#CDUkaufen: Waffengelder für den Wahlkampf?

22.03.2021, Lesezeit 8 Min.
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Bild: 360b / shutterstock.com

Die Maskenaffäre in der Union führt uns vor Augen, dass Korruption in der deutschen Politik kein Einzelfall ist. Besonders Politiker:innen der Union haben sich in der Vergangenheit immer wieder mit illegalen Spenden und Schmiergeldern bereichert. Ein System der Korruption, welches bis zum Ex-Kanzler Helmut Kohl reichte.

Die Maskenaffäre ist bei Weitem nicht der erste Korruptionsskandal in der Geschichte der Union. Im Jahr 1999 gab der ehemalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep vor Gericht zu, 1991 eine Spende in Höhe von einer Million Deutsche Mark vom Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber angenommen zu haben. Die Spende wurde allerdings nie auf einem offiziellen Konto der CDU verbucht.

Wie später herauskam stammt das Geld ursprünglich von der Thyssen AG, die durch ein Panzergeschäft mit Saudi-Arabien rund 440 Millionen Mark kassierte. Davon waren 220 Millionen Schmiergelder, die zum Teil auch an deutsche Politiker:innen flossen, damit die Bundesregierung die Panzerdeals genehmigen würde. In dieser Zeit tobte der Zweite Golfkrieg. Saudi-Arabien war im Krieg gegen den Irak Verbündeter der USA. Bundeskanzler Helmut Kohl hatte den USA zugesichert, sie finanziell und militärisch zu unterstützen. Schreiber fungierte quasi als „Vermittler“ zwischen der Industrie und der Bundesregierung, um Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen zu können.

Auch der ehemalige Geheimdienstchef, späterer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und letztlich Spitzenmanager bei DaimlerChrysler, Ludwig-Holger Pfahls, kassierte mehrere Millionen Mark, um das umstrittene Geschäft zu ermöglichen. Dieser reiste 1990 persönlich nach Saudi-Arabien, nachdem der damalige irakische Machthaber Saddam Hussein Kuwait besetzt hatte. Da das Auswärtige Amt den Waffenexporten erst nicht zustimmte, kontaktierte Pfahl den engen Vertrauten Kohls Horst Teltschik und bat um Einflussnahme auf die Entscheidung des Auswärtigen Amts. Wenige Monate später wurde Thyssen die Genehmigung für diesen Deal erteilt.

Und als ob das nicht genug wäre: Auch Max Strauß, der Sohn des ehemaligen CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß, war in die Schreiber-Affäre verwickelt – wegen Mangel an Beweisen wurde er später freigesprochen. Eine Hausdurchsuchung, die 1996 stattfand, brachte keine Erkenntnisse, weil Strauß vorher gewarnt wurde. Seine Festplatte wurde kurz vorher angeblich von einem Virus befallen und alle Daten seien laut seiner Darstellung gelöscht worden. Auch der mehrfache Bundesminister Wolfgang Schäuble gab im Zuge der Ermittlungen zu, im Jahr 1994 eine Barspende in Höhe von 100.000 Mark von Schreiber erhalten zu haben, die ebenfalls nicht ordentlich verbucht wurde.

Kohls Ehrenwort

Kohl gab zwar zu, zwischen 1993 und 1998 rund zwei Millionen DM als Spende erhalten zu haben. Die Namen der Spender hat er jedoch mit ins Grab genommen, weil er ihnen sein „Ehrenwort“ gegeben habe. Vor dem 1999 einberufen Untersuchungsausschuss behauptete er, von den Zahlungen im Zusammenhang mit dem Panzerdeal nichts gewusst zu haben. Doch durch eine Aussage von Wolfgang Schäuble von 2015 bekam die Affäre eine neue Dimension. Dieser sagte in einer ARD-Dokumentation, dass Kohl die Spender nicht benennen konnte, weil es sie nie gegeben hatte. Diese falsche Aussage sollte lediglich davon ablenken, dass die CDU bereits seit den 70ern schwarze Kassen führte.

Der damalige CDU-Vorsitzende Rainer Barzel, 1972 als Kanzlerkandidat gegen Willy Brandt gescheitert, wurde 1973 von Helmut Kohl auch aus dem Amt des Parteivorsitzenden gedrängt. Für den Rückzug kassierte Barzel jährlich 250.000 Deutsche Mark von extra dafür angelegten inoffiziellen Konten in der Schweiz. An diesem Coup beteiligt waren vor allem der damalige Henkel-Chef Kurt Biedenkopf, nach der Wiedervereinigung CDU Ministerpräsident von Sachsen, sowie der Chef des Flick-Konzerns Eberhard von Brauchitsch. Laut mittlerweile bekannten Dokumenten wollten sie verhindern, dass Barzel als „Sozialfall“ endet. Helmut Kohl bedankte sich bei Biedenkopf für die Unterstützung auf dem Weg zum Vorsitzenden damit, dass er ihn zum Generalsekretär ernannte und ihm ein sehr viel höheres Gehalt zahlte als üblich. Ein Teil dieses Gehalts wurde wiederum aus den kurz zuvor angelegten schwarzen Kassen bezahlt.

Der Flick-Konzern: bereichert durch NSDAP und CDU

Auch der Flick-Konzern erhielt eine beträchtliche Belohnung von der Bundesregierung: Im Jahr 1975 verkaufte der Konzern Daimler-Aktien in Höhe von rund einer Milliarde DM an die Deutsche Bank. Beim Bundeswirtschaftsministerium (damals FDP) beantragten sie für dieses Geschäft eine Befreiung von Steuern, die rund 500.000 Mark betragen hätten. Die erforderlichen Genehmigungen wurden ihnen erteilt. Von Brauchitsch zahlte dabei an zahlreiche hochrangige Politiker:innen immer wieder Beträge in Höhe mehrerer Zehntausend Mark. Rüdiger May, damals Hauptabteilungsleiter der CDU, sagte in der angesprochenen ARD-Dokumentation, dass dieses System Kohl bekannt gewesen sei. Der ehemalige Weggefährte Uwe Lüthje bewahrte Kohl durch eine Falschaussage vor weiteren Ermittlungen wegen seiner Lüge vor dem Untersuchungsausschuss.

Besonders skandalös sind die Verstrickungen des Flick-Konzerns in die Enteignung jüdischer Unternehmer:innen in den 30er-Jahren. Der Konzern spendete jährlich rund 100.000 Reichsmark an die NSDAP. Im Gegenzug gingen viele ehemalige jüdische Unternehmen mit Unterstützung der NSDAP in die Hände von Flick über. Während des zweiten Weltkriegs waren etwa die Hälfte der Arbeiter:innen beim Flick-Konzern Zwangsarbeiter:innen, zu großen Teilen aus Konzentrationslagern. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Friedrich Flick zu sieben Jahren Haft verurteilt, jedoch schon 1950 frühzeitig wieder freigelassen. Die Bundesregierung Adenauer verhinderte in den 50ern die vollständige Zerschlagung des Konzerns durch die Alliierten. Schon in den darauffolgenden Jahren stieg der NS-Waffenschmied Flick schnell wieder zu einem der reichsten Männer Westdeutschlands auf.

Korruption ist Teil der DNA der Union

Die CDU-Spendenaffäre steht in fester Kontinuität zur Flick-Affäre und zeigt die Kontinuität von Korruption in der deutschen Politik bis zur Maskenaffäre heute auf. Sowohl zur Flick-Affäre als auch zur späteren Spendenaffäre gab es im Bundestag Untersuchungsausschüsse, die beide jedoch keine abschließende Aufklärung brachten. Zwar wurden die Rechenschaftsberichte der CDU für die Zeit nachträglich korrigiert; bis heute ist allerdings nicht geklärt, was mit einem Großteil der Schmiergelder passiert ist. Auch die beteiligten Politiker:innen und Industriellen kamen recht milde davon. Zwar wurden die vermeintlich maßgeblichen Drahtzieher Ludwig-Holger Pfahls und Karlheinz Schreiber zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt – jedoch nicht einmal wegen Bestechung, sondern aufgrund des Vorwurfs der privaten Steuerhinterziehung. Ein Verfahren gegen Wolfgang Schäuble wurde hingegen eingestellt. Walther Leisler Kiep wurde lediglich zu einer Geldstrafe in Höhe von 45.000 Mark verurteilt. Gegen Kohl selbst ermittelte die Bonner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue bis 2001 – stellte das Verfahren aber letztlich ein. Im Gegenzug wurde Kohl dazu verurteilt rund 300.000 Mark an den Staat bzw. gemeinnützige Zwecke zu zahlen.

Wolfgang Schäuble entschuldigte sich zwar in aller Öffentlichkeit und legte seine damaligen Ämter als Partei- und Fraktionschef nieder. Wenige Jahre später war er jedoch schon wieder in Amt und Würden und bekleidete in der Ära Merkel zwischen 2005 und 2017 wichtige Ministerposten. Als Finanzminister zwang er während der Eurokrise Griechenland, Italien und Spanien zu Kürzungen in Bildung und Gesundheit, sowie zu massiven Privatisierungen. Treuhandanstalten wurden geschaffen, um das Staatsvermögen an private Investor:innen zu verscherbeln. Dabei konnte der CDU-Politiker auf eine außergewöhnliche Expertise verweisen. 1990 handelte er die Staatsverträge zum Beitritt der DDR in die BRD aus, in dessen Folge das gesamte Volksvermögen der DDR durch die Treuhandanstalt verscherbelt wurde. Schäuble schaffte die wohl korrupteste Institution der deutschen Nachkriegsgeschichte. Seit 2017 ist er bekanntlich Bundestagspräsident. Auch Kurt Biedenkopf nahm trotz der Verwicklung in das System der schwarzen Kassen kaum Schaden. Ganz im Gegenteil: Zwischen 1990 und 2002 war der Wessi „König Knut“ der erste Ministerpräsident Sachsens.

All diese Korruptionsfälle zeigen, dass Bestechung ein Teil der DNA der Politik der Union ist und war. Die offenen Fragen zu den damaligen Fällen legen zudem offen, dass diejenigen, die selbst in die Skandale verstrickt waren, die Aufklärung systematisch verhinderten – im Falle von Kohl sogar durch dreiste Lügen. Deshalb reicht es auch heute nicht, einfach nur von den Unions-Vorsitzenden Aufklärung zu fordern. Ganz im Gegenteil braucht es eine Offenlegung aller Einkünfte der Abgeordneten, ein Verbot von sämtlichen Nebeneinkünften und Parteispenden aus Industrie und Wirtschaft, sowie eine unabhängige Untersuchung der Korruptionsfälle mit Beteiligung der Gewerkschaften. Korrupte Abgeordnete müssen jederzeit abgewählt werden können und das Geld, welches sie dadurch erhalten haben, zurückzahlen. Der Ehrenkodex, den zahlreiche Unions-Abgeordnete zuletzt unterzeichnet haben, ist ein Witz und dient nur dazu, sich selbst reinzuwaschen und den politischen Schaden zu begrenzen. Die systematische Korruption wird damit nicht beendet, sondern nur weiter verschleiert. Kohls Ehrenwort sollte uns mahnen, den bürgerlichen Regierungen keinerlei Vertrauen zu schenken.

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