100 Menschen demonstrieren gegen Schließung des Wombat’s [mit Fotos und Video]

21.05.2019, Lesezeit 7 Min.
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Am vergangenen Freitag haben vor dem Wombat’s Hostel in Berlin-Mitte etwa 100 Menschen gegen die Schließung demonstriert, die sich ausschließlich gegen den Betriebsrat richtet. Das war ein großer Erfolg!

Gegen 16 Uhr versammelten sich knapp 100 Gewerkschaftsaktivist*innen und Beschäftigte in der Alten Schönhauserstraße vor dem Hostel der Wombat’s-Kette, die sich nach außen weltoffen und tolerant gibt, aber nach innen ein sexistisches und arbeiter*innenfeindliches Regime fährt. Dazu gehört die angekündigte Schließung. Der Grund dafür sind die aus Sicht des Managements „unhaltbaren Zustände“, seitdem die Beschäftigten mit Hilfe des Betriebsrats und der Gewerkschaft auf ihre Rechte pochen. Doch die tatsächlich unhaltbaren Zustände sind die ständigen Attacken des Managements gegen den Betriebsrat, die sich auch in sexistischer Belästigung äußern. Die Geschäftsführung versucht, den Spieß umzudrehen und den Beschäftigten die Schuld für die „unhaltbaren Zustände“ in die Schuhe zu schieben.

Die Arbeiter*innen des Hostels fordern nun deswegen die Enteignung des Hostels, welches sie dann als gewerkschaftliches Bildungszentrum mit Übernachtungsmöglichkeiten fortführen möchten. Dies findet auch im Kontext der Debatte zur Enteignung von Wohnungsunternehmen statt. Zusätzlichen Rückenwind erfährt dies durch die von Kevin Kühnert angestoßene Debatte zur Vergesellschaftung von Großunternehmen.

Yunus Özgür, studentischer Beschäftigter an der FU und Mitglied von ver.di sowie der basisgewerkschaftlichen Initiative ver.di aktiv, betonte in seiner Rede, dass es die Beschäftigten sind, die enteignen. Ohne den Druck durch die Belegschaft wird keine Vergesellschaftung der Betriebe möglich sein, ob beim Wombat’s oder bei BMW. Daher ist es wichtig, dass wir als Arbeiter*innen die Forderung aufnehmen und vorantreiben.

Eine ganze Reihe von Redebeiträgen nahm Bezug auf die heroischen Kämpfe der Beschäftigten gegen Union Busting und Outsourcing, nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland und sogar europaweit. So gab es eine Soli-Deligation von griechischen Gewerkschaftsaktivist*innen.

Union Busting und Outsourcing sind nämlich miteinander verbunden: So sind die angedrohte Schließung und die Attacken gegen den Betriebsrat eine Reaktion auf den Kampf der Belegschaft gegen das Outsourcing der Reinigungskräfte. Dies war allerdings ebenfalls eine Reaktion auf den vom Betriebsrat erkämpften Tarifvertrag der Gewerkschaft NGG (Nahrungsmittel-Genuss-Gaststätten).

Der Kampf gegen Outsourcing erfährt in Berlin gerade eine Konjunktur. Neben der aus vielen Richtungen angestoßenen Debatte zur Enteignung wehren sich immer mehr Belegschaften gegen die Ausgliederung von Kolleg*innen. Nach dem Botanischen Garten, den Krankenhauskonzernen Charité und Vivantes, sowie ihrer ausgegliederten Tochterunternehmen, reihen sich nun die Lehrkräfte in den Kampf ein. Die Initiative „Schule in Not“ kämpft dafür, dass die Reinigungskräfte an den Schulen wieder direkt beim Bezirk angestellt sind. Grund sind die unhaltbaren hygienischen Zustände an den Berliner Schulen als Folge von Sparpolitik und Outsourcing.

All diese Kämpfe sind Ausdruck davon, dass die Kluft zwischen dem bundesrepublikanischen Narrativ einer „sozialen Marktwirtschaft“ und der erlebten Realität vieler Beschäftigter immer größer wird. So erfahren wir im Politikunterricht (im besten Fall) allerlei über die Rechte von Arbeiter*innen, während nach Schulschluss eine outgesourcte Reinigungskraft die Schulklos putzt. Solche Praktiken untergraben die verbrieften Rechte von Arbeiter*innen. Dieser spürbare Widerspruch mündet zunehmend in realen Protest, daher sind solche Aktionen wie vor dem Wombat‘s Hostel unbedingt zu unterstützen.

Zugleich dürfen wir nicht vergessen, welche Verantwortung die Linkspartei – als Teil des Berliner Senats – bei Outsourcing und Tarifflucht spielt. Als Teil des damaligen rot-roten Senats hat sie die Ausgliederung von Tochterunternehmen mitgetragen. Dies tat sie ganz im Sinne einer kapitalistischen Haushaltsdisziplin unter dem Rechtsaußen-Politiker Sarrazin, damals SPD-Finanzsenator.

Nun ist sie Teil des rot-rot-grünen Senats. Die Parteien hatten zwar im Wahlkampf die Wiedereingliederung versprochen, aber gerade der SPD-Finanzsenator Kollatz stellt sich weiterhin beharrlich dagegen. Nichtsdestotrotz kommen immer wieder Bundestagsabgeordnete der Linkspartei zu Streiks. So war auch Pascal Meister am Freitag beim Wombat’s-Protest anwesend. Natürlich hilft das dabei, den Forderungen der Beschäftigten mehr Öffentlichkeit zu verleihen. Gleichzeitig wäre es falsch, nicht auf diesen Widerspruch hinzuweisen. Die zunehmenden sozialen Spannungen wirken sich auch auf die Linkspartei aus, wie wir in dem linkssouveränistischen Projekt „Aufstehen“ sehen konnten, das eng mit Sarah Wagenknecht verbunden ist und zu innerparteilichen Spannungen führte. Denn auch die Linkspartei ist sich uneins darüber, wie die anstehende Krise zu bewältigen sei.

Der Widerspruch einer „regierungskritischen“ Linkspartei im Bundestag und der Beteiligung an Landesregierungen wird in dem Rahmen immer spannungsvoller. Auch hier werden sich Teile der Linkspartei entscheiden müssen, wie weit sie bereit sind zu gehen, um noch weiterhin ernsthaft für die Arbeiter*innen sprechen zu können. So haben sich Teile der Linkspartei auch gegen die von Kühnert angestoßene Enteignungs-Debatte ausgesprochen. Wenn sich nun Bundestagsabgeordnete der Linkspartei für die Forderung der Wombat’s-Beschäftigten nach einer Enteignung aussprechen, könnte dies die innerparteilichen Spannungen weiterhin verschärfen.

Die Devise ist klar: Der Berliner Senat muss dafür sorgen, dass der Betrieb im Zweifelsfall auch ohne die Geschäftsführung läuft. Falls das Hostel schließt, muss es enteignet und dann entweder mit einer Arbeitsplatzgarantie staatlich weitergeführt oder direkt den Arbeiter*innen unter ihrer Selbstverwaltung übergeben werden. Die Linkspartei muss sich im Zweifelsfall entscheiden: für die Interessen der Beschäftigten, oder für ihre Posten in der Regierung.

In dem Kontext vermehrter Spannungen ist auch die hohe Präsenz von Polizeikräften während der Kundgebung erwähnenswert. Mit insgesamt sechs Mannschaftswagen, zivilen Einsatzkräften und dem sogenannten „Hamburger Gitter“ wurde aufgefahren. Das Hostel wurde abgesperrt und ankommenden Gästen musste die verschlossene Tür geöffnet werden. Offenbar gibt es angesichts der Forderung nach einer Enteignung die Befürchtung, es käme zu einer spontanen Besetzung des Gebäudes. Schon am 1. Mai hatte die Polizei vor dem Gebäude Präsenz gezeigt.

Doch auch nach dem Protest nutzte die Geschäftsführung die Gelegenheit, um solidarische Gewerkschafter*innen mit Polizeirepression einzuschüchtern. Als man nach der Kundgebung in der Nähe noch weitere Gespräche führte und die Aktion auswertete, wurden die Anwesenden von der Polizei umzingelt und am Gehen gehindert. Das Vorgehen wurde mit dem Vorwurf des Hausfriedenbruchs begründet. Die Geschäftsführung hatte den Vorwurf geäußert, es seien Flyer im Gebäude verteilt worden.

Auch daran werden wir uns im Kontext erhöhter gesellschaftlicher Spannungen gewöhnen müssen. Die Polizei wird immer mehr zeigen, auf welcher Seite sie steht: auf der Seite der Bosse. Mit der Begründung „nur ihren Job“ zu tun, werden auch „kritische“ Beamt*innen, deren Familienangehörige selbst von Outsourcing betroffen sind, sich auf die Seite der Bosse stellen.

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