Zwei Tote nach Amtsenthebung in Südkorea: Welche Konsequenzen hat der Sturz von Park Geun-hye?

13.03.2017, Lesezeit 5 Min.
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Das Verfassungsgericht von Südkorea bestätigte die Amtsenthebung der Präsidentin Park Geun-hye aufgrund von Machtmissbrauch und Korruption. Zwei Menschen starben bei Protesten und es herrscht Alarmstufe Rot an der Grenze.

Am Freitag bestätigte das Verfassungsgericht in einer historischen Entscheidung die Amtsenthebung der Präsidentin Südkoreas aufgrund ihrer Verbindungen zum größten Korruptionsskandal des asiatischen Landes in der jüngsten Geschichte. Diese Entscheidung führte zu gewalttätigen Protesten ihrer Unterstützer*innen in Seoul, bei denen zwei Demonstrierende ums Leben kamen.

Park wurde schon im Dezember durch die Nationalversammlung von ihrem Amt entfernt, nachdem die Skandale um ihre enge Freundin Choi Soon-sil ans Licht kamen. Diese wurde von den Medien als „Rasputin Koreas“ bezeichnet. Die Staatsanwält*innen machten Choi dafür verantwortlich, auf illegale Weise zweistellige Millionenbeträge von großen Unternehmen im Gegenzug für bevorzugende Gesetze erhalten zu haben. Choi ist die Tochter eines bekehrten Anführers einer religiösen Sekte und schrieb nicht nur die Reden von Park sondern war auch angeblich an Staatsangelegenheiten beteiligt, ohne je ein öffentliches Amt innegehabt zu haben.

Nachdem Park vom Amt entfernt wurde, lag die Entscheidung beim Verfassungsgericht, das sie letzten Endes am Freitag einstimmig als Präsidentin entließ und damit die endgültige Amtsenthebung Parks beschloss. Jetzt könnte sie bestraft und sogar eingesperrt werden.

Das Urteil, welches live von den wichtigsten Fernsehsendern übertragen wurde, sagt, dass Park die Verfassung missachtete, indem sie zuließ, dass sich ihre Freundin Choi in Staatsangelegenheiten einmischte. Choi selbst, 60 Jahre alt, ließ sich nach der Urteilsverkündung durch ihren Anwalt beim südkoreanischen Volk und Park entschuldigen, auch wenn sie erneut die ihr vorgeworfenen Straftaten bestritt.

Industriegewerbe unter Beschuss

Die Amtsenthebung von Park fand zu einem Zeitpunkt statt, in dem eine Arbeitsmarktreform zur Neubestimmung der Löhne verabschiedet werden sollte. Dieses Gesetzt wurde von den wichtigsten südkoreanischen Unternehmen entworfen und sieht eine verallgemeinerte Kostensenkung durch massive Lohnkürzungen vor. Eine bürgerliche Antwort auf die wirtschaftliche Krise, die sich nicht zu bessern scheint. Dieser Angriff auf die Arbeiter*innen, die schon im vergangenen Jahr zahlreiche Streiks organisierten, ist jetzt jedoch hinterfragt. Denn einige der wichtigsten südkoreanischen Konzerne sind in den Korruptionsskandal involviert.

Ende Februar verurteilte die Justiz den Erben des Technologiekonzerns Samsung wegen Bestechung und Veruntreuung. Damit wird die bestehende Komplizenschaft zwischen dem staatlichen Korruptionsschema und dem wichtigsten Industriekonzern des Landes entblößt.

Die Untersuchungen gegen Park und dem Erben von Samsung decken die Beziehungen zwischen den wichtigsten Unternehmen, die als Chaebols bekannt sind, und dem Staat auf. Diese Beziehungen haben sehr unklare Grenzen, da die politische und die wirtschaftliche Macht de facto verschmolzen ist und eine Handvoll Megakonzerne die Lebensrealität der Bevölkerung direkt beeinflussen.

Vorgezogene Neuwahlen

Durch die Amtsenhebung verliert Park nun ihre Immunität und es müssen vorgezogene Neuwahlen innerhalb der kommenden 60 Tage stattfinden. In der Zwischenzeit wird der ehemalige Premierminister Hwang Kyo-ahn die Regierungsgeschäfte übernehmen.

Die Mehrheit der Analyst*innen sagen, dass die Wahlen voraussichtlich am 9. Mai stattfinden werden. Dabei gilt die liberale Moon Jae-in als Favoritin.

Es handelt sich hierbei um die erste Amtsenthebung und die ersten vorgezogenen Neuwahlen seit 1987, als das Land nach zwei Militär-Juntas erneut demokratische Wahlen abhielt. Eine der beiden Militärdiktaturen wurden von dem General Park Chung-hee angeführt, Vater der jetzigen Ex-Präsidentin.

Auch wenn den Umfragen zufolge die Mehrheit der Südkoreaner*innen für die Amtsenthebung von Park waren, die nur noch eine Beliebtheit von vier Prozent genoss, protestierten ihre Anhänger*innen in den letzten Monaten energisch. Am Freitag empfingen sie die Nachricht enttäuscht und verärgert und die Auseinandersetzungen zwischen ihnen und der Polizei führten zu mindestens zwei Toten.

Die Befürworter*innen des Amtsenthebungsverfahrens, die seit Ende vergangenen Jahres den Gwanghwamun-Platz besetzt hielten und bis zu zwei Millionen Menschen gegen Park auf die Straße brachten, feierten dort die Nachricht.

Raketen und Grenzen

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts kommt zudem zu einem äußerst schwierigen Moment in geopolitischer Hinsicht. Die Situation zwischen Süd- und Nordkorea ist nach den Raketentests von zwei Mittelstreckenraketen über dem Japanischen Meer durch Pjöngjang angespannt. Nordkorea hatte die Krise in ihrem Nachbarland aufmerksam verfolgt genauso wie die Aufstellung von US-Raketenabwehrsystemen THAAD in Südkorea. Dieses US-amerikanische Verteidigungssystem wird sowohl in Pjöngjang als auch in Peking als Bedrohung und Provokation verstanden.

Die fragile politische Situation nach der Amtsenthebung durch Park wird die Spannungen nur noch erhöhen. Als Präventivmaßnahme wurde die südkoreanische Armee an der Grenze in den Ausnahmezustand versetzt. Dabei handelt es sich jedoch eher um ein Machtspiel als um eine wirkliche Bedrohung. Trotzdem zeigt diese Maßnahme, dass die politische Krise in Seoul auch eine mögliche Verschärfung der regionalen Spannungen zu Folge haben wird.

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