Berliner Lehrer:innen: Große Mehrheit stimmt bei Streikversammlung für Kampagnenplan mit 5-Tage-Streik

09.06.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Klasse Gegen Klasse

Am Donnerstag versammelten sich im Berliner Mauerpark 1.500 streikende Lehrer:innen und Schulsozialarbeiter:innen. Während die GEW-Führung eine "Strategie des langen Atems" predigte, hob die große Mehrheit der Streikversammlung für einen Kampagnenplan mit fünf Tagen Vollstreik als nächsten Schritt die Hand.

Der dreitägige Streik der tarifbeschäftigten Lehrer:innen, Sozialpädagog:innen und Schulpsycholog:innen an den staatlichen Schulen des Landes Berlin endete am Donnerstag mit einer großen Streikversammlung im Berliner Mauerpark. 1.500 Streikende aus allen Bezirken kamen nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zusammen, um nach drei Tagen Streik darüber zu diskutieren, wie der Arbeitskampf für kleinere Klassen und einen Gesundheitstarifvertrag gewonnen werden kann

Am Mittwoch hatten bereits 3.000 Streikende und solidarische Unterstützer:innen bis zum Berliner Rathaus demonstriert, um dem neuen CDU-SPD-Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch und Finanzsenator Stefan Evers (alle CDU) Druck zu machen.

Die Streikversammlung war trotz 30 Grad in der prallen Sonne sehr kämpferisch. Doch trotz der vorherigen Ankündigung einer Debatte über das „Wie weiter“ der Arbeitskampfs folgte die Versammlung einer starken Choreographie. Von Seiten der Führung der GEW waren nur zwei kleine Diskussions-Slots von je 15 bzw. 20 Minuten eingeplant – unterbrochen von einem Improvisationstheater, anstatt eine längere Diskussion unter allen Streikenden zuzulassen.

Nichtsdestotrotz konnten mehrere Streikende und Vertreter:innen der jungen GEW einen Kampagnenplan vorschlagen: Zentrale Forderung war dabei ein fünftägiger Streik in den ersten Wochen des neuen Schuljahres zur Mobilisierung und Vorbereitung eines unbefristeten Streiks, ebenso wie eine verbindliche Abstimmung der Streikstrategie durch Streikversammlungen und die Einbeziehung von Erzieher:innen, Schüler:innen, Eltern, Lehramtsstudierenden und der Berliner Krankenhausbewegung.

Nach der Vorstellung des Kampagnenplans hob die große Mehrheit der anwesenden Streikenden ihre Hand für diesen Kampagnenplan – eine klare Ansage an die GEW-Führung, die bei ihren eigenen langen Reden für eine unbestimmte „Strategie des langen Atems“ warb. Entsprechend versuchten Tom Erdmann und ein Mitglied der Tarifkommission im Anschluss, die Abstimmung als reines „Stimmungsbild“ zu entwerten – eine verbindliche Abstimmung wollten sie jedoch vermeiden.

Den Streikenden wird immer mehr bewusst, dass es zur wirklichen Durchsetzung der Forderung nach kleineren Klassen und einer Entlastung der Arbeitsbedingungen nicht einfach einen „langen Atem“ – weitere von ein- bis dreitägigen Warnstreiks pro Monat geprägte Jahre – braucht, sondern vor allem eine Ausdehnung und Verhärtung der Streikfront.

Um das durchzusetzen, ist nun nötig, mit den Betriebs-, Fach- und Personengruppen sowie auf der Landesdelegiertenversammlung auf die Festsetzung und Durchführung des Kampagnenplans zu pochen.

Der Arbeitskampf darf nicht länger der Willkür der GEW-Führung und der Tarifkommission ausgeliefert bleiben, die sich auch schon über bisherige Abstimmungen in lokalen Streikcafés über längere Warnstreiks hinweggesetzt haben. Der Streik gehört den Lehrkräften, Sozialpädagog:innen und Schulpsycholog:innen. Die Entscheidung darüber, wann, wo, mit wem, wofür, wogegen, wie lang, wie gestreikt wird, muss bei den Streikenden liegen. Dazu braucht es Versammlungen aller Streikenden, die offen – ohne Begrenzung durch die Gewerkschaftsführung – über alle Aspekte des Streiks diskutieren und für die Streikführung verbindliche Entscheidungen treffen.

Die Berliner Krankenhausbewegung ist in den vergangenen Jahren erste Schritte in diese Richtung gegangen, um die Streiks und die Gewerkschaft zu demokratisieren. Auf diesem Weg müssen auch die Beschäftigten der Berliner Schulen voranschreiten. Wo ein Wille geäußert wird, ebnet sich auch der Weg.

Der CDU-SPD-Senat wird – noch weniger als Rot-Grün-Rot, die die Streikbewegung über ein Jahr am ausgestreckten Arm hingehalten haben – den Streikenden keine Geschenke machen. Der dreitägige Streik war die erste größere Streikbewegung gegen die neue Berliner Landesregierung. Wenn die Streikenden der GEW diesen Weg fortsetzen, können sie Wegner, Günther-Wünsch, Evers und Co. schon in den ersten Monaten ihrer Amtszeit spüren lassen, welche Macht die Beschäftigten Berlins entfalten können.

 

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