Der Kampf der Arbeiter*innen von ONET auf der revolutionären und internationalistischen Sommerakademie

18.07.2019, Lesezeit 7 Min.
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Ein inspirierendes Beispiel dafür, wie die Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung heute Kraft entfalten können, ist der Kampf der Reinigungsarbeiter*innen in den Pariser Bahnhöfen. Einige der outgesourcten Beschäftigten der Firma ONET berichteten auf der internationalistischen und revolutionären Sommerakademie von ihrem Kampf.

Es war einer der bewegendsten Momente bei der Sommerakademie, als Fernande und Oumou von ihrem Streik berichteten und davon erzählten, wie sie durch diesen Kampf zu Anführerinnen ihrer Klasse wurden.

Dieser Kampf bot vielen der Workshops bei der Sommerakademie große Inspiration. Das Highlight war ein Dokumentarfilm über ihren Kampf, gedreht von Révolution Permanente (Teil des internationalen Zeitungsnetzwerks, dem auch Klasse gegen Klasse angehört). Außerdem berichteten sie in einem eigenen Workshop von ihren Erfahrungen.

45 Tage hatten sie die Reinigung der Pariser Bahnhöfe bestreikt. Dabei eroberten die 84 Kämpfer*innen – alle von ihnen Migrant*innen, viele über fünfzig – einen triumphalen Sieg über die Bosse des Unternehmens ONET/H. Reinier. Sie erkämpften sich beinahe alle ihre Forderungen, so zum Beispiel das Ende der ultra-flexiblen Schichtpläne, nach denen die Arbeiter*innen erst am Tag selbst erfuhren, wo sie eingesetzt werden sollten. Diese waren auch einer der ausschlaggebenden Gründe für den Arbeitskampf gewesen. Zuerst hatten neun von ihnen vor Gericht gegen die Eisenbahngesellschaft SNCF, die die Reinigungsarbeit an ONET outgesourct hatte, gewonnen. Ihnen war vorgeworfen wurden, illegal Räumlichkeiten der SNCF besetzt zu haben. Die Strafzahlung von je 500 Euro, zu der die SNCF verurteilt worden war, spendeten die neun Kolleg*innen der Streikkasse. Kurz nach diesem Sieg knickten dann auch die Bosse bei ONET ein.

Außerdem setzten sie den Übergang aller Beschäftigter in den Tarifvertrag des Transportwesens durch, der bessere Bedingungen als den der Reinigung vorsieht. Die Zahlungen für die Mittagspause wurden erhöht, ebenso wie weitere Prämien erkämpft. Für die Zeit des Streiks zahlte das Unternehmen zwei Wochen Gehalt und nahm alle Sanktionen gegen die Streikenden zurück. Und besonders wichtig: Die Kolleg*innen setzten sich mit der Forderung nach einem Festvertrag für einen Kollegen durch, der Probleme mit seinem Aufenthaltsstatus hatte – und nun in Frankreich bleiben konnte.

Selbstorganisiert und geeint

Dies schafften die Streikenden, indem sie fest zusammenhielten und sich gegen die Angriffe der Polizei und der Unternehmen ONET und SNCF gemeinsam wehrten. Sie taten dies, obwohl sie verschiedenen Gewerkschaften angehörten, die oft unterschiedliche Positionen vertraten. Und auch, obwohl für sie alle unterschiedliche Bedingungen galten, da sie zuvor nach unterschiedlichen Tarifverträge bezahlt wurden. Sie überwanden dabei auch Spaltungen durch Sprache, Nationalität oder Religion. Diese Einheit – und ihre Entschlossenheit – konnten sie aufrechterhalten, weil sie jeden Morgen in Streikversammlungen zusammenkamen. Dort trafen sie gemeinsam und demokratisch alle Entscheidungen – und setzten durch, dass diese dann auch genauso umgesetzt wurden. Dazu kam, dass die große Mehrheit der Belegschaft sich im Kampf befand: 84 der 110 Beschäftigten streikten mit.

Sie errichteten drei Streikposten an strategischen Bahnhöfen in der Stadt und waren dort rund um die Uhr anwesend, um zu verhindern, dass die Bahnhöfe von Fremdunternehmen oder Streikbrecher*innen geputzt würden – selbst wenn diese von der Polizei in den Bahnhof eskortiert wurden. Gleichzeitig informierten sie dort die Reisenden und warben für Solidarität. Die Streikposten wurden zur Orten, an denen die Kolleg*innen die Vereinzelung überwanden – denn normalerweise putzen die 110 Kolleg*innen in kleinen Grüppchen 75 Bahnhöfe und bekommen einander so nur selten zu Gesicht.

Solidarität war wichtig

Die Streikposten waren aber auch Orte, an denen sie Unterstützung durch andere Sektoren, Reisende und politische Gruppen erfahren konnten, allen voran durch andere Beschäftigte der SNCF, die sich für ihre Kolleg*innen in der Reinigung einsetzten. Ihnen gaben die Arbeiter*innen von ONET diese Solidarität zurück: An den Streiks der Eisenbahner*innen gegen die Eisenbahnreform beteiligten sie sich geschlossen.

Besonders bewegend war außerdem ein Besuch von Assa Traoré, Schwester von Adama Traoré, der von der Polizei ermordet wurde. Assa hat sich seitdem in eine führende Kämpferin gegen rassistische Polizeigewalt und Rassismus verwandelt. Ebenso besuchten feministische Gruppen die Streikenden und wurden herzlich empfangen.

Die Reiniger*innen verbanden sich auch mit anderen kämpfenden Sektoren, wie den Streikenden der Hotelkette Holiday Inn. Essentiell war ebenfalls die Gründung eines Komitees von Unterstützer*innen im Viertel Saint-Denis, vor allem um Solidarität zu organisieren. Das Komitee unterstützte die Kolleg*innen am Streikposten, zum Beispiel mit gemeinsamem Essen, organisierte Demonstrationen und Flugblattaktionen, um mehr Druck aufzubauen und den Kampf bekannter zu machen.

Symbol für andere prekär Beschäftigte

Außerdem war die Solidarität wichtig, um eine Streikkasse aufzubauen. Am Ende kamen insgesamt 70.000 Euro zusammen. Nur mithilfe dieses Geldes war es möglich, in so einem prekären Sektor so lange durchzustreiken – einige der Streikenden verdienen weniger als 600 Euro monatlich und müssen davon auch ihre ganze Familien ernähren. Die Beiträge kamen unter anderem von 3.000 Einzelspender*innen. Der Kampf erreichte auch Intellektuelle, die sich öffentlich mit ihnen solidarisierten.

Bei der Sommerakademie wurde davon gesprochen, dass dieser spektakuläre Sieg zeigt, unter welchen Bedingungen es möglich ist, selbst in den prekärsten Sektoren zu gewinnen. Indem die Streikenden sich nicht spalten ließen, sich Tag und Nacht in den Kampf stürzten und die Führung des Kampfes selber in die Hand nahmen und indem sie aktiv Solidarität organisierten, verwandelte sich der Kampf der Reiniger*innen von ONET in ein Symbol. Zentral dafür war auch die Unterstützung durch die Webseite Révolution Permanente. Mit Videos und Berichten schafften sie es, diese Arbeit, die sonst unsichtbar ist, sichtbar zu machen und den Menschen, sie sonst nicht gehört werden, eine Stimme zu geben. Wie Françoise Vergès es auf der Sommerakademie auszudrückte :„Eine unverzichtbare Arbeit, aber eine unsichtbare.“ Sie waren es auch, die das Solidaritätskomitee angestoßen hatten.

Fernande, ehemalige Streikende von Onet, Reinigungsarbeiterin und Gewerkschafterin kommentierte die Sommerakademie mit folgenden Worten:

Es war sehr intensiv und es hat mich gestärkt, arbeitende Frauen aus anderen Ländern zu sehen und mit ihnen zu diskutieren. Sie erleben die gleichen Sachen wie wir. Wir Frauen machen sehr viel, wenn wir geeint bleiben, können wir mit unseren Träumen bis zum Ende gehen. Wir, die Frauen der Arbeiter*innenklasse, wissen, wie beschwerlich die Arbeit ist. Selbst wenn wir prekär sind, selbst wenn wir nicht lange zur Schule gegangen sind, können wir doch zusammen kämpfen. Unsere Rolle als Kämpfer*innen der Arbeiter*innenklasse, als Gewerkschaftsdelegierte ist es, unsere Kolleg*innen davon zu überzeugen, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen und unsere Ausbeutung anzuprangern: In der Prekarität zu arbeiten ist kein Schicksal. Es ist Zeit aufzustehen, um für unsere Rechte zu kämpfen.

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