Die Berliner Zeitung wünscht sich den Adolf-Hitler-Platz zurück

30.08.2016, Lesezeit 4 Min.
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Aktivist*innen wollen rassistische Straßennamen in der Hauptstadt ändern. Doch die Berliner Zeitung hält dagegen: Man dürfe die Geschichte nicht wegwischen. Also wünscht sie wirklich den Adolf-Hitler-Platz zurück?

1933 wurde der Adolf-Hitler-Platz in Westend eingeweiht. Erst 1947, mehr als zwei Jahre nach Kriegsende, wurde es in Reichskanzlerplatz umbenannt, obwohl Deutschland zu dem Zeitpunkt keinen Reichskanzler mehr hatte. 1963 folgte die nächste Umbenennung, Theodor-Heuss-Platz, kurz nach dem Tod des ersten Bundespräsidenten der BRD. Die Geschichte kam 2014 kurz wieder auf, als Google Maps wieder Adolf-Hitler-Platz anzeigte.

Für Maritta Tkalec, Redakteurin der Berliner Zeitung, dürfte diese Geschichte der Umbenennungen unerträglich sein. In einem Artikel lehnt sie die Änderung von rassistischen Straßennamen ab – das sei „Kein Respekt gegenüber der Geschichte Berlins“. Man müsse eben auch „hässliche Teile der Geschichte sehen“ können.

Man ahnt, dass diese Geschichte noch viel mehr erhellende Details bereithält, und der Straßenname, auch die Diskussion über ihn, lädt immer wieder ein, sich mit dem Verständnis von Menschenwürde und Toleranz im Wandel der Zeiten zu befassen.

Wer gegen Straßennamen protestiert, die sich auf Massenmörder beziehen, „verweigert den Dialog“, so der Vorwurf Tkalecs.

Das klingt alles ziemlich absurd, oder? Wirbt die zweitgrößte Tageszeitung der Hauptstadt tatsächlich für den Adolf-Hitler-Platz? Natürlich nicht. Die Berliner Zeitung wirbt stattdessen für die Mohrenstraße – die wir lieber als „M-Straße“ bezeichnen, weil der Name selbst einen rassistischen Begriff enthält.

Tkalec beruft sich auf „historische Fakten“. Doch irgendwie vergisst sie die Geschichte des preußischen Handels mit versklavten Menschen – bis zu 20.000 Menschen wurden über die Kolonie Groß-Friedrichsburg im heutigen Ghana verkauft. Die Reichtümer aus diesem Handel bilden eine Grundlage der ursprünglichen Akkumulation des preußischen Kapitalismus. Und auch wenn die genaue Herkunft des Namens „M-Straße“ umstritten ist, gibt es ohne Versklavung diese Geschichte auf jeden Fall nicht.

Am Dienstag versammelten sich rund 200 Menschen in der M-Straße zum dritten Mal für ein „Umbenennungsfest“. Es gab Spoken Word, Musik und viele Reden. Joshua Kwesi Aikins erklärte sehr ausführlich, warum das Wort „Mohre“ damals und heute als rassistisch anzusehen ist: Nicht nur wegen der Etymologie des Begriffs selbst, und auch nicht nur wegen der kolonialen Geschichte. Auch heute sagen bis zu 80% der Menschen in Umfragen, dass dieses Wort eine rassistische Konnotation hat.

Ist eine Umbenennung überhaupt den Anwohner*innen zuzumuten? Aikins erinnerte daran, dass die U-Bahn-Station „Mohrenstraße“ überhaupt nicht alt ist. Sie wurde 1908 als „U-Bhf Kaiserhof“ eröffnet. Nach dem Krieg war es der „U-Bhf Thälmannplatz“, ab 1986 dann „U-Bhf Otto-Grotewohl-Straße“. Erst seit 1991 (!!!) gibt es diesen kolonialen Namen. Nach dem Ende der DDR wurden viele Straßen im Handumdrehen umbenannt, um kommunistische Namen zu entfernen. Jetzt sei eine Umbenennung „den Anwohner*innen“ unzumutbar, heißt es von rechter Seite.

Die Aktivist*innen schlugen verschiedene alternative Namen vor: Anton-Wilhelm-Amo-Straße, Audre-Lourde-Straße oder Nelson-Mandela-Straße. Doch wir als Kommunist*innen hätten auch einige alternative Vorschläge. Denn Nelson Mandela mag seine Karriere als Freiheitskämpfer angefangen haben. Aber letztendlich sicherte er die Herrschaft des Kapitalismus in Südafrika – und sorgte dafür, dass die schwarzen Massen in Armut bleiben. Kofi Shakur von der Revolutionär-Kommunistischen Jugend schlug zum Beispiel eine Benennung nach Hilarius Gilges, einem afrodeutschen Schauspieler und Kommunisten aus Düsseldorf, vor. Andere Vorschläge:

  • George-Padmore-Straße: Ein afrokaribischer Kommunist, der von Hamburg aus die internationale Zeitung The Negro Worker herausgab, und später Panafrikanist und Lehrer von Kwame Nkrumah wurde.
  • Mumia-Abu-Jamal-Straße: Ein afrokamerikanischer Journalist, der seit 35 Jahren im Gefängnis in den USA sitzt.

Denn klar ist, dass eine Umbenennung der Straßen nicht reicht. Rassismus müssen wir an der Wurzel herausreißen. Das bedeutet, gegen Kolonialismus und Imperialismus zu kämpfen. Das bedeutet, die kapitalistische Ausbeutung zu sprengen. Deswegen hat Kofi Shakur auch dazu aufgerufen, am Schulstreik gegen Rassismus am 29. September teilzunehmen.

Denn im Gegensatz zu Maritta Tkalec können wir sagen, dass der Kampf gegen symbolischen Rassismus auch ein guter Startpunkt für einen Kampf gegen strukturellen Rassismus sein kann.

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