ArbeiterInnenkontrolle in einem griechischen Krankenhaus

19.02.2012, Lesezeit 6 Min.
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Während die Massen in Griechenland auf den Straßen gegen das Spardiktat der Troika kämpfen, haben ArbeiterInnen in einem Krankenhaus in der nordgriechischen Stadt Kilkis in Ansätzen gezeigt, wie die Krise im Sinne der Arbeitenden gelöst werden kann. Wegen der anhaltenden Probleme im Nationalen Gesundheitssystem, die ein direktes Produkt der Kürzungen sind, haben sie das Krankenhaus besetzt und unter ArbeiterInnenkontrolle gestellt. Dieses Beispiel, das auch an Erfahrungen bei Zanon in Argentinien („Zanon gehört den ArbeiterInnen!“, Broschüre Nr. 6 von RIO) oder bei Philipps-Dreux in Frankreich („Zehn Tage ArbeiterInnenkontrolle in Frankreich“) erinnert, muss von vielen anderen ArbeiterInnen in Griechenland aufgenommen werden. Denn nur die Enteignung der Produktionsmittel und ihre Stellung unter ArbeiterInnenkontrolle kann die wachsende Misere in Griechenland noch aufhalten. Dies muss aber auch mit der Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle des Bankwesens und des Außenhandels verbunden werden, also mit einer Perspektive der Übernahme und Verwaltung der kompletten Wirtschaft durch die ProduzentInnen selbst, mit einer Regierung der ArbeiterInnen an der Spitze.

Im folgenden veröffentlichen wir eine Übersetzung der Erklärung der ArbeiterInnen vom Krankenhaus in Kilkis.

„Die ArbeiterInnen des Γ.Ν. (Allgemeinen Krankenhauses) von Kilkis, DoktorInnen, Pflegekräfte und der Rest der Belegschaft, die an der Vollversammlung teilgenommen haben, beschließen:

1. Wir erkennen an, dass die gegenwärtigen und anhaltenden Probleme des E.S.Y. (Nationales Gesundheitssystem) und der damit verbundenen Organisationen nicht mit spezifischen und gesonderten Forderungen gelöst werden können, oder mit Forderungen, die sich nur um unsere speziellen Interessen drehen. Diese Probleme sind Teil einer viel weiter reichenden, generell unpopulären Regierungspolitik und einer dreisten globalen neoliberalen Politik.

2. Wir erkennen an, dass wir durch ein weiteres Beharren auf der Unterstützung dieser Forderungen wesentlich zur Stützung dieser rücksichtslosen Obrigkeit beitragen. Diese Autorität wünscht sich, die Bildung einer allgemeinen Front der ArbeiterInnen und der Bevölkerung auf nationaler und globaler Ebene mit gemeinsamen Interessen und Forderungen zu verhindern, um so ihren Gegner – also die Bevölkerung – zu schwächen und zu zersplittern. Eine solche Front würde sich gegen die soziale Verelendung richten, die uns das politische Establishment bringt.

3. Aus diesem Grund, sehen wir unsere speziellen Interessen innerhalb eines allgemeineren Kontextes politischer und wirtschaftlicher Forderungen, in der sich eine Vielzahl von GriechInnen widerspiegeln können, die heute unter einer der stärksten kapitalistischen Attacken leiden müssen. Damit unsere Forderungen erfolgreich sein können, müssen sie bis zum Schluss mit der Kooperation der mittleren und unteren Klassen verbunden sein.

4. Der einzige Weg, um dies zu erreichen, ist das aktive Hinterfragen nicht nur der politischen Legitimität, sondern auch der Legalität der willkürlich autoritären und anti-sozialen Macht und Hierarchie, die sich hin zu einem Totalitarismus entwickelt, der zügig voranschreitet.

5. Die ArbeiterInnen des Allgemeinen Krankenhauses von Kilkis antworten auf diesen Totalitarismus mit Demokratie. Wir besetzen das öffentliche Krankenhaus und stellen es unter unsere direkte und absolute Kontrolle. Das Krankenhaus von Kilkis wird fortan selbst organisiert sein und die einzig legitime Macht, um Verwaltungsentscheidungen zu treffen, wird die Allgemeine ArbeiterInnenvertretung sein.

6. Die Regierung ist von ihren wirtschaftlichen Verpflichtungen, das Hospital zu unterstützen, nicht zu befreien, aber falls sie weiterhin ihre Verpflichtungen ignorieren sollte, werden wir gezwungen sein, die Öffentlichkeit darüber zu informieren und die Lokalregierung zur Unterstützung aufzufordern. Aber wesentlich wichtiger wird es sein, dass uns die ganze Gesellschaft auf jede erdenkliche Weise unterstützt: (a) damit unser Hospital überleben kann; (b) mit allumfassender Unterstützung für das Recht auf öffentliche und freie Gesundheitsversorgung; (c) beim Sturz der derzeitigen Regierung und jeder neoliberalen Politik, egal von woher sie kommt, durch einen gemeinsamen Kampf der Bevölkerung; (d) eine tiefe und strukturelle Demokratisierung, welche es der Bevölkerung und nicht irgendeiner dritten Partei erlaubt, Entscheidungen für ihre eigene Zukunft zu treffen.

7. Die ArbeiterInnengewerkschaft des Krankenhauses von Kilkis beginnt mit dem 6.Februar, die Arbeit aufrechtzuhalten, aber nur Notfälle in unserem Hospital zu behandeln, bis schließlich alle Arbeitsstunden bezahlt wurden und unsere Gehälter wieder auf dem Niveau sind, auf dem sie waren, bevor die Troika ( EU – EZB – IWF ) eintraf. Inzwischen – genau wissend, was unsere gesellschaftliche Mission und moralische Pflicht sind – werden wir die Gesundheit der BürgerInnen schützen, die in unser Hospital kommen und freie medizinische Behandlung allen gewähren, die es benötigen, entgegenkommend und die Regierung anrufend, um schließlich ihre Verantwortung zu akzeptieren, schließlich in letzter Minute ihre maßlose soziale Rücksichtslosigkeit zu überwinden.

8. Wir haben entschieden, dass eine neue Generalversammlung am Montag, den 13. Februar in der Aula des neuen Krankenhaustraktes um 11 Uhr zusammentrifft, um zu entscheiden, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um eine effiziente Durchführung der Besetzung der Verwaltung und eine erfolgreich realisierte Eigenverwaltung des Krankenhauses zu bewerkstelligen, welche an diesem Tag beginnen wird. Die Generalversammlung wird täglich stattfinden und wird das überragende Instrument sein, um Entscheidungen zu treffen hinsichtlich des Personals und des Krankenhausbetriebs.

Wir erbitten die Solidarität sowohl aller Menschen und ArbeiterInnen aus allen Bereichen, die Zusammenarbeit aller ArbeiterInnengewerkschaften und fortschrittlichen Organisationen, als auch die Unterstützung durch die Medien, um über die Wahrheit zu berichten. Wir sind entschlossen weiterzumachen, bis die Verräter, die unser Land und unsere Bevölkerung verkaufen, gehen! Entweder Sie oder Wir!

Die oben angeführten Entscheidungen werden öffentlich verkündet bei einer neuen Konferenz am 15.2.2012 um 15.30 Uhr, zu der alle Massenmedien (lokal und national) eingeladen werden. Unsere täglichen Sitzungen beginnen mit dem 13.Februar. Wir werden die BürgerInnen über alle wichtigen Ereignisse und Entscheidungen, die unser Hospital betreffen, sowie veröffentlichte Nachrichten und Konferenzen informieren. Außerdem werden wir auf jegliche Weise versuchen, alle Ereignisse zu veröffentlichen, um diese Mobilisierung erfolgreich zu gestalten.

Wir rufen auf:

– Unsere MitbürgerInnen, Solidarität für unsere Bemühungen zu bekunden
– JedeN unfair behandelteN BürgerIn unseres Landes in Streik und Opposition zu treten gegen seine/ihre Unterdrücker,
– Unsere Kolleginnen und Kollegen aus anderen Krankenhäusern, ähnliche Entscheidungen zu treffen,
– Die Beschäftigten in anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Sektors und die Mitglieder in progressiven Organisationen oder ArbeiterInnenorganisationen auf ähnliche Weise zu handeln, damit unsere Mobilisierung zu einem umfassenden Widerstand der ArbeiterInnen und der Bevölkerung wird und ein Aufstand bis zu unserem finalen Sieg gegen die wirtschaftliche und politische Elite, die heutzutage unser Land und die ganze Welt unterdrückt.“

ursprünglich am 5. Februar 2012 hier auf Griechisch und hier auf Englisch erschienen

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