Afghanistan, das „sichere Herkunftsland“: Bombenanschlag tötet 90 Menschen

01.06.2017, Lesezeit 3 Min.
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Der brutale Anschlag in Kabul am Mittwoch macht erneut deutlich, dass Afghanistan nicht sicher ist. Die Bundesregierung reagiert mit purem Zynismus.

Die afghanische Hauptstadt war wieder einmal das Ziel eines brutalen Anschlags. Bei der Explosion eines mit Sprengstoff beladenen Lastwagens im Botschaftsviertel von Kabul kamen mindestens 90 Menschen ums Leben, mehr als 300 sind verletzt. Viele von ihnen arbeiteten beim Telekommunikationsanbieter Roshan, dessen Büros direkt am Anschlagsort liegen. Wie nur eine Woche zuvor in Manchester wurden auch hier Unschuldige Opfer extremer Gewalt. Bisher haben weder der Islamische Staat (IS) noch die Taliban die Veranwortung für den Anschlag übernommen, weshalb die genauen Ursachen noch unklar sind.

Imperialistische Zerstörung

Klar ist jedoch, dass solche Anschläge schreckliche Realität in einem Land sind, das von jahrelanger imperialistischer Besatzung, Krieg und islamistischem Terrorismus geprägt ist. Auch wenn Kabul – und besonders das Diplomatenviertel, in dem das Attentat stattfand – als relativ „sicher“ gilt, handelt es sich dabei um den achten schweren Anschlag seit Jahresbeginn. In 31 von 34 Provinzen gab es 2016 Kampfhandlungen und mehr als 600.000 Menschen mussten ihr Zuhause verlassen, wodurch die Zahl der Kriegsgeflüchteten auf mehr als zwei Millionen steigt.

Hauptursache ist die imperialistische Besatzung, die seit dem Beginn der Stationierung der NATO-Truppen (aktuell befinden sich darunter auch 980 deutsche Soldat*innen) das Elend und die Zerstörung des Landes, sowie die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der armen Bevölkerung verstärkt hat. Während der Bundestag Jahr für Jahr die Stationierung der Bundeswehr ermöglicht, wirft US-Präsident Donald Trump die „Mutter aller Bomben“ auf Afghanistan. Damit setzen sie den militaristischen Terror der NATO unvermindert fort.

Purer Zynismus

Nach dem Bekanntwerden des Anschlags äußerten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel ihre Bestürzung und verurteilten den Angriff. Gleichzeitig versicherte Gabriel die Weiterführung des Auslandseinsatzes der Bundeswehr: „Solche Anschläge ändern nichts an unserer Entschlossenheit, die afghanische Regierung bei der Stabilisierung des Landes weiter zu unterstützen.“

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) beschloss daraufhin, die für heute geplante Sammelabschiebung nach Afghanistan zu verschieben. Doch bei dieser Entscheidung handelte es sich explizit nicht um eine Reaktion auf den Anschlag selbst als Ausdruck der unsicheren Lage in Afghanistan. Vielmehr sollte dem Personal der deutschen Botschaft in Kabul, die wenige hundert Meter vom Anschlagsort entfernt lag, Zeit gegeben werden, um sich nicht mit dem Vorbereitungsmaßnahmen für die Ankunft der Abgewiesenen zu beschäftigen. Eine afghanischer Wachmann der Botschaft wurde durch den Anschlag getötet, mehrere Mitarbeiter*innen verletzt.

Im gleichen Atemzug bestätigte das Innenministerium, dass weiterhin an den Abschiebungen und der Einschätzung Afghanistans als „sicheres Herkunftsland“ festgehalten wird. Tatsächlich argumentieren Menschenrechtsorganisationen schon seit langer Zeit, dass besonders zurückgewiesene Geflüchtete Ziel von Angriffen werden können und eine Abschiebung nach Afghanistan deshalb für viele einer Todeserklärung gleichkommt.

Gegenproteste

Gleichzeitig finden vermehrt Gegenproteste statt. In Nürnberg versuchten 300 Schüler*innen die Abschiebung eines afghanischen Berufsschülers zu verhindern. Trotz der Absage der Massenabschiebung kamen am Abend in München 400 Aktivist*innen zusammen, um gegen die Abschiebepolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Die Gruppe Waffen der Kritik München forderte unter anderem ein sofortigen Abschiebestopp für Afghanistan und alle anderen Länder und rief besonders Arbeiter*innen der Flughäfen und Fluglinien dazu auf, gemeinsam gegen Abschiebungen zu kämpfen.

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