Anschlagsserie in Neukölln: Die Polizei wird uns nicht helfen

02.03.2021, Lesezeit 4 Min.
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Screenshot der Interaktiven Karte von acoabo Berlin zu politisch motivierter Kriminalität von rechts in Berlin-Neukölln

Der Berliner Innenausschuss kam vergangene Woche zusammen, um sich den Zwischenbericht zur rechtsextremen Anschlagsserie in Berlin-Neukölln anzuhören. Die beiden Sonderbeauftragten konnten nur Fehler in der Kommunikationsstrategie mit den Betroffenen des Nazi-Terrors feststellen, jedoch keine tiefgreifenden Versäumnisse seitens der Polizei. Hier zeigt sich wieder, dass rechtsextreme Kräfte sich nicht durch die Polizei aufhalten lassen werden.

In Neukölln treiben seit Jahren Rechtsextreme ihr Unwesen. Migrant:innen und linke Aktivist:innen werden bedroht und angegriffen. Seit 2016 kam es in dem Bezirk zu über 72 Anschlägen, bei über 50 davon handelte es sich um Brandanschläge. Die Polizei konnte derweilen keine Ermittlungserfolge verbuchen. Es kam zu unzähligen “Pannen” und es gibt erneut Anhaltspunkte für die Verstrickung von rechtsextremen Kräften mit den Sicherheitsbehörden.

Nach unzähligen Versäumnissen kam es auf Initiative des Innensenators Geisel (SPD) zur Konsolidierung einer Expertenkommission. Die Kommission besteht aus Uta Leichsenring, der ehemaligen Polizeipräsidentin von Eberswalde, und Herbert Diemer, ein früherer Bundesanwalt und Vertreter der Anklage im NSU-Prozess. Nach ihren Ergebnissen kam es zu keinen tiefgreifenden Fehlern der Behörden bei den Ermittlungen. Nur die Kommunikation und die Wahrnehmung der Opfer würden dem Ansehen der Polizei schaden.

Die Auswahl der “Experten” und die Ergebnisse des Berichts sind mehr als zynisch. Es ist erneut ein Schlag ins Gesicht der Opfer rechter Gewalt. Nicht nur gibt es bis heute keinerlei Aufklärung. Der Bericht geht von keinen tiefgreifenden Fehlern aus, obwohl die Polizei selbst schon gezwungen war Fehler in den Ermittlungen zu der Anschlagsserie einzugestehen.

Um nur einige Beispiele über das konstante Versagen zu geben: Der jahrelange Ansprechpartner für die Betroffenen steht nun vor Gericht, da er selbst einen Geflüchteten rassistisch angegriffen haben könnte. Zwei Verfassungsschützer sollen einen LKA-Beamten dabei beobachtet haben, sich mit den zwei Hauptverdächtigen Neonazis abgesprochen zu haben, was dann doch als Verwechslung revidiert wurde. Zwei der beauftragten Staatsanwälte mussten aus Befangenheit zurücktreten. Der Aktivist und Linkspartei-Politiker Ferat Kocak wurde vor einem Brandanschlag auf ihn trotz klarer Erkenntnisse nicht vorgewarnt. Die drei Hauptverdächtigen befinden sich wieder auf freien Fuß. Betroffene beschreiben außerdem auch mangelnde Tatortarbeit, sowie Desinteresse der Polizei.

Die Wut und die Angst der Betroffenen ist berechtigt. Nach Hanau, Halle, NSU und auch in Neukölln zeigt sich wieder: Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Es geht nicht nur um rechtsextremen Terror Einzelner, sondern systematische rassistische Strukturen im Staat, den Behörden und der Polizei. Durch sie wird rechter Terror geschützt, gestützt und reproduziert.

Für die Aufklärung der Missstände innerhalb der Polizei und den Behörden zu den Anschlägen in Neukölln braucht es keine Kommission aus Justiz und Polizeiapparat. Rechte Gewalt und Strukturen müssen endlich aufgedeckt werden. Das kann nicht durch die gleichen Institutionen geschehen, die sie seit Jahrzehnten schützen. Wir brauchen unabhängige Untersuchungsausschüsse, gewählt von migrantischen Organisationen und Gewerkschaften, und das nicht nur in Neukölln, sondern bundesweit.

Die Frage der Rolle der Polizei in unserem Staat wird mit Untersuchung und Aufklärung allein jedoch nicht beantwortet. Auch wenn die Geschichte und Ausprägung des Polizeiapparats sich in den verschiedenen Ländern unterscheidet, bleibt deren Charakter gleich.

Der Nährboden für jene Gewalt und rassistische Strukturen bleibt die kapitalistische Gesellschaft, in der Migrant:innen ausgebeutet werden. Außerdem wird jene Spaltung weiterhin verwendet, um uns gegeneinander aufzuhetzen, statt die wirklichen Gründe für Ausbeutung und Unterdrückung zu suchen. Schließlich ist Rassismus ökonomisch und ideologisch praktikabel für die Kapitalist:innenklasse. Rassismus bleibt in unserer Gesellschaft also Alltag und wird sich auf dieser materiellen Grundlage immer wieder vervielfältigen.

Der gewaltsame Schutz des bürgerlichen Staates und dessen Eigentumsverhältnissen ist die Aufgabe der Polizei. Kein Wunder also, dass sich gerade in ihren Reihen rechte Kräfte sammeln. Zu ihren beruflichen Aufgaben gehören schließlich Abschiebungen, Zwangsräumung und die Repression jener, die gegen Unterdrückung kämpfen.

Es kann und sollte also nicht unser Ziel sein die Polizei als Institution klein zu sparen oder sie sonst irgendwie zu reformieren. Sie muss abgeschafft werden, inklusive der materiellen Verhältnisse, die Unterdrückung und Ausbeutung schaffen. Nur so können wir rechten Terror von Neonazis und Polizei wirklich bekämpfen.

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