„Der Rechtsrutsch der Linkspartei auf dem Feld des Antimilitarismus ist ein Knackpunkt, um mit der Partei zu brechen“

27.06.2022, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Im Rahmen des Bundesparteitags der LINKEN an diesem Wochenende erklärten zwei Genossen aus Berlin ihren Bruch mit der Linkspartei und ihrem Jugendverband. Wir spiegeln ihr Austrittsstatement.

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Foto: Martin Heinlein / Flickr.com

An die Mitglieder und Nahestehenden der Partei DIE LINKE. sowie des Jugendverbands linksjugend [‘solid],

die Partei DIE LINKE war nie eine sozialistische Partei, dennoch aber stets eine Anlaufstelle für Sozialist:innen in ganz Deutschland. Bereits seit der Gründung war die Partei ein bürokratisches, auf Wahlerfolge (und nicht aktuelle Klassenkämpfe) ausgerichtetes Projekt mit dem Ziel der „Resozialdemokratisierung der SPD“ im Westen und der Mitverwaltung des bürgerlichen Staates im Osten. Lange gab es aber Illusionen in die Reformierbarkeit dieser Partei. Linke Kräfte in der Partei glaubten, mit dem richtigen Personal kann man aus der LINKEN noch eine „sozialistische Oppositionspartei“ machen. Diese Illusionen müssen nun mit dem erstarkenden Rechtskurs in der Partei, der Verfestigung dieser in den Strukturen des bürgerlichen Staates und der ausbleibenden Mobilisierungen gegen Krieg, Aufrüstung und Inflation endgültig begraben werden. Gleiches gilt für den Jugendverband, welcher jedoch durch noch stärkere Kooperationen mit den Jugendorganisationen von SPD und Grünen einen noch rechteren Kurs fährt. So verwundert es nicht, dass beispielsweise einige Basisgruppen zu Beginn des Kriegs in der Ukraine mit JU und JuLis kooperierten und auch der Bundesverband einer solchen verpassten Kooperation hinterher trauerte.

Ein bürokratischer Albtraum

Die LINKE. ist ein bürokratischer Albtraum. Der Nährboden für die Bürokratie ist der Opportunismus und die Integration in den bürgerlichen Staat einschließlich der daraus resultierenden Posten, Fördermittel und Gelder, die die materielle Basis einer von einfachen Mitgliedern abgehobenen Schicht darstellt. Am grotesktesten ist diese in den Landtags- sowie der Bundestagsfraktion der Partei zu beobachten. Abgeordnete vertreten nur noch sich und die Interessen der Bürokratie, sichern sich mit Geklüngel und der Wahrung des Rechtskurses ihre eigenen Posten. Die oberste Priorität ist dabei der Wiedereinzug in die Parlamente, denn zum Ausbau der eigenen Privilegien eignet sich am besten die Regierungsbeteiligung. So entsteht ein ständiges Hangeln von Wahl zu Wahl sowie die Streichung des Programms mitten im Wahlkampf, um sich bei SPD und Grünen anzubiedern.

Außerdem: der Formalismus in der Organisierung und im Parteiaufbau nach dem deutschen Föderalismus führt zu weiteren Widersprüchen und Hindernissen: so vertritt nicht nur jeder Landesverband eigene Programmatiken, welche teils konträr zum Bundesverband sind, sondern auch alle Fraktionen und Fraktionsmitglieder fahren ihr eigenes Programm und sogar jeder Kreis- oder Ortsverband, aber zum kuriosen Umstand, dass Landes- und Ortsverbände unter Berufung der formellen „Kompetenzen“ der Bundespartei über die Landesgrenze hinaus keine Politik machen wollen.

Die Linke stellt ein Hindernis für die Arbeiter:innenklasse und keinen Fortschritt dar

Wie weiter oben bereits angesprochen war die Linkspartei immer eine reformistische, auf Wahlerfolge ausgerichtete Partei. Warum ist eben „Jetzt“ der richtige Zeitpunkt, mit dieser Partei zu brechen?

Der weitere Rechtsrutsch der ohnehin reformistischen Grundpositionen innerhalb der DIE LINKE., vor allem auf dem Feld des Antimilitarismus, stellen einen besonderen Knackpunkt dar, der von uns erfordert, dass alle fortschrittlichen Kräfte mit dieser Partei brechen. Nicht erst im Krieg zwischen Russland und der Ukraine haben sich bekannte Gesichter der Partei vom Antimilitarismus abgewandt und durch moralistische Argumentationen den Weg zum Sozialpatriotismus geebnet. So waren es nicht nur Hennig-Wellsow oder Gysi, die im Grunde Waffenlieferungen und Sanktionen befürworten.1 Ebenso hat man, angesichts der größten Remilitarisierung und Wiederbewaffnung des deutschen Imperialismus seit 1945, auf ganzer Linie versagt, für starken Gegenprotest, außerhalb von Scheinanträgen im Parlament, auf der Straße zu mobilisieren und so zu zeigen, dass man die Aufrüstung voll und ganz ablehne.

Ein weiteres Beispiel für die Degeneration der Partei zeigt sich in Berlin, wo der Landesverband durch seine Beteiligung an der Landesregierung für einen massiven Ausbau der Repressionsorgane sorgt und im Interesse des Deutschen Imperialismus, palästinensische, kurdische und linke Demonstrant:innen niederknüppeln lässt. Demonstrationen, wie zum Beispiel zum Nakba-Wochenende, werden ohne jeden Widerstand durch die rot-rot-grüne Landesregierung verboten: allein das Zeigen oder Tragen von Symbolen des palästinensischen Befreiungskampfes wurden an dem Wochenende durch die Berliner Polizei kriminalisiert.

Weiterhin wollte der Berliner Landesverband der LINKE dem eigenen, eher linken Spektrum zugehörenden Jugendverband die Gelder streichen, nachdem dieser internationalistische Anträge und Anträge gegen die Parteibürokratie beschlossen hat. Auf Kritik dieses verräterischen Kurses der Partei wurde mit bürokratischen Angriffen reagiert und mit O-Tönen in der Springerpresse durch Katina Schubert und Jörg Schindler gerügt.2 So sagte beispielsweise Schubert: „[…] wer das anders sieht, soll sich eine neue Partei suchen.“

Die Linken in der Linken

Viele Mitglieder der LINKEN haben, wie bereits erwähnt, Illusionen in die Reformierbarkeit der Partei. Dass die bedeutsamste Gruppierung von „Linken“ in der Partei einen festen Bestandteil des Parteiapparats bilden und unter anderem in Bremen für einen Ausverkauf der Krankenhäuser sorgten, sollte Grund genug sein, mit dieser Partei abschließen zu wollen. Uns erscheint es, dass diese linken Stimmen der Bürokratie, wie unter anderem das Netzwerk Marx21 oder Parteivorsitzende Janine Wissler, keinem anderen Zweck dienen, als durch oppositionelle Phraserei einen linken Schleier für den Kurs der Regierungsbefürworter:innen zu bilden. Oder das Projekt der Bewegungslinken, welches nach dem Prinzip „Die Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts“ agiert. Angemessener wäre wohl der Name “Über die Bewegungen reden”-Linke. Die Bewegungslinke dient viel eher dazu, zur Aufsplitterung der Klassenkämpfe beizutragen und deren Institutionalisierung voranzutreiben.

Linke #MeToo, Deutsche Wohnen und Co. enteignen, G7

Weitere Gründe, die den Zeitpunkt unseres Austritts maßgeblich beeinflusst haben: #linkemetoo, wo Betroffenen sexualisierter Gewalt die Erfahrungen abgesprochen und Täter:innen keine Konsequenzen geboten wurden oder der Verrat von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, ebenfalls durch die DIE LINKE. Berlin, wo der Wille von über eine Million Berliner:innen, überwiegend Arbeiter:innen, ignoriert und in einer Kommission gegen die Enteignung versenkt wird.

Zu guter Letzt ist es eine Schande für eine vermeintlich linke Partei, den Bundesparteitag, wie schon vor sieben Jahren, genau auf das Wochenende des G7-Gipfels in Deutschland zu legen, nicht zu den Gegenprotesten zu mobilisieren und so den deutschen Imperialismus weiter zu stützen.

Was brauchen wir?

Das leninistische Parteikonzept ist nicht ohne Grund ein demokratisch-zentralistisches sowie strengst antibürokratisches. Um eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei aufzubauen, benötigt es eine klare, geschlossene Außenhaltung, vor allem im Agieren, sowie einen regen, sich an den aktuellen Begebenheiten anpassenden und auf theoretischen Grundkenntnissen beziehenden Diskurs unter den Mitgliedern innerhalb der Parteistrukturen. Diese Partei wird in einem organischen Prozess der aktuellen Klassenkämpfe geformt.

All dies führt uns zu dem Entschluss, dass wir mit der Linkspartei und den dazugehörigen Organisationen, wie dem Jugendverband, brechen müssen. Was es braucht ist eine revolutionäre Umgruppierung, die es schafft, die Interessen der Arbeiter:innenklasse, unabhängig vom bürgerlichen Staat, zu vertreten und den Sozialismus auf revolutionärer Grundlage zu erkämpfen, in dem der bürgerliche Staat überwunden und zerschlagen werden muss.

All dies ist mit der Linkspartei nicht möglich und wir fordern daher alle Sozialist:innen in der Partei auf, uns nachzugehen, sich revolutionär-marxistisch zu organisieren und für einen wahren Klassenkampf einzustehen. DIE LINKE. steht für Verrat am Sozialismus und an der Arbeiter:innenklasse.

Mit sozialistischen Grüßen,

Tim Jonat und Dan Kedem

Fußnoten

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