Angriff auf den Iran: Eine Botschaft, die über Westasien hinaus hallt

23.06.2025, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Joshua Sukoff / Shutterstock

Trump hat nicht nur den Iran bombardiert, sondern auch das fragile Gleichgewicht zerstört, auf dem noch der letzte Rest einer globalen Ordnung beruhte. Neben dem Krieg in der Ukraine und dem Genozid in Palästina ist dies ein weiterer Beweis dafür, dass wir in eine Ära der Kriege und Krisen eintreten. Und möglicherweise eine Ära der Revolutionen, die sich in dieser zunehmend unruhigen Welt vielleicht schon vorbereiten.

Donald Trump hat den riskantesten und potenziell verheerendsten Schritt seiner zweiten Amtszeit unternommen: einen groß angelegten Luftangriff auf die wichtigsten Nuklearanlagen des Iran. In einer Operation, die von seinen Beratern als „begrenzt und kontrolliert“ beschrieben wird, versucht das Weiße Haus, sie als chirurgischen Eingriff zu verkaufen, der darauf abzielt, eine wachsende Bedrohung zu neutralisieren, und nicht etwa als Beginn eines umfassenden Krieges im Nahen Osten.

Der Angriff, der präzise die Standorte Fordow, Natanz und Isfahan traf, ist ein hochriskantes Unterfangen. Im Gegensatz zu anderen Maßnahmen der Trump-Regierung, wie den Handelszöllen, die letztendlich verwässert wurden, ist der Präsident hier „bis zum Äußersten gegangen“ und hat sogar den Ratschlägen wichtiger Verbündeter innerhalb der MAGA-Bewegung keine Beachtung geschenkt. Die Frage ist nun, ob diese Offensive als erfolgreicher Schachzug zur Eindämmung des Atomprogramms oder als erster Akt eines Krieges angesehen wird, der die Region – und Trumps Präsidentschaft – zerstören könnte.

Eine Strategie der Gewalt ohne absehbares Ende

Trumps Botschaft war eindeutig: Jede iranische Vergeltungsmaßnahme werde eine noch stärkere Reaktion Washingtons nach sich ziehen. Seiner Ansicht nach befindet sich der Iran in einer Phase der Schwäche, durch monatelange israelische Angriffe, und unter Druck durch Wirtschaftssanktionen. Diese Schwäche ermöglichte es den amerikanischen B-2-Bombern, fast ohne Widerstand in das iranische Hoheitsgebiet einzudringen und es wieder zu verlassen. Umgeben von amerikanischen Streitkräften und unter israelischer Luftüberlegenheit könnte das schiitische Regime einen längeren Konflikt kaum durchstehen, versichern seine Berater.

Mit anderen Worten: Trotz der Entscheidung, die Nuklearanlagen anzugreifen, wollen die USA einen langwierigen Krieg vermeiden. Trump hofft, dass die USA eine begrenzte iranische Vergeltungsmaßnahme verkraften können und versucht, sich aus einer tieferen Verstrickung in den Krieg herauszuhalten. Diese Strategie könnte funktionieren, ist aber hochriskant. Das Dilemma über die Fortsetzung der militärischen Intervention wird sich nämlich verschärfen, wenn der Iran seine Gegner weiter herausfordert und keine Zugeständnisse macht oder wenn sich herausstellt, dass der Iran weiterhin über bedeutende nukleare Kapazitäten verfügt. Obwohl das iranische Regime schwer getroffen wurde, verfügt es immer noch über umfangreiche Reaktionsmöglichkeiten: Es kann verbündete Milizen aktivieren, die Straße von Hormus sperren, US-Interessen angreifen oder sogar direkt gegen die Ölmonarchien am Golf schlagen (wobei Letzteres den Iran weiter von den Staaten der Region isolieren würde). Die Optionen liegen auf dem Tisch und keine davon schließt eine Eskalation aus, auch wenn die Kosten dieses Kurses sehr hoch wären.

Die schwierigen Optionen des islamischen Regimes

Der Iran befindet sich an einem tragischen Scheideweg. Er kann sich für Zurückhaltung entscheiden und einen Verhandlungsweg suchen, auch wenn dies bedeuten würde, eine Position extremer Schwäche sowohl auf innerstaatlicher als auch auf regionaler Ebene zu akzeptieren. Für viele innerhalb des Regimes wäre dies eine unerträgliche Kapitulation. Oder es kann mit Gewalt reagieren und die Region in einen größeren Konflikt hineinziehen, der nicht nur das militärische Gleichgewicht, sondern auch das Überleben der Islamischen Republik selbst gefährden würde.

Am wahrscheinlichsten ist, dass sich Teheran für einen dritten Weg entscheiden könnte: eine maßvolle, symbolische, aber lautstarke Vergeltungsmaßnahme, die es ihm ermöglicht, das Gesicht zu wahren, ohne die roten Linien Washingtons zu überschreiten. Der Abschuss von Raketen auf Israel nach den Bombardierungen stellt noch keine gravierende Eskalation dar. Das Ziel einer dritten Option wäre es, den inneren Zusammenhalt zu wahren, die USA oder ihre Verbündeten minimal zu bestrafen und einen offenen Krieg zu vermeiden. Es wäre ein Ausweg „à la Saddam Hussein“ nach dem Krieg mit den Vereinigten Staaten 1991, bei dem Washington den irakischen Führer verschonte, der eine brutale interne Unterdrückung einleitete, um an der Macht zu bleiben. Aber selbst diese Zurückhaltung birgt Risiken. Eine Fehleinschätzung, ein amerikanisches Opfer, ein zu auffälliger Angriff reichen aus, um den Konflikt eskalieren zu lassen. Wie Ilan Goldenberg in einem Artikel in Foreign Affairs nach dem amerikanischen Angriff warnt: „Unfälle und Fehlkalkulationen könnten die Lage erheblich verschlimmern. Der Iran könnte versuchen, mit begrenztem Raketenbeschuss zu reagieren aber am Ende in einen „katastrophalen Erfolg“ stolpern, wenn eine Rakete die US-Verteidigung durchbricht und viel mehr Schaden anrichtet als erwartet, was die USA noch tiefer in den Konflikt hineinziehen würde.“ (Americas War With Iran: What Comes After U.S. Strikes).

Ein Krieg, der Allianzen neu definiert

Trump rechtfertigte den Angriff als notwendige Maßnahme, um „Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu entwickeln“. Er dankte öffentlich Benjamin Netanjahu, sogar noch vor den amerikanischen Piloten. Diese Geste war kein Zufall. Israel war nicht nur informiert worden, sondern hatte offenbar auch eine Schlüsselrolle bei der Operation und dem politischen Druck gespielt, der zu dieser Entscheidung geführt hatte. Ein weiterer Beweis dafür, dass Tel Aviv nicht mehr nur als Verbündeter Washingtons agiert, sondern als Akteur, der seinen Beschützer zu manipulieren versucht. Dies stellt eine gefährliche Umkehrung der traditionellen Rollenverteilung zwischen dem imperialistischen Zentrum und seinen Klientelstaaten dar, mit unvorhersehbaren Folgen für die verschiedenen geopolitischen Schauplätze, für die Washington seine frühere Rolle als Weltpolizist abgeben wollte.

Aber diese Ausrichtung kann auch innerhalb der Vereinigten Staaten selbst schwerwiegende Folgen haben. In der öffentlichen Wahrnehmung der USA – insbesondere unter nationalistischen und isolationistischen Kreisen der MAGA-Bewegung – werden alle menschlichen, wirtschaftlichen oder militärischen Kosten, die sich aus dieser Offensive ergeben, auch Israel angelastet werden. Die Stimmen von Persönlichkeiten wie Tucker Carlson und Steve Bannon, die vor einem „neuen Irak“ warnen, könnten an Gewicht gewinnen, wenn der Iran sich für eine entschlossene Reaktion entscheidet. Bedenken wir, dass auf der anderen Seite des politischen Spektrums das Verhalten Israels in Gaza bereits zu einem drastischen Rückgang der Unterstützung für das Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten und Israel geführt hat. Die Folgen könnten weitreichend sein, wenn die Vereinigten Staaten in einen Krieg verwickelt werden, an dem sich die Mehrheit der Amerikaner:innen nicht beteiligen will. Falls dieser Krieg schlecht ausgeht, wird sich die amerikanische Öffentlichkeit mit aller Kraft gegen Israel wenden.

Die Welt erkennt: Ohne Bombe gibt es keine Garantie

Die Bombardierung des Iran markiert nicht nur einen Wendepunkt für die Präsidentschaft von Donald Trump, sondern könnte auch die globale Sicherheitsarchitektur für Jahrzehnte neu definieren. Die Botschaft, die sie hinterlässt, ist in ihrer Klarheit brutal: Abschreckung basiert nicht mehr auf Verträgen oder Verhandlungen, sondern auf der Fähigkeit, zuerst und mit Nachdruck zuzuschlagen.

Für den Iran ist die Entscheidung tödlich: entweder eskalieren und die totale Zerstörung des Regimes riskieren oder ein Abkommen aus einer gedemütigten Position heraus akzeptieren, möglicherweise unter anhaltenden Drohungen. Aber selbst wenn es sich für Zurückhaltung entscheidet, wird das Regime die Lektion kaum vergessen: keine Bombe zu haben, war sein strategischer Fehler.

Über den Persischen Golf hinaus hallen die Nachwirkungen des Angriffs bereits in Pjöngjang, Islamabad, Peking und Moskau nach. In einer Welt, in der die Vereinigten Staaten ohne Zustimmung des Kongresses, ohne internationales Mandat und ohne unmittelbare Konsequenzen eine groß angelegte Operation starten können, setzt sich die reine Logik des Kräfteverhältnisses gegenüber der Diplomatie durch.

Die Frage, die in allen Außenministerien der Welt im Raum steht, ist nicht, was der Iran tun wird, sondern wer als Nächstes nach seiner eigenen nuklearen Absicherung streben wird. Denn nach Fordow, Natanz und Isfahan ist klar, dass die einzige echte rote Linie in dieser neuen Weltordnung nicht die Illusion einer vermeintlichen „internationalen Legalität“ ist, sondern die Fähigkeit zur gegenseitigen garantierten Zerstörung.

Mit anderen Worten: Mit seiner Aktion hat Trump nicht nur den Iran bombardiert, sondern auch das fragile Gleichgewicht zerstört, auf dem noch der letzte Rest einer globalen Ordnung beruhte. Neben dem Krieg in der Ukraine und dem Genozid in Palästina ist dies ein weiterer Beweis dafür, dass wir in eine Ära der Kriege und Krisen eintreten. Und möglicherweise eine Ära der Revolutionen, die sich in dieser zunehmend unruhigen Welt vielleicht schon vorbereiten – und zwar zweifellos schneller, als die Regierungen und Generalstäbe all dieser reaktionären kapitalistischen Staaten glauben, die den Lauf der Ereignisse immer weniger kontrollieren können.

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