selbst noch keine Antwort findet: Wie kann die internationale Situation dazu ausgenutzt werden, um eine neue Militärdoktrin durchzusetzen, die die geopolitischen Beziehungen zwischen den Nationen, besonders zu den USA, verändert?

Zur Zeit sind ihr noch materielle Grenzen gesetzt, die die Bourgeoisie immer schneller abzubauen versucht. Dies kann nicht auf einem friedlichen Wege geschehen, weshalb sich 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten und 75 nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges die Bedingungen für eine Zeit von „Kriegen, Krisen und Revolutionen“ erneuern.

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