70 GewerkschafterInnen treffen sich mit Geflüchteten

16.10.2014, Lesezeit 5 Min.
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// 70 GewerkschafterInnen treffen sich in Berlin mit Geflüchteten, um über die Räumung des DGB-Hauses zu diskutieren. Sie fordern Gewerkschaftsmitgliedschaft für alle, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. //

„Ich hatte die Befürchtung, dass wir nach der Besetzung vergessen werden“ sagt Mahamadi Congo. Der junge Mann aus Burkina Faso lebt als Flüchtling in Deutschland. Acht Tage verbrachte er zusammen mit 20 weiteren Geflüchteten im Gewerkschaftshaus am Berliner Wittenbergplatz – bis der Bezirksvorstand des DGB entschied, das Haus von der Polizei räumen zu lassen. Am 2. Oktober wurde Congo zusammen mit allen anderen BesetzerInnen festgenommen.

„Nun sehe ich, dass es Menschen innerhalb der Gewerkschaften gibt, die für Gerechtigkeit kämpfen und unsere Rechte verteidigen,“ fuhr Congo fort. Am Montag Abend nahm er an einem Treffen mit 70 GewerkschafterInnen und Geflüchteten in Berlin-Kreuzberg teil. Anwesend waren Mitglieder von IG Metall, ver.di, GEW, IG BAU, EVG und DGB-Jugend.

„Die Debatte ist nun aus den Gewerkschaften nicht mehr wegzudenken“, so Maximilian Seidel von der Jugend der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Das sei „der Erfolg der Besetzung.“ Immer mehr gewerkschaftliche Gremien fällen Beschlüsse gegen die Räumung des DGB-Hauses. So fordert die ver.di-Jugend Hannover den „sofortigen Rücktritt“ der verantwortlichen FunktionärInnen und eine Verurteilung des Polizeieinsatzes durch den ver.di-Bundesvorstand. Am Montagabend erklärte auch der Landesvorstand der GEW Berlin seine Ablehnung.

Am Tag der Räumung hatte die DGB-Führung ein Transparent am Gebäude aufgehängt: „Flüchtlinge helfen? Ja. Unser Haus besetzen? Nein.“ Viele Gewerkschaftsmitglieder nannten diese Losung „zynisch“. Turgay Ulu, ein Flüchtling aus der Türkei, fragte beim Treffen am Montag außerdem, wer genau mit „unser Haus“ gemeint war. „Ist das nicht ein Haus der ganzen arbeitenden Bevölkerung?“ Er forderte die Gewerkschaftsbasis auf, die Geflüchteten zu unterstützen.

Der erste Schritt wäre, Flüchtlinge als Gewerkschaftsmitglieder aufzunehmen. In Hamburg sind 300 Geflüchtete bei ver.di eingetreten – vor allem als politisches Signal an die SPD, um eine Massenabschiebung der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ zu verhindern. Doch inzwischen hat der ver.di-Bundesvorstand weitere Eintritte blockiert.

Der Flüchtling Patras Bwansi zeigte einen ver.di-Mitgliedsausweis von einem Freund, der ebenfalls ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland lebt. „Es ist möglich, Mitglied zu werden!“ rief er unter Jubel. Andere berichteten, dass illegalisierte ArbeiterInnen durchaus bei den Einzelgewerkschaften eintreten können. „Die Leute sollten einfach die Anträge ausfüllen“, so eine ver.di-Aktivistin.

Der DGB hatte während der Besetzung behauptet, dass die Geflüchteten unerfüllbare Forderungen – z.B. die Austeilung von Aufenthaltspapieren – gestellt hätten. „Man dachte, wir seien dumme Leute“, so Ulu, „aber natürlich haben wir niemals Aufenthaltspapiere vom DGB verlangt.“ Stattdessen wollte man zum Beispiel eine Mitgliedschaft oder ein Gespräch mit PolitikerInnen der SPD, mit der der DGB besonders eng zusammenarbeitet.

Die AktivistInnen fordern nun, dass der DGB die Anzeigen wegen Hausfriedensbruch zurückzieht. Und falls sie wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt zu Geldstrafen verurteilt werden, „sollte der DGB dieses Geld bezahlen“, so Ulu.

Die Berliner DGB-Vorsitzende Doro Zinke gerät wegen der Entscheidung der GEW stärker unter Druck und hat das Verhalten der Polizei bei der Räumung des Gewerkschaftshauses erneut verteidigt. Entgegen manchen Medienberichten sei die Polizei nicht brutal vorgegangen, es habe keine Verletzten gegeben. „Der Einsatz der Polizei hier im Haus war vorbildlich“, sagte Zinke am Montagabend beim Kleinen Parteitag der Berliner CDU in der Berliner DGB-Zentrale. Woher die Blutflecken am Boden stammten, wozu drei Krankenwagen gekommen sind, konnte die Funktionärin unterdessen nicht erklären.

Zugleich betonte die DGB-Chefin, dass sich die Gewerkschaften weiterhin für die Rechte der Flüchtlinge einsetzten wollen. Zinke appellierte an die Berliner CDU, sich dafür einzusetzen, dass so ein reiches Land wie Deutschland mehr Flüchtlinge aufnimmt. Der CDU-Parteitag im Gewerkschaftshaus mit Innensenator Frank Henkel entlarvt gleich zwei Lügen Zinkes: Erstens, dass es im Haus keinen Platz für die Geflüchteten gegeben habe; zweitens, dass der DGB über keine Kontakte zu verantwortlichen PolitikerInnen verfügen würde.

Das Treffen am Montag war ein erster Schritt, um die Gewerkschaften für den Kampf der Geflüchteten zu gewinnen. In den nächsten Monaten ist eine große Veranstaltung in Berlin geplant. Aber auch Refugees sollten öfter bei gewerkschaftlichen Kämpfen anwesend sein. „Denn von den Refugees können wir viel lernen“, so ein Arbeiter.

Am Ende des Treffens kritisierte ein Arbeiter, dass die Gewerkschaften „sich von der Kriche links überholen“ lassen. Er wollte klar machen, dass der DGB sich nicht etwa zusätzlich um Geflüchtete kümmern sollte, sondern dass es zu ihren Kernaufgaben gehören würde: „Das sind unsere Kollegen, und Gewerkschaften sind für alle ArbeiterInnen da, gerade für die entrechtesten.“

dieser Artikel auf Indymedia
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