Dessau: Tausende fordern Gerechtigkeit für Oury Jalloh

08.01.2018, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Am dreizehnten Jahrestag der Ermordung Oury Jallohs durch deutsche Polizisten treffen Aktivist*innen der Schwarzen Diaspora und linke Gruppen in Dessau ein, um die Aufklärung der Todesumstände und Gerechtigkeit für den Ermordeten zu fordern. Mit einer kraftvollen, kämpferischen Demonstration ziehen mehrere tausend Menschen durch die Stadt, um an diesen und andere rassistische Morde durch die Polizei, wie auch an rechte Gewalt zu erinnern.

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In Die Verdammten dieser Erde schreibt Frantz Fanon: „When we revolt it’s not for a particular culture. We revolt simply because, for many reasons, we can no longer breathe.“

Dieses Gefühl, nicht atmen zu können, wird allgegenwärtig, wenn man sich die Brutalität der Kolonialgeschichte Deutschlands und das seit Jahren steigende Ausmaß an rassistischer Politik und rechter Gewalt vor Augen führt. Eine Politik, die Menschen nach ihrer Nützlichkeit für den Erfolg der Wirtschaft sortiert und die gleichzeitig von Geflüchteten und Migrant*innen blinden Willen zur Integration verlangt, während die deutschen Verhältnisse tatsächlich so unmenschlich sind und bewusst so gestaltet wurden, dass Geflüchtete „freiwillig“ wieder in das Land zurückkehren, aus dem sie geflohen sind. Für Geflüchtete und Migrant*innen gibt es in diesem Staat keine Gerechtigkeit. Weder durch den NSU-Prozess, noch durch den von der Justiz verschleppten Fall des Mordes an Oury Jalloh. Im Gegenteil: Dem Kampf für die Aufklärung wird alles nur Mögliche entgegengesetzt, die Aktivist*innen kriminalisiert. Sie sehen sich sowohl der Polizei als auch Angriffen von Rechten ausgesetzt.

Diese Angriffe haben jedoch unerbittliche Kämpfer*innen geformt, die dem Staat keine Ruhe lassen und Jahr für Jahr durch Dessau marschieren werden, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. So ist die diesjährige Demonstration ist um vieles größer als die Demonstrationen der letzten Jahre. Sicherlich ist dies der breiten Mobilisierung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh zu verdanken, aber auch der aktuellen medialen Präsenz der Kampagne und der angekündigten Provokation der AfD.

Busse aus Köln, Berlin, Hamburg (gleich fünf!) und Aktivist*innen aus allen Teilen Deutschlands, eine eigene Aktion in München mit 150 Teilnehmenden sowie Protestaktionen vor den deutschen Botschaften in Senegal, Kamerun, Italien, Frankreich und England als Zeichen des Internationalismus!

Der Tod Oury Jallohs ist kein tragischer Einzelfall in einer düsteren Kleinstadt – Oury Jalloh ist ein Opfer von Rassismus, Polizeigewalt und dem deutschen Migrationsregime.

Die Reden stellen klar und deutlich den Bezug von der kapitalistischen Unterwerfung der afrikanischen Länder und den postkolonialen Machtverhältnissen zu den Fluchtursachen und der rassistischen Politik der BRD in den Vordergrund. Dementsprechend führt die Demonstration nicht nur an den für den Mordfall wichtigen Orten, Landgericht, Staatsanwaltschaft vorbei bis zum Polizeirevier, sondern auch an einem Abschiebegefängnis vorbei. Auch das ist die bittere Realität in Dessau: Einige der Mitstreiter*innen der Initiative und alte Bekannte Oury Jallohs wurden abgeschoben.


Dieser Tag ist von sehr großer Bedeutung für die Schwarze Community in Deutschland und umso größer ist die Freude, so viele Freund*innen und Genoss*innen zu sehen. Denn „Oury Jalloh ist nicht tot. Er lebt in unseren Erinnerungen. Er durchbohrt uns mit seinen Augen wie ein Speer und verlangt Gerechtigkeit.“ Vor dem Dessauer Polizeirevier stehen wir mit gehobenen Fäusten, während Nkosi Sikelel’ iAfrika, die Hymne des Anti-Apartheid-Kampfes gespielt wird.

Wir wissen, dass es Mord war. Keine Repression der Welt kann diese Tatsache auslöschen. Um zu verhindern, dass der deutsche Staat weiterhin unsere Geschwister tötet, braucht es die Einheit der Unterdrückten gegen die Unterdrückung.

Das bedeutet vor allem den kompromisslosen Kampf gegen die deutsche Außen- und Migrationspolitik. Die militärische Ausbildung von Sicherheitskräften und Polizei zur Bekämpfung von Schleusern und illegalisierter Migration, wie zur Zeit in Libyen durch die Bundeswehr, muss gestoppt und die deutschen Truppen aus allen afrikanischen Staaten abgezogen werden. Statt der heuchlerischen Forderung nach Integration, während Geflüchteten der freie Zugang nicht nur zu Bildung, Arbeit und Wohnraum, sondern selbst zu Sprachkursen verwehrt wird – um dann trotzdem Menschen, die hier seit Jahren leben, einfach abzuschieben – kämpfen wir für die Gewährung aller Rechte für Geflüchtete und gegen den staatlichen Rassismus. Unser Kampf ist grenzenlos und international.

Um es mit den Worten von Nkrumah zu sagen:

„We have awakened. We will not sleep anymore. Today, from now on, there is a new African in the world!“

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