Das Mittel gegen den Aufstieg der AfD heißt Klassenkampf

14.06.2023, Lesezeit 15 Min.
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Foto: knipsdesign /Shutterstock.com

Die Logik des geringeren Übels hatte dem Aufstieg der AfD nie etwas entgegenzusetzen. Dies kann nur durch ein sozialistisches Programm gelingen.

Wenngleich es für Jugendliche mitunter so wirkt, als sei die AfD schon immer ein fester Bestandteil der BRD gewesen, ist sie die jüngste der im Bundestag vertretenen Parteien. Erst im Februar feierte sie ihr zehnjähriges „Jubiläum“. Dennoch ist sie mittlerweile im Europäischen Parlament und Bundestag sowie im Landtag und auf kommunaler Ebene in verschiedenen Bundesländern vertreten. Gerade in den letzten Wochen machte sie wieder Schlagzeilen. Für Aufsehen sorgen vor allem die aktuellen Umfrageergebnisse: Wären die Bundestagswahlen Mitte Mai gewesen, hätten 17 Prozent der Befragten die AfD gewählt, zwei Wochen später waren es 19 Prozent. In Ostdeutschland kommt sie laut Forsa-Umfrage auf mittlerweile 32 Prozent und wäre damit stärkste Kraft. Dabei verlief der Weg der Partei nicht linear nach oben, sondern sie erlebte vor allem intern immer wieder Streitigkeiten und Auseinandersetzungen über die politische Ausrichtung. Während die AfD aufstieg, stagnierte auf der anderen Seite DIE LINKE. In den Umfrageergebnissen schwankt sie um die 5-Prozent-Hürde herum und unterschreitet diese mitunter.

In einem Anfang Juni erschienenen Artikel bezieht sich auch Jacobin auf diese Umfragerekorde der AfD, die allerdings kein Grund zur Verzweiflung, sondern ein Aufruf zum Handeln seien. Bei Jacobin gilt: „Antifa heißt Wohlfahrtsstaat“. Es brauche „eine höhere Mindestrente, einen höheren Mindestlohn und eine höhere Mindestsicherung“, ebenso wie eine Linke, die dem „kleinen grünen Staat zugunsten des Kapitals und zulasten der großen Mehrheit einen großen grünen Staat mit Garantien für die breite Bevölkerung entgegen stellt.“ Sicherlich muss man die anti-soziale Politik der Ampel-Regierung bekämpfen, um die AfD zu bekämpfen. Aber anders als von Jacobin impliziert, ist hierfür eine rot-rot-grüne Regierung, die verspricht, den „Wohlfahrtsstaat“ zu stärken und am Ende doch Sparmaßnahmen durchsetzt, keine Lösung. Denn der Aufstieg der AfD insbesondere in Ostdeutschland zeigt, wie auch die Linkspartei, die in diesen Bundesländern Regierungspartei war und ist, ihren Anteil an diesem hatte und hat. Und: Auch ein großer grüner Staat wird weiterhin kapitalistisch sein.

Anstatt jedoch eine tatsächliche Kampfperspektive gegen die Regierung und den Staat aufzuzeigen, beschränkt sich Jacobin darauf, die vom Neoliberalismus abgehängten, neuen Wähler:innen der AfD mit bürgerlicher Sozialpolitik einzufangen. Eine Perspektive, die über die Wahlurne hinausgeht, fehlt in dem von Ines Schwerdtner und Lukas Scholle geschriebenen Artikel völlig. Eine Kritik an der Regierungsperspektive der Linkspartei sowieso.

Eine politische Antwort auf die AfD kann jedoch nicht länger in der Logik des kleineren Übels bestehen; jedenfalls dann nicht, wenn man weitere Erfolge und möglicherweise Regierungsbeteiligungen der AfD verhindern und die Rechte insgesamt zurückdrängen möchte. Die nationalistische, rassistische und sexistische Spaltung, die im Zentrum der Politik der AfD steht, kann nicht durch die Hoffnung in den kapitalistischen Staat überwunden werden, der von dieser Spaltung profitiert.

Wir wollen in diesem Artikel die Entwicklung der AfD seit ihrer Gründung betrachten. Sie zeigt, dass mit dem stetigen Marsch der AfD nach rechts auch die Regierungen nach rechts gegangen sind. Den chauvinistischen Diskurs der AfD haben sie teilweise selbst in der eigenen Politik umgesetzt.

Von der Gründung bis zur Migrationskrise: Die Ära Lucke, Adam, Petry, Meuthen

Zum Zeitpunkt ihrer Gründung im Februar 2013 handelte es sich bei der AfD um eine primär eurokritische, liberal-konservative Partei. Maßgeblich zu ihrer Entstehung trug dabei die internationale Finanzkrise, beziehungsweise genauer: die ab 2010 in deren Folge ausbrechende Krise der Europäischen Währungsunion, bei. In der Kritik stand insbesondere die Euro-Rettungspolitik, die die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel – wie so ziemlich alles andere auch – als „alternativlos“ bezeichnete. Mit der AfD sollte genau dazu eine „Alternative“ aufgebaut werden. Im Programm zur Bundestagswahl 2013 hatte die Thematik oberste Priorität. Bernd Lucke, einer der Gründer und gemeinsam mit Konrad Adam und Frauke Petry der erste Bundessprecher beziehungsweise Parteivorsitzende, schlug etwa vor, die südeuropäischen Staaten aus dem Euro auszuschließen und dort wieder nationale Währungen einzuführen. Die rassistischen Wurzeln der Partei zeigten sich hier bereits in einem Chauvinismus, der der Logik folgte, die EU solle nicht weiter für „die faulen Staaten im Süden“ bezahlen.

Zu den ersten Mitgliedern zählten mitunter Personen, die aus CDU und FDP übergelaufen waren. Zwar scheiterte die Partei bei der Bundestagswahl im Herbst noch knapp an der 5-Prozent-Hürde. Ein paar Monate später zog sie jedoch bereits mit 7,1 Prozent in das Europäische Parlament ein. Anfangs lag der Erfolg wohl auch daran, dass „Alternative“ prinzipiell als „dagegen“ wahrgenommen wurde. So trat die AfD zunächst vor allem als Protestpartei auf . Dies zeigte sich auch in der Zusammensetzung ihrer Wähler:innenschaft: Nach der Bundestagswahl 2013 gaben 60 Prozent an, die AfD nicht aus Überzeugung, sondern aus Enttäuschung über andere Parteien gewählt zu haben. Zu den hauptsächlich enttäuschenden Parteien zählten die FDP und DIE LINKE.

Neben dem Einzug in das Europäische Parlament konnte die Partei 2014 bei den Landtagswahlen in Sachsen mit 9,7 Prozent, in Thüringen mit 10,6 Prozent sowie in Brandenburg mit 12,2 Prozent erste Erfolge auf Länderebene erzielen. Diese Wahlen dienten der AfD auch als eine Art Bestätigung, dass die allmähliche Änderung ihrer politischen Ausrichtung, weg vom Wirtschaftsliberalismus hin zum Nationalkonservatismus, funktionierte. Die Kritik an der Migrationspolitik rückte mehr und mehr in den Fokus. Damit blieb die AfD nicht allein: Im Dezember 2014 gründete Lutz Bachmann die rassistische Pegida-Bewegung („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“), im Januar 2015 versammelten sich 25.000 Anhänger:innen zu einer Kundgebung in Dresden und in anderen Städten entstanden lokale Ableger. Das Verhältnis zu Pegida war innerhalb der AfD nicht eindeutig und vor allem Lucke behielt eine distanzierte Haltung, während ein Teil des völkisch-nationalistischen Flügels von Beginn an zu den Unterstützer:innen zählte.

Innerparteilich brach ein Machtkampf aus, der auch in der Medienberichterstattung zunehmend dominanter wurde. Auf dem Essener Parteitag im Juli 2015 schließlich wurde Lucke abgewählt. Fortan bildete Petry zusammen mit Jörg Meuthen die Parteispitze, Lucke selbst trat aus der AfD aus. Zu diesem Zeitpunkt waren auch die Umfrageergebnisse mit um die vier Prozent niedrig.

Mit der sogenannten Migrationskrise allerdings, die von Alexander Gauland mitunter als „Geschenk“ für die Partei betrachtet wurde, verkehrte sich die Tendenz in ihr Gegenteil – je rassistischer die AfD auftrat, desto stärker wuchs sie.

Von der „Migrationskrise“ bis in die Gegenwart: Ära Petry, Meuthen, Gauland, Weidel, Chrupalla

Auf dem Mitgliederparteitag im Herbst 2015 wurde schließlich das erste Grundsatzprogramm der AfD verabschiedet. Oberflächlich trug es zwar noch Züge der marktliberalen Gründungspositionen, tatsächlich war es aber bereits vom erstarkten national-konservativen Flügel geprägt. Das Strategiepapier des Bundesvorstands enthielt etwa Forderungen nach der Wiedereinführung von Kontrollen an deutschen Grenzen, ein 48-Stunden-Asylverfahren in Grenznähe sowie das Verbot, einen Asylantrag zu stellen, sollten Menschen aus als sicher eingestuften Herkunftsländern kommen. Auf dem kurz darauf folgenden Bundesparteitag wurde zudem eine Resolution verabschiedet, in der die AfD die Unterordnung des Asylrechts unter die Sicherheit von Staat und Bevölkerung, die Einführung einer Obergrenze bei der Aufnahme von Geflüchteten sowie die Abschaffung des Familiennachzugs forderte. All dies zeigte Wirkung: Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März 2016 bekam die Partei 23,4 Prozent der Stimmen.

Bezeichnend daran ist, dass der damalige Spitzenkandidat André Poggenburg, der die AfD 2019 schließlich verließ, zum völkisch-nationalistischen Flügel um Björn Höcke zählte. 2017 strebte der Bundesvorstand ein Ausschlussverfahren gegen diesen an, das Landesschiedsgericht der AfD entschied jedoch 2018, Höcke nicht aus der Partei auszuschließen.

Bei der Bundestagswahl im selben Jahr zog die AfD dann erstmals mit 12,6 Prozent in den Bundestag ein und wurde drittstärkste Kraft. Unmittelbar nach der Wahl erklärte Petry, kein Teil der Fraktion im Bundestag sein zu wollen und trat letztlich ganz aus der Partei aus. Schon bei dieser Bundestagswahl zeigte sich, dass die Logik, eine „All-Parteien-Koalition“ gegen die AfD zu bilden, gänzlich fehlschlägt. Vielmehr trug unter anderem die rechte und rassistische Politik der Bundesregierung in den Jahren zuvor dazu bei, den Diskurs nach rechts zu verschieben. Horst Seehofer von der CSU rechtfertigte dies noch am Wahlabend: Man müsse Themen aufgreifen, mit denen die AfD punkten konnte. Dies heißt nichts anderes, als noch mehr und noch stärker AfD-Positionen zu übernehmen. Weiterhin zeigte sich, dass das alte Parteiensystem mehr und mehr erodierte. Hierbei versagte die Linkspartei jedoch, dem Abstieg der Großen Koalition unter Merkel eine linke Alternative entgegenzustellen, was ebenfalls den Aufstieg der AfD begünstigte.

Unter dem Spitzen-Duo aus Meuthen und Alice Weidel etablierte sich der Rechtskurs der AfD immer mehr. Als 2018 Daniel H. in Chemnitz erstochen wurde, organisierte der national-völkische Flügel einen „Trauermarsch“, bei dem rechtspopulistische Politiker:innen offen und Seite an Seite mit Pegida-Anhänger:innen und Neonazis demonstrierten. Befeuert wurde der Rechtspopulismus auch durch die Präsidentschaft von Donald Trump. Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen 2019 erwies sich die Nähe zur radikalen Rechten nicht etwa als Hindernis, insofern die AfD ihre bisherigen Ergebnisse mit 27,5 Prozent beziehungsweise 23,5 Prozent noch übertreffen konnte – in Thüringen im Übrigen mit Höcke als Spitzenkandidat.

Nachdem Hans-Georg Maaßen als Verfassungsschutzpräsident in den Ruhestand versetzt wurde, ließ dessen Nachfolger Thomas Haldenwang die AfD zum Prüffall sowie die Junge Alternative und den „Flügel“ um Höcke zum Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus erklären. Gegenwärtig bezeichnet der Verfassungsschutz die gesamte AfD als Verdachtsfall und die Junge Alternative als gesichert rechtsextrem. Dies entbehrt nicht einer gewissen bitteren Ironie, da der Verfassungsschutz über seine V-Leute eng mit der extremen Rechten verbunden ist. So wurde der NSU erst mit Hilfe des Verfassungsschutzes aufgebaut.

In der Corona-Pandemie ab 2020 konnte die AfD wiederum auf ein altbewährtes Mittel setzen und sich als vermeintliche Opposition zum Regierungskurs inszenieren; ähnliches lässt sich auch in Bezug auf den Ukrainekrieg beobachten. Begünstigt wird dies durch die fehlende Alternative von links. Dass sich bei den Querdenken-Protesten rasch auch Rechte einfanden, ist bekannt. Ebenso wie die Vermischung von Esoterik mit rechter Ideologie und Verschwörungsideen. Und dennoch war es sicherlich nicht besonders hilfreich, wenn andere Parteien die Teilnehmer:innen an solchen Protesten verallgemeinernd öffentlich als „Covidioten“ betitelten. Anstatt eine linke Opposition zur Corona-Politik der regierenden Parteien aufzubauen und sich gegen die Interessen der Kapitalist:innen zu stellen, glänzte die Linkspartei wahlweise mit Abwesenheit oder mit Unterstützung der Beschlüsse der Bundesregierung. Und anstatt der Ukrainepolitik der Bundesregierung eine klare Alternative entgegenzusetzen, die sich weder unter die NATO noch unter Putin unterordnet, unterstützt die Linkspartei die Sanktionspolitik der Ampel, während Teile der Partei sogar offen für die Erweiterung der NATO eintreten.

In jener Leerstelle konnte die AfD als die einzige Partei auftreten, die vermeintlich die existentiellen Sorgen der Menschen ernst nahm. Ebenso schaffte sie es, Strukturen aufzubauen, die wie ein Sprungbrett für die noch weiter rechts stehenden Parteien beziehungsweise Bewegungen wirken. Das Versagen der Linkspartei zeigte sich schließlich auch in dem miserablen Wahlergebnis von 4,9 Prozent bei der Bundestagswahl 2021. Auf die AfD entfielen damals 10,3 Prozent der Stimmen. Seit Beginn des Ukrainekriegs, wo die AfD auf nun bis zu 19 Prozent angewachsen ist, kratzt die Linkspartei in Umfragen weiterhin nur an der Fünf-Prozent-Hürde.

Und in Zukunft?

In den zehn Jahren seit ihrer Gründung konnte sich die AfD zu einer Partei entwickeln, die nicht mehr nur von außen kritisiert. Zugleich wird sie immer noch gewählt, um gegen ein „linkes“ Establishment zu protestieren. Fest verankert, ist eine Beteiligung der AfD an einer Landesregierung nicht mehr so unwahrscheinlich, wie es einmal schien. Sollten alle anderen Parteien eine Koalition weiterhin ausschließen, so könnte die AfD immer noch indirekt aus der Opposition heraus mitregieren, insofern sie derzeit beispielsweise in Thüringen bei Wahlumfragen auf 30 Prozent kommt. Im Blick ist dabei vor allem die CDU, zwischen beiden Parteien bestehen auf kommunaler Ebene durchaus bereits Kooperationen. Auf Bundesebene steht einer Koalition die „russlandfreundliche“ Haltung der AfD im Wege, was auf Landesebene nicht unbedingt gelten muss. Friedrich Merz jedenfalls bekräftigte vor einigen Tagen nochmals, dass es mit ihm als Parteivorsitzender der CDU keine Koalition geben werde.

Auch wenn sich die AfD selbst gerne einmal als Partei der Arbeiter:innen darstellt, hat sie keine organische Verankerung in der Arbeiter:innenklasse. Gleichwohl sind viele ihrer Wähler:innen Lohnabhängige, bei der Bundestagswahl 2021 lag die Zustimmung zur AfD unter Gewerkschaftsmitgliedern sogar höher als in der Gesamtbevölkerung – und fast doppelt so hoch wie zur Partei DIE LINKE. Laut einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung ist sie dennoch eine strikt neoliberale Partei, die in den allermeisten Fällen ähnlich der FDP für einen Abbau von sozialstaatlichen Leistungen stimmt. Allerdings vertritt sie auch keine größeren Kapitalsektoren, sondern entspricht eher einer kleinbürgerlichen Partei, die dementsprechend die Interessen des „Kleinkapitals“ durchzusetzen versucht. Im Zuge des Ukrainekriegs konnte sie zu einer Art indirekter Stellvertretung von eher russlandfreundlichen Kapitalsektoren werden. Das trifft insbesondere auf Ostdeutschland zu, wo wenig Großkapital angesiedelt ist und die wirtschaftlichen Verbindungen nach Russland deutlich enger sind. Die russlandfreundlichen Kapitalsektoren hingegen betrachten die AfD noch nicht als „ihre Partei“. Die strategische Unklarheit der deutschen Bourgeoisie über die zukünftigen Beziehungen zu Russland erlauben es der AfD jedoch, als Sprachrohr dieses Sektors aufzutreten. Darüber hinaus sind Teile der AfD offen arbeiter:innenfeindlich, wie etwa Beatrix von Storch, die die Gewerkschaft ver.di im März 2017 als „eine offizielle Verbrecherorganisation“ und „Gefahr für unsere Demokratie“, demnach also als „Verfassungsfeinde“ diskreditierte.

Bekanntermaßen bewegt sich die AfD nicht allein im Feld neuer rechter, rechtsradikaler und rechtsextremer Parteien. Neben der NPD, die sich kürzlich offiziell in „Die Heimat“ umbenannte, formieren sich mit dem III. Weg und der „Neuen Stärke Partei“ Organisationen, die noch deutlich weiter rechts als die AfD stehen und ihre Ideologie sehr viel direkter zur Schau stellen. Dennoch führt die AfD einen großen Teil des rechten Spektrums direkt oder indirekt an. Zudem vermag sie es, von rechts Druck auf die anderen Parteien im Bundestag wie auch in Landtagen aufzubauen.

Dass auch jene ohnehin nach rechts gerückt sind, zeigen aktuelle Debatten über die deutsche Asylpolitik. Hier vertreten vermeintlich „progressive“ Parteien, also auch diejenigen der Ampel-Regierung, Positionen, die vormals dem AfD-Spektrum zuzurechnen gewesen wären. Für den sogenannten Flüchtlingsgipfel hatte die Bundesregierung eine Beschlussvorlage, die eine deutliche Verschärfung der Asylpolitik abzielte: schnellere Abschiebungen, die Einrichtung zentraler Ankunftseinrichtungen, die Verlängerung des Ausreisegewahrsams auf 28 Tage, ein noch leichterer Zugang für die Polizei zu Gemeinschaftsunterkünften von Geflüchteten. Bei den Grünen mehrten sich zuletzt die kritischen Stimmen gegen den Frontalangriff auf die letzten Reste des Rechts auf Aysl – ihre Parteispitze hatte diese „Reform“ auf EU-Ebene aber natürlich mitgetragen.

Es sollte klar sein, dass die Logik des geringeren Übels, die bereits in der Vergangenheit schonungslos versagte, keine Perspektive für die Linke darstellen kann. Oder wie es die Genoss:innen der Revolutionären Strömung der Arbeiter:innen (CRT) angesichts der Wahlen im Spanischen Staat ausdrücken: Gegen die echte Rechte kann man nicht mit einer falschen Linken gewinnen. Die Linkspartei bietet keine Antworten auf die Krise. Die AfD lässt sich auch nicht einfach abwählen. Die Rechtsverschiebung zeigt, dass die rechte Politik auch von anderen Parteien gemacht wird. Ebenso zeigen rot-rot-grüne Landesregierungen, dass die AfD trotzdem weiterhin gewählt wird.

Es sind die Gewerkschaften, die eine Antwort auf den Rechtsruck geben müssen. Dazu muss gehören, die Angriffe der Regierungen und der sogenannten Arbeitgeber:innen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen zurückzuschlagen, damit die soziale Demagogie der Rechten nicht verfängt. Dazu gehört aber auch, die „Gewerkschaft“ der Polizei aus dem DGB auszuschließen und eigene Organe aufzubauen, die für die öffentliche Sicherheit zuständig sind, denn die verschärfte Repression gegen Geflüchtete, die Klimabewegunug und linken Protest durch die Polizei ist selbst Teil des Rechtsrucks. Es braucht eine Gewerkschaftsbewegung, die sich mit allen verfügbaren Mitteln gegen die Abschaffung des Rechts auf Asyl stellt und aktiv Abschiebungen verhindert – nicht aus humanitären Gründen, sondern weil sie die Geflüchteten als besonders unterdrückten Teil der Arbeiter:innenklasse erkennt.

Gerade deshalb aber ist heute eine revolutionäre Linke so dringend notwendig. Denn die Bürokratie, die die Gewerkschaften in ihrem Griff behält, wird all das nicht in Angriff nehmen. Die verschiedenen Strömungen der Linkspartei sind mit Teilen dieser Gewerkschaftsbürokratie verwachsen, ordnen sich ihr unter oder ignorieren sie, wie Wagenknecht, weitgehend. Es kann nur eine revolutionäre Linke sein, die es sich zur Aufgabe macht, in den Gewerkschaften eine antibürokratische Strömung aufzubauen und die Organisierung der Jugend an Schulen und Unis voranzutreiben, um gegen Faschismus und Autoritarismus zu kämpfen. Antifa heißt nicht Wohlfahrtsstaat. Antifa heißt Klassenkampf!

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