500 demonstrieren gegen Abschiebungen in den Sudan [mit Video und Fotogalerie]

10.07.2016, Lesezeit 4 Min.
1

Am Samstag haben hunderte Refugees und junge Aktivist*innen zusammen in Westberlin demonstriert. Sie protestierten gegen die sudanesische Militärdiktatur, gegen den EU-Türkei-Deal und gegen die deutsche Bundesregierung. Bilder von Janis Garnet.

„Nieder mit der Militärdiktatur von Omar al-Baschir!“

Diese Parole schallte von einem Lautsprecherwagen über den Kurfürstendamm in Westberlin. Auf den Bürgersteigen standen Unmengen von Tourist*innen, die gerade bei Apple oder Hugo Boss shoppen wollten. Mit ihren Handys filmten sie die Demonstration durch die City West am Samstag Nachmittag. 500 Menschen – Geflüchtete aus dem Sudan und solidarische Aktivist*innen – liefen hinter einem gelben Transparent mit der Aufschrift „Stop Deportation!“ Denn auf dem Ku’damm stehen nicht nur Edel-Boutiquen, sondern auch die sudanesische Botschaft in Deutschland.

Sie protestierten gegen die Khartoum-Erklärung: Die deutsche Bundesregierung und die Europäische Union verhandeln mit Diktaturen in Afrika, um Abschiebungen in diese Länder zu erleichtern. „Besonders krass ist, dass nicht nur Sudanes*innen abgeschoben werden, sondern auch Eritreer*innen und Somalier*innen“, erklärt Mahadi im Gespräch mit KGK. Laut deutschem Gesetz dürfen Menschen aktuell nicht nach Eritrea oder Somalia abgeschoben werden. Doch die sudanesische Botschaft erhält Geld von der Bundesrepublik, um Menschen aus diesen Ländern einfach zu Sudanes*innen zu erklären. „Dieses Geld geht dann an Baschir, und wird nicht in Schulen, sondern ins Militär investiert“, so Mahadi weiter.

Deswegen haben die geflüchteten Aktivist*innen eine klare Forderung an die deutsche Regierung: „Keine Zusammenarbeit mit der sudanesischen Diktatur!“ Baschir ist seit einem Militärputsch im Jahr 1989 an der Macht, ist verantwortlich für tausende Massaker und wird vom internationalen Strafgerichtshof (ICC) wegen Völermord in Darfur gesucht. Viele Geflüchtete forderten seine Auslieferung an den ICC. Trotz allem bekommen die meisten Sudanes*innen in Deutschland kein Asyl. Stattdessen verstärkt de EU die Beziehungen zu der Diktatur von Al Baschir. Obwohl ein internationales Waffen- und Entwicklungshilfe-Embargo existiert, baut die EU derzeit im Sudan eine Grenzpolizei, Abschiebeknäste und eine biometrische Datenbank auf. Gegen diese Bewaffnung des Sudans und eine Ausweitung der Abschiebungen richteten sich die Demo.

Auch an der türkischen Botschaft liefen die Protestierenden vorbei. Dort prangerten sie den reaktionären Deal der EU mit der Türkei an, der hunderttausenden Geflüchteten den Zugang nach Europa verwehrt, und denunzierten den blutigen Staatsterrorismus der türkischen Regierung gegen die kurdische Bevölkerung.

Die Demonstration lief insgesamt über sieben Kilometer – vom Potsdamer Platz durchs Botschaftsviertel zum Ku’damm. Aber mehr als drei Stunden lang blieb sie ununterbrochen kämpferisch. Keine Sekunde, in der nicht Parolen gerufen werden: auf Deutsch, Englisch und Arabisch.

Die rund 100 Refugees kamen in erster Linie aus Niedersachsen, wo Menschen aus dem Sudan über zwei Jahre lang ein Protestcamp aufrecht erhielten. Am 27.4. wurde das Protestcamp von der Polizei geräumt. Unterstützt wurden die sudanesischen Refugees gestern von bis zu 400 meist sehr jungen Aktivist*innen von „Jugend gegen Rassismus“ (JgR) und „Refugee Schul- und Unistreik“ (RSUS).

„Es war cool, dass die Refugees so viel Energie mitgebracht haben“, sagte Zora vom RSUS. „Eine von Refugees mitorganisierte Demo gegen Rassismus gibt es viel zu selten. Zu oft sind antirassistische Demos rein weiße Veranstaltung“, meinte auch Simon.

„Man kann einfach nicht oft genug auf die Straße gehen gegen das europäische Grenzregime“, erklärte Yonas. „Ich fand es gut, dass wir heute keine ‚Menschenkette‘, sondern eine kämpferische Demo mit klaren Forderungen hatten.“

Die Refugees setzten heute ein wichtiges Zeichen gegen Abschiebungen. Sie werden auch aktiv bleiben. Am 30. September ist ein weiterer bundesweiter Schul- und Unistreik gegen Rassismus geplant.

1

1

1

1

1

1

1

1

1

Mehr zum Thema