„Am 8. März die Erde zum Beben bringen“ – Interview mit einer sozialistischen Feministin aus Argentinien

06.03.2018, Lesezeit 4 Min.
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Celeste ist Grundschullehrerin und Aktivistin der internationalen sozialistischen Frauenorganisation Pan y Rosas (Brot und Rosen). Wir haben mit ihr über die Vorbereitungen auf den Frauenkampftag, die Angriffe der rechten Regierung und ihre Forderungen gesprochen.

Wir treffen Celeste nach einer Frauenversammlung in einem Lokal von Pan y Rosas (Brot und Rosen) und der Partei der Sozialistischen Arbeiter*innen (PTS) in Villa Crespo, einem Stadtteil der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Während drinnen die Frauen, vor allem Schülerinnen und Arbeiterinnen, diskutiert haben, haben die Männer auf dem Gehsteig einen großen Grill aufgebaut, um die Frauen zu versorgen. Zeitgleich finden in der ganzen Stadt noch ein halbes Dutzend weitere Vorbereitungstreffen statt.

Celeste, wofür protestierst du am 8. März?

Für mich als Lehrerin ist eine umfassende Sexualerziehung wichtig. Es gibt zwar ein Gesetz, das diese vorschreibt, aber umgesetzt wird es nicht. Viele Lehrer*innen sind dafür auch überhaupt nicht ausgebildet. Das ist eine historische Forderung, die wir Arbeiterinnen im Erziehungssystem erheben. Dazu kommt, dass die Mehrheit der Lehrer*innen Frauen sind. Deshalb setzen wir uns für diese Forderung nicht nur am 8. März sein, sondern thematisieren sie auch, wenn wir an diesem Montag und Dienstag im ganzen Land für höhere Löhne in den Streik treten.

Für welche Fragen geht ihr noch am 8. März auf die Straße?

Eine andere wichtige Forderung, über die wir in der Versammlung hier in Villa Crespo geredet haben, um den 8. März vorzubereiten, bekommt gerade besonders viel Aufmerksamkeit. In letzter Zeit wurden in einigen wichtigen Medien in Argentinien Diskussionen um Abtreibung begonnen, es gab öffentliche Diskussionen dazu. Verschiedene Vertreterinnen des Feminismus traten im Fernsehen auf und erklärten, welche Bedeutung das Recht auf Abtreibung hat. Der Präsident Mauricio Macri hat diese Debatte aufgegriffen und nun wird die Frage der Entkriminalisierung im Kongress diskutiert werden. Die Legalisierung der Abtreibung ist eine historische Forderungen der Frauenbewegung und hat uns in unserer Versammlung am meisten bewegt. Dass diese Frage nun diskutiert wird, ist das Ergebnis von jahrelangen Kämpfen der Frauen.

Was habt ihr über Abtreibung diskutiert?

Unabhängig von den individuellen Entscheidungen jeder einzelnen Frau sollte das Recht auf Abtreibung ein Grundrecht überall sein. In Argentinien sterben jedes Jahr viele Tausend Frauen an den Folgen illegalisierter Abtreibungen. Und wir von Pan y Rosas betonen, dass es nicht die Frauen der oberen Schichten sind, die dort sterben, sondern Arbeiterinnen und arme Frauen. Es ist also auch eine Klassenfrage.

Nicht nur die Frage der Abtreibung erschüttert derzeit das Land, sondern auch eine Entlassungswelle. Habt ihr auch darüber diskutiert?

Ja, wir haben über die Angriffe diskutiert, die die Regierung von Macri auf die Arbeiter*innenklasse führt. Eine Welle von Entlassungen, zum Beispiel im Krankenhaus Posadas, ist Teil des Versuchs der Regierung, die Krise auf die Arbeiter*innen abzuwälzen. Es ist kein Zufall, dass gerade in den Bereichen, wo es Angriffe gibt, vor allem Frauen arbeiten. So zum Beispiel auch wir Lehrerinnen, die gegen niedrige Löhne streiken. Ein wichtiger Referenzpunkt des Widerstands ist der Kampf der Krankenpfleger*innen im Krankenhaus Posadas gegen ihre Entlassungen. Auch hier ist die Mehrheit der Betroffenen weiblich. Sie haben sich dafür eingesetzt, seltener in den Nachtschichten zu arbeiten und wurden dafür entlassen – auch schwangere Arbeiterinnen. Sie leiden schon seit Jahren unter prekären Bedingungen, bekommen keinen Urlaub usw.

Wofür setzt sich Pan y Rosas in der Frauenbewegung ein?

Wir von Pan y Rosas nehmen an den Versammlungen teil, bei denen der 8. März vorbereitet wird. Hier setzen wir uns für ein Verständnis ein, nach dem der Feind nicht die Männer sind, sondern das kapitalistische System. Wir fordern deshalb von den Gewerkschaften, dass sie zum Streik aufrufen, denn auch wenn viele Frauen Gewerkschaftsmitglieder sind, solidarisieren sich die Gewerkschaftsführungen nur symbolisch. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die gesamte Versammlung einen offenen Brief an die Gewerkschaftsführungen geschrieben hat, in dem sie dazu aufgefordert werden, einen tatsächlichen Streik zu organisieren, damit wirklich alle Frauen – und Männer – an den Mobilisierungen teilnehmen können. Außerdem organisieren wir Versammlungen an den Arbeitsplätzen, in den Schulen und in den Wohnvierteln – so wie hier –, um mit unseren Kolleginnen und Kollegen und unseren Nachbarinnen zu diskutieren und uns gemeinsam für unsere Rechte einzusetzen. Dabei betonen wir auch, wie wichtig es ist, uns zu organisieren. Wir beschließen gemeinsame Flyer-Aktionen an unseren Arbeitsplätzen und in der Öffentlichkeit, damit wir am 8. März die Erde zum Beben bringen.

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