„Deutschland ist für uns die Hölle.“

01.05.2016, Lesezeit 4 Min.
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Die gemeinsame Pressekonferenz der Geflüchteten-Gruppen Refugees Emancipation und Mosaikstein gab vormittags den Auftakt für den Aktionstag am 27. April in Potsdam. Dort wurden, parallel zu den bundesweiten Schul- und Uni-Streiks von "Jugend gegen Rassismus", Aktionen vom unabhängigen Bündnis „United against Racism & Sexism“ organisiert, zu dem auch viele Geflüchtete gehören.

Auf der Pressekonferenz berichteten mehrere Menschen von ihren Erfahrungen in brandenburgischen Heimen und davon, wie ihnen ein normales Leben hierzulande verwehrt wird. Neben zahlreichen Aktivist*innen aus dem Bündnis und weiteren Geflüchteten waren mehrere Kamerateams und Journalist*innen anwesend.

„Deutschland hat in vielen Teilen der Welt ein gutes Image. Aber seit wir hier hergekommen sind, ist es für uns die Hölle.“ So beschreibt Hans aus Kamerun seine Eindrücke. Als er den Wunsch äußerte, in Deutschland zu studieren, sagte man ihm: “Studieren kannst du hier nicht. Aber vielleicht bekommst du einen Job als Reinigungskraft.“ Doch nicht nur die Diskriminierung und erzwungene Untätigkeit sind ein Problem. Auch die Angst, dass es noch schlimmer werden könnte: „Ich war in Spanien, bevor ich nach Deutschland kam. Damit falle ich unter die Dublin-Regelung. Oft kann ich nachts nichtmal richtig schlafen, aus Angst vor der Polizei. Sie könnte jederzeit kommen und mich nach Spanien oder Kamerun schicken.“ berichtet der 26-Jährige.

Sajid, der aus Pakistan kommt und seit zwei Jahren in Berlin-Hellersdorf lebt, geht es ähnlich: „Ich habe nur eine Duldung, das heißt, der Staat kann jederzeit sagen, dass ich gehen soll. Trotzdem lasse ich mich nicht einschüchtern, auch nicht von den Rechten, die vor unseren Unterkünften protestieren. Ich beteilige mich an den Gegenprotesten und anderen politischen Aktionen. Wenn uns der Staat nicht hilft, müssen wir uns zusammentun, um uns selbst und anderen zu helfen.“

Statt ausreichender Hilfe, erleben flüchtende Menschen von deutschen Behörden massive Schikanen. Einige berichten von Unterbringung noch außerhalb eines kleinen Dorfes. Allein um die nötigsten Einkäufe zu erledigen braucht es aus manchen dieser Heime einen zweistündigen Marsch zu Fuß, da öffentliche Verkehrsmittel nicht vorhanden sind. „Ich wurde auch in eine so abgelegene Unterkunft gesteckt. Zusammen mit anderen Menschen, deren Sprache ich nicht spreche. Wir können uns also gerade mal Hallo sagen.“ erklärt Harry, dem ein Heim in Finsterwalde zugewiesen wurde. Am Rande der Pressekonferenz berichtet eine Frau davon, dass sie mit ihren sechs Kindern bereits seit vier Jahren in einem Heim in Teltow lebt, das offiziell nur für die vorübergehende Unterbringung gedacht ist.

Viele der Geflüchteten weisen darauf hin, dass sie liebend gern Deutsch lernen würden, ihnen aber keine Chance dazu gegen wird. In den Kursen gibt es längst nicht genug freie Plätze – und diese werden bevorzugt an Geflüchtete „mit Bleibeperspektive“ vergeben. Also an jene, die der deutsche Staat zu „legitimen“ Asylbewerber*innen erklärt, weil sie aus Syrien, Eritrea, dem Irak oder dem Iran kommen.

Fadi Sujaa gehört zwar als Syrer zu denjenigen Geflüchteten, für die theoretisch etwas bessere Bedingungen gelten, freuen kann er sich über seine Situation dennoch nicht. Acht Monate lang saß er in einem Heim weit außerhalb Potsdams fest. Dort hatte auch er weder die Möglichkeit, Deutsch zu lernen, noch zu arbeiten. Die Isolation durchbrach er erst durch den Kontakt zu Refugees Emancipation. Die Gruppe verbesserte nicht nur die Internetversorgung in der Unterkunft, sondern half ihm auch, sich mit weiteren aktiven Geflüchteten zu vernetzen. Um Arabisch sprechende Menschen stärker in diese Vernetzung einzubeziehen, hat er im März die Gruppe Mosaikstein gegründet. Seine abschließenden Worte: „Es wird ständig gesagt, wir sollten uns integrieren. Doch die grundlegenden Voraussetzungen dafür werden uns verweigert: Das Erlernen der Sprache und die Möglichkeit zu arbeiten.“

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