Altersarmut bis zum Tod: Flaschensammeln und Minijobs mit 80 Jahren

03.09.2021, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Shutterstock / Timofey Zadvornov

Die Bundestagswahlen stehen vor der Tür. Während Rentner:innen täglich ums Überleben kämpfen, bietet keine der Parteien einen Ausweg aus der Altersarmut.

Lange Zeit hieß es in Berlin „arm, aber sexy“ – ein Slogan, den sich viele auf die Fahne schrieben. Doch Berlin, wie viele andere Städte hat sich radikal geändert. Die Mieten sind drastisch gestiegen und alles ist teurer geworden. Seit den 90ern sind die Unternehmensgewinne um 80 Prozent gestiegen, während die Löhne stagnieren. Die Reichen werden reicher, die arbeitende Klasse ärmer. Arm zu sein ist nicht sexy, sondern eine harte Lebensrealität, verbunden mit unendlichen existenziellen Ängsten, die viele Rentner:innen tagtäglich erleben müssen. Menschen arbeiten ein Leben lang, nicht um dann in die Rente zu gehen und mal endlich Ruhe der Lohnsklaverei zu genießen, sondern um dann weiter zu arbeiten, weil am Ende fast nichts übrig bleibt. Das ist nicht sexy, das ist ein Skandal!

Vom Jahr 2003 bis 2016 sind die erwerbstätigen Senior:innen mit Minijob um 64 Prozent gestiegen. 2003 waren es 587.046, 2016 liegen die Zahlen bei 964.635. Wie krass muss es sein, mit 75 weiterhin heftige körperliche Arbeit betreiben zu müssen, damit man ein paar Euros dazu verdient. Jugendliche und Studierende die in prekären Jobs arbeiten, wie im Einzelhandel oder in Lieferdiensten, haben viele Gemeinsamkeiten. Schon im jungen Alter leiden viele unter chronischen physischen Schmerzen. Wer ein Leben lang körperlich hart gearbeitet hat, kann sehr häufig im Rentenalter nicht weiterarbeiten, sondern muss ganz im Gegenteil mit all den Folgen zurechtkommen, die der Kapitalismus uns als Erbe hinterlässt. Es ist also nicht selbstverständlich, dass man noch in der Lage ist, im Rentenalter weiter zu schuften.

Rentner:innen die vom Staat Unterstützung bekommen, haben sich mehr als verdoppelt. 257.734 waren es im Jahr 2003. 13 Jahre später sind es 531.518. Doch auch diese staatliche Unterstützung reicht nicht aus. Verantwortlich dafür sind die Grünen und die SPD, die die fatale Agenda 2010 eingeführt haben. Mit Hartz IV, Einschränkung des Kündigungsschutzes und Leistungsabbau bei der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Rentenversicherung – um nur einige zu nennen – machen die Lebensrealität der Massen noch unerträglicher in der Rente.

Ein Bild, das wir alle kennen, sind die Pfandflaschensammler:innen. Viele davon sind Rentner:innen, denen keine andere Möglichkeit bleibt als im Müll nach ein paar Euros zu suchen. Im Kapitalismus konkurrieren alle gegeneinander, sogar die Rentner:innen beim Flaschensammeln.

Andere Senioren frieren im Winter, um ihre Nebenkosten gering zu halten. Andere drehen die Glühbirnen aus den Fassungen, um Strom zu sparen. Die Arbeit in diesem Land reicht nicht für eine würdige Rente. Viele werden mit einer krassen Altersarmut konfrontiert und arbeiten bis zum Tod.

Bieten die Regierungsparteien eine Lösung? Wie kann eine Alternative aussehen?

Die Union (CDU/CSU) möchte das Renteneintrittsalter auf 70 Jahren erhöhen. Genauso will die FDP den Rentner:innen das Leben schwieriger machen. Während die SPD und Grünen eine Grundrente über die Armutsgrenze ablehnen, ist auch der Vorschlag von DIE LINKE von 1200 Euro im Monat völlig unzureichend. Wie in der Reportage „Armes reiches Deutschland – Rentner in Not“ (ZDF) zu sehen ist, müssen Rentner:innen die eine Rente von ca. 1200 Euro haben, trotzdem Minijobs und Nachbarschaftsjobs machen, damit sie am Ende des Monats knapp über die Runden kommen. Das Wahlprogramm von DIE LINKE zur Rentensituation ist also ungenügend.

Die Regierungsparteien bieten also keine Lösung für die Altersarmut an. Anstelle kleiner Verbesserungen und Reformen könnte man eine Grundrente von über 2000 Euro durch Besteuerung der Großvermögen der Reichen finanzieren. Und zwar Steuern, die nicht wie die SPD, Grüne und LINKE von 1 bis 5 Prozent vorgeschlagen, sondern von 50 bis 80 Prozent.

Viel wichtiger als Wahlversprechen der Parteien ist es notwendig, dass wir uns als Arbeiter:innen, Rentner:innen und Jugend für diese Forderungen und gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf der Straße mit Mobilisierungen, so wie politische Streiks der Gewerkschaften, zusammenschließen und kämpfen. Nur so werden wir uns von der Lohnsklaverei und der Altersarmut befreien können.

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