Argentinien: Wie Sozialist:innen gegen Milei kämpfen

13.12.2023, Lesezeit 8 Min.
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Foto: La Izquierda Diario

Bereits in seiner ersten Rede bestätigte der vor kurzem gewählte Präsident Argentiniens Javier Milei sein Vorhaben, eine „Schockanpassung“ zugunsten der Bosse und des IWF vorzunehmen. Wir zeigen auf, wie sich argentinische Sozialist:innen gegen Milei positionieren.

Am 10. Dezember trat die Regierung von Milei ihr Amt an. Bereits in der ersten Rede wurde sein Kurs deutlich. Er möchte den Leuten weiß machen, die Optionen seien „Schockanpassung oder Chaos“. Was er damit meint, sind Anpassungen an den IWF, die Fortzahlung der Schulden, umfangreiche Entlassungen im Staat und in den von der „Stagflation“ betroffenen Sektoren und eine zunehmende Privatisierung. Bei seinem „Kettensägenplan“ geht es nicht nur um die Lebensbedingungen von Millonen, er ist auch ein direkter Angriff auf soziale, ökologische und demokratische Rechte sowie auf die Rechte von Frauen und Unterdrückten. Der „Kettensägenplan“ ist nicht lediglich ein Plan der Bosse um mehr zu verdienen, sie wollen die Ausplünderung des Landes und der Arbeiterklasse zugunsten der Bosse und des Imperialismus vollständig vorantreiben. Und sie haben bereits angekündigt, dass sie dies notfalls auch mit Repressionen tun werden.

Angesichts der Amtseinführung von Javier Milei als Präsident sprachen die nationalen Abgeordneten der Front der Linken und der Arbeiter:innen (FIT) vor dem Eintritt in den Nationalkongress zu den Medien. Vor den Toren des Nationalkongresses wurde die Anführerin der PTS (Schwesterorganisation von Klasse Gegen Klasse) Myriam Bregman von den Medien über die neue Regierung befragt. Die Abgeordnete betonte, dass die Bevölkerung live einen „Wahlbetrug“ erlebe, denn Milei habe die Wahlen mit einem Diskurs über die Anpassung „der Kaste“ gewonnen. So war der vorherige Präsident Alberto Fernández im Wahlkampf laut Milei noch ein Verbrecher, der zu einer korrumpierten „Kaste“ gehören würde, mit der Milei aufräumen wolle. Nun hat er ihm eine Stelle als „Superbotschafter“ angeboten. Selbst wenn sich Milei gerne als Kandidat gegen das Establishment gibt, alle Maßnahmen, die im Vorfeld von ihm angekündigt wurden, sind ein Angriff auf die Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen.

Nico Del Caño und Bregman wurden von CrónicaTV interviewt, wo die Abgeordneten erklärten, dass Milei „grundlegende Dinge für junge Menschen angreift, wie das Gesetz zur umfassenden Sexualerziehung“ und dass „jedes der Rechte, die arbeitende Menschen und Frauen heute haben, wir lange Zeit erkämpfen mussten“. Aus diesem Grund sind sie „besorgt und in ständiger Alarmbereitschaft, zusammen mit all den Arbeiter:innen, die angegriffen werden könnten“.

Angesichts dessen kündigten die FIT-Abgeordneten an, dass sie die Sozial-, Gewerkschafts- und Menschenrechtsorganisationen bei ihren Protestaktionen gegen die angekündigten Maßnahmen wie die Entlassungen von Beschäftigten des staatlichen und privaten Sektors, sowie die Preiserhöhungen unterstützen werden. „Sie werden feststellen, dass die Linke nicht nur im Kongress opponiert, sondern den Kampf aller Arbeiter:innen, Frauen und Jugendlichen begleitet, die auf die Straße gehen, um zu kämpfen.“

Der Peronismus, welcher mit seiner Anpassungsregierung den Vormarsch der Rechten vorangetrieben hat verhandelt nun mit ihnen den Übergang. Bereits seit der Wahl hat dieser die Inflation ungehindert wachsen lassen und überlässt nun zehntausende Staatsbedienstete dem „Kettensägenplan“.

Die Bewegung der klassenkämpferischen Gruppen (Movimiento de Agrupaciones Clasistas, MAC), ein Zusammenschluss der Gewerkschaftsgruppierungen der Partei Sozialistischer Arbeiter:innen (PTS) in der Front der Linken und der Arbeiter:innen (FIT) gemeinsam mit unabhängigen, klassenkämpferischen Arbeiter:innen, stellt sich diesem Plan entgegen. Während der Peronismus sich weiter beschwichtigend gibt, ist den Genoss:innen klar, dass wir jetzt nicht warten dürfen. Die Arbeiter:innen haben die Kraft, gemeinsam den „Kettensägenplan“ zu verhindern und sich gegen die Angriffe zu verteidigen. Im ganzen Land finden bereits Vollversammlungen in den Betrieben statt, in denen diskutiert wird, wie man sich jeweils zu den Angriffen zu verhalten hat. Wir müssen die Vernetzung, besonders zwischen den gefährdeten Sektoren, vorantreiben und diese Versammlungen in allen Betrieben fordern und fördern. Es gilt die zu mobilisieren, die gegen Milei gestimmt haben, deren politische Führung sie nun aber zum Nichtstun verdonnert, aber auch jene zu erreichen, die in Hoffnung für einen positiven Wandel fälschlicherweise für Milei gestimmt haben. Konkreter schlägt die MAC vor, einen nationalen Kongress der beschäftigten und arbeitslosen Arbeiter:innen und der kämpfenden Sektoren, unter Einbeziehung der Frauenbewegung und der kämpferischen Jugend zu veranstalten. Auf diesem Kongress sollen demokratisch ein Programm sowie ein Kampfplan erstellt werden. Zudem kann ein solcher Kongress genutzt werden, um die peronistische Gewerkschaftsführung zum Generalstreik zu drängen. Ein Paar der Forderungen, die die MAC in einen solchen Kongress aufstellen  würde: Ein Notgeld für Arbeitslose; Verbot von Entlassungen; Verkürzung des Arbeitstages auf 6 Stunden und ein freierer Rahmen für die Verteilung der Stunden, um sich organisieren zu können; Wiedereinstellung von Leiharbeiter:innen und outgesourcten Arbeiter:innen; Annullierung der Zölle und des Pakts mit dem IWF; Verteidigung der Bildung und des öffentlichen Gesundheitswesens; für demokratische Rechte, sowie die Rechte von Frauen und Unterdrückten.

Rolle der feministischen Bewegung

Die feministische Gruppe Pan y Rosas, argentinische Schwesterorganisation von Brot & Rosen, hat sich auf ihrer nationalen Konferenz auf die Konfrontation mit Milei vorbeitet. Mehr als hundert Kämpfer:innen der sozialistischen Frauenbewegung trafen sich, um sich über die gegenwärtigen Herausforderungen auszutauschen. Eröffnet wurde die Konferenz von Andrea D’Atri, Gründerin von Pan y Rosas und gewählte Abgeordnete der Stadt Buenos Aires für die PTS. Sie sprach über verschiedene Momente der Geschichte der Frauenbewegung Argentiniens und hob besonders die Rolle, die die Nationalen Frauentreffen insbesondere während der zweiten Amtszeit von Menem spielten, hervor – als sich die politische Beteiligung von erwerbstätigen und arbeitslosen Frauen vervielfachte, die Forderung nach Legalisierung der Abtreibung zunahm und es zu breiter Unterstützung im Kampf der Staatsbediensteten kam – die die Aufstände in den Provinzen gegen Privatisierung, Niedriglöhne und wachsende Armut anführten. Sie wies darauf hin, dass diese Erfahrungen uns helfen sollten, über die Möglichkeit nachzudenken, dass die Frauenbewegung und der Feminismus auf die Straße zurückkehren und sich als Speerspitze des Kampfes gegen die harten Angriffe anbieten sollten, die die Regierung Milei den Arbeiter:innen aufbürden will.

Wie bereits am 25 November schlägt Pan y Rosas vor, weiter für diese Perspektive zu kämpfen und Frauenkommissionen an allen Studien- und Arbeitsorten zu fördern, vor allem aber in allen Konflikten, die sich gegen Entlassungen und für Lohnerhöhungen einsetzen.

Die jüngste Mobilisierung am  25 November, dem Internationalen Tag des Kampfes gegen Gewalt an Frauen, hat es  ermöglicht, Tausende im ganzen Land zu mobilisieren. Unsere Genossin Irene Gamboa aus Rosario sagte, dass „während einige Frauenorganisationen sagten, wir müssten bis zur Amtseinführung von Milei warten, viele die Notwendigkeit sahen, am 25 November zu mobilisieren“.

Andrea sagte, dass

die Frauenbewegung wieder als politischer Akteur in Erscheinung treten muss, um die demokratischen Rechte zu verteidigen, die wir durch Kampf und Mobilisierung errungen haben, und auch angesichts der von Milei vorgeschlagenen Angriffe auf Löhne und Lebensbedingungen. Dafür ist es notwendig, die breiteste Einheit in der Aktion der Frauenbewegung zu erobern, aber auch durch die Forderung, dass Gewerkschaften, Studierendenorganisationen und andere Organisationen ihre Passivität aufgeben und sich an die Spitze des Kampfes stellen.

Pan y Rosas setzt all ihre Erfahrung aus den ersten zwanzig Jahren des politischen Kampfes, der Ideen und der Teilnahme am Klassenkampf ein, um das erneute Aufkommen der Frauenbewegung zu stärken, um die Kräfte im Kampf zu vereinen, um den Angriff, den Milei bereits gegen die Mehrheiten in Gang gesetzt hat, zu stoppen. Für diese Aufgabe und mit dieser Perspektive lädt sie dazu ein, diese sozialistische feministische Gruppierung weiter aufzubauen, die bereits eine internationale Strömung in vierzehn Ländern ist.

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