Zwölf Verletzte und ein Toter bei Bombenexplosion in Ansbach

25.07.2016, Lesezeit 4 Min.
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Am späten Sonntagabend zündete ein junger Mann eine Rucksackbombe vor einem Festivalgelände im bayrischen Ansbach. Mindestens zwölf Menschen wurden verletzt, drei davon schwer. Der mutmaßliche Täter, ein 27-jähriger Geflüchteter aus Syrien, starb noch am Tatort. Spekulationen über einen islamistischen Hintergrund und Rufe nach Verschärfung von Straf- und Asylrecht werden laut.

Zum dritten Mal innerhalb einer Woche wurde Bayern der Schauplatz einer Bluttat mit Toten und Verletzten: Zuerst der Axt-Angriff in einem Regionalzug in der Nähe von Würzburg am vergangenen Montag; Dann der furchtbare Amoklauf am Freitag Abend in München mit insgesamt zehn Toten und dutzenden Verletzten; Und jetzt steht die Kleinstadt Ansbach im Fokus der Aufmerksamkeit.

Nach bisherigen Angaben kam es dort gestern Abend gegen 22 Uhr am Einlass zu einem Musikfestival zur Explosion einer Rucksackbombe. Der Sprengsatz wurde mutmaßlich von einem 27-jährigen Mann gezündet, der bei der Explosion ums Leben kam. Zwölf weitere Menschen wurden durch die Zündung verletzt. Nach aktuellen Informationen befindet sich aber niemand in Lebensgefahr. Der Verdächtigte war augenscheinlich am Einlass wegen eines fehlenden Tickets abgewiesen worden und hatte daraufhin den Sprengsatz detoniert.

Die Polizei teilte mit, dass der 27-Jährige ein Geflüchteter sei, der vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland kam. Sein Asylantrag sei vor einem Jahr abgelehnt worden, seitdem sei er in Ansbach geduldet gewesen.  Offenbar hatte der Tatverdächtige schwere psychische Probleme: Zwei Suizidversuche hatte er bereits hinter sich und befand sich in psychiatrischer Behandlung.

Über einen Zusammenhang mit einer islamistischen Terrorgruppe wie dem „Islamischen Staat“ ist bisher nichts bekannt. Trotzdem läuft die Spekulationsmaschinerie schon auf Hochtouren. Zwar rief die Generalstaatsanwaltschaft dazu auf, erst einmal die Ermittlungen abzuwarten, aber Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hielt das nicht von Mutmaßungen ab: „Meine persönliche Einschätzung ist, dass ich es leider für sehr naheliegend halte, dass hier ein echter islamistischer Selbstmordanschlag stattgefunden hat“, sagte der CSU-Minister noch in der Nacht. Die offensichtliche Absicht des Täters, mehr Menschen zu töten, weise zumindest auf einen solchen Hintergrund hin.

Herrmann forderte in mehreren Interviews seit gestern Nacht Verschärfungen des Straf- und des Aufenthaltsrechts. „Wir müssen auch anderen deutlich machen: Jeder hat die Rechtsordnung dieses Landes zu akzeptieren.“ Wenn jemand dagegen verstoße, müsse schon auf niedrigerer Schwelle als bisher deutlich werden, dass er das Land wieder zu verlassen habe.

Gleichzeitig wird seit dem Amoklauf von München am Freitag Abend über eine Erleichterung des Einsatzes der Bundeswehr im Innern debattiert. Am Wochenende wurde bekannt, dass das Feldjägerregiment 3 der Bundeswehr schon zum Ausrücken bereitstand – obwohl rechtlich höchst umstritten ist, ob das mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Verteidigungsministerin Von der Leyen (CDU) schlug unlängst eine Grundgesetzänderung vor, um solche Bundeswehreinsätze im Inland zu erleichtern.

Jedoch: Es gibt bisher in keinem der kürzlichen Fälle Belege für ein über Einzeltäter hinausgehendes Netz terroristischer Bedrohung. Zudem zeigt gerade das Beispiel Frankreich, dass die Verschärfung der Repression keine Anschläge verhindert – das tragische Attentat von Nizza beweist das. Stattdessen wird der seit fast neun Monaten geltende gesetzliche Ausnahmezustand, der Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und sogar Armeeeinsätze erleichtert, vor allem zur Repression von sozialen Bewegungen und zur Verschärfung rassistischer Unterdrückung genutzt.

Die Explosion von Ansbach wird dann auch einen ähnlichen Effekt haben. Mehr noch, wenn sich ein islamistischer Hintergrund herausstellen sollte – aber auch ohne einen solchen Hintergrund wird die rassistische Hetze gegen Geflüchtete zunehmen. Menschen muslimischen Glaubens, Geflüchtete, people of color zu potenziellen Verdächtigen werden.

Warum der mutmaßliche Täter den Sprengsatz zündete, wissen wir nicht. Sollten sich die Spekulationen bestätigen, wird auch niemanden mehr interessieren, dass der Mann möglicherweise unter schweren posttraumatischen Störungen litt. Auch dass er seit einem Jahr mit extrem unsicheren Lebensbedingungen aufgrund seiner Duldung zurechtkommen musste, wird nicht mehr thematisiert werden.

Dass die rassistischen Umstände in Deutschland mithin gerade der Katalysator für eine mögliche Radikalisierung sein könnten, wird ungehört verhallen. Allein das Schlagwort „Islamismus“ wird ausreichen, um Panik zu schüren, die rassistische Stimmung zu verschärfen und die Aufrüstung im Innern zu rechtfertigen.

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