im Lower Class Magazine ein Beitrag von Emanuel Kapfinger, der eine Debatte über Gegenwart und Zukunft von linken Studierenden eröffnete. Was sind die Perspektiven linker Studierender? Eine Professur à la Adorno? Eine Karriere in einer Nicht-Regierungs-Organisation (NGO)? Warum es im Kern bei dieser Debatte um eine strategische Frage geht." /> im Lower Class Magazine ein Beitrag von Emanuel Kapfinger, der eine Debatte über Gegenwart und Zukunft von linken Studierenden eröffnete. Was sind die Perspektiven linker Studierender? Eine Professur à la Adorno? Eine Karriere in einer Nicht-Regierungs-Organisation (NGO)? Warum es im Kern bei dieser Debatte um eine strategische Frage geht." />

Zur Diskussion über die Karriereplanung linker Studis

23.03.2017, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Am 13. März erschien im Lower Class Magazine ein Beitrag von Emanuel Kapfinger, der eine Debatte über Gegenwart und Zukunft von linken Studierenden eröffnete. Was sind die Perspektiven linker Studierender? Eine Professur à la Adorno? Eine Karriere in einer Nicht-Regierungs-Organisation (NGO)? Warum es im Kern bei dieser Debatte um eine strategische Frage geht.

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Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. (Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte)

Anfang der 70er Jahre war es keine Seltenheit, dass linke Studierende die Universität verließen… um in einer Industriefabrik zu arbeiten. Die 68er-Bewegung geriet in die Defensive, während eine kämpferische Massenbewegung seitens der Arbeiter*innenklasse auf sich warten ließ. Im Zuge dieser Tatsache wurde versucht, diese Lücke durch den neu entstanden Proletkult zu füllen. Nun verpönten (ehemalige) Studierende die akademische Laufbahn, proletarisierten sich und ihre Lebensweise, um so das Proletariat auf ihre Seite zu bringen.

Circa ein halbes Jahrhundert später scheint dieser Kult beim Lower Class Magazin angekommen zu sein (auch wenn man sich natürlich in Worten davon distanziert – und von Lenin gleich mit). Anstoß ist eine Debatte über die „Karriereplanung” linker Studis.

Keine identitäre, sondern eine strategische Frage

Auf eine richtige Frage nach der Perspektive linker Studierender werden so einige falsche Antworten gegeben.

Der Text nimmt die Berufswahl im akademischen Betrieb ins Visier, ausgehend von der Vorstellung der Studierenden, Politik als Arbeitsfeld über ihr Studium hinaus zu betreiben. Demgegenüber scheinen die „Anpassungszwänge“ der bürgerlichen Gesellschaft zu stehen, die in intellektuellen Berufen ihre Wirkung entfalten würden. Als Proletarier*in muss ich arbeiten, kann aber denken, was ich will; als Intellektuelle*r muss ich die herrschenden Gedanken „authentisch“ vertreten – so geht der Gedanke.

Um auf diese Idee zu kommen, ist schon einiges an falschen Vorstellungen nötig: Ist etwa die Konsequenz nicht, am Arbeitsplatz Diskussionen zu führen, sich zu organisieren, zu streiken, mit dem Ziel, auch die Kolleg*innen für den Kommunismus zu gewinnen? Was ist mit der staatlichen wie kapitalistischen Repression im Betrieb, die ihren infamen Höhepunkt darin erreicht, dass keine politischen Streiks geführt werden dürfen?

Anders: „Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muss der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen.“ (Karl Marx: Thesen über Feuerbach)

Offenbar hat der Autor des Artikels selbst eine recht eigentümliche Vorstellung dessen, wie es in Betrieben aussieht. Ansonsten wäre ihm bewusst, dass die praktische Betätigung eine*r Arbeiter*in immer dem Repressionsapparat der Bourgeoisie ausgesetzt ist. Die Mittel dazu reichen vom Auslaufenlassen befristeter Verträge, über gelbe Gewerkschaften und unternehmensfreundlichen Betriebsräten bis zu der Branche des Union Busting. Dagegen hilft nur die Solidarität ihm Betrieb und darüber hinaus – das ist etwas qualitativ vollkommen anderes, als die Freiheiten, die Studierenden bei ihrer politischen Aktivität zur Verfügung stehen. Die Kolleg*innen, die diese Arbeit leisten und mit ihren Kämpfen die deutsche Bourgeoisie zum Zittern bringen, haben unseren Respekt verdient und sind Vorbilder für die revolutionäre Jugend. Darum liegt nichts ferner, als eine idealistische Verklärung dessen, was das Dasein als Lohnabhängig*e so mit sich bringt.

Kein Wort lesen wir über studentische Solidarität mit Arbeitskämpfen. Kein Wort über die Einheit von Arbeitenden und Studierenden – und das bei einem Text, der die Universität im Schwerpunkt behandelt. Die Uni ist ein gigantischer Komplex, der nur aufrecht erhalten wird, weil tausende von Arbeiter*innen tagtäglich dafür schuften. Ist das schillernde Beispiel der Arbeiter*innen vom Botanischen Garten, der zur Freien Universität (FU) gehört, nicht bei den Linken angekommen? Dieses heroische Beispiel, wo Arbeiter*innen Hand in Hand mit den Studierenden gegen den Senat, gegen das FU-Präsidium einen erfolgreichen Kampf führten.

Weiter geht die Farce:

Wir brauchen scharfsinnige und gebildete politische Intellektuelle. Das Studium wäre insofern als politisches zu führen, mit dem Ziel, sich zur kritischen Wissenschaft, zur politischen Analyse und Textproduktion auszubilden. Wichtig ist hierfür die universitätsunabhängige Organisierung für kritische Theoriearbeit während des Studiums und darüber hinaus.

Der Autor geht der theoretischen Konfrontation aus dem Weg. Die Universitäten werden einfach weiter Ideologie und Elite des bürgerlichen Staates produzieren. Es gibt nicht auch nur die geringste Absicht, mit revolutionärer Agitation und Propaganda den Kampf dagegen aufzunehmen – revolutionäre Politik, da stimmt man mit der Bourgeoisie überein, hat in der Universität nichts verloren.

Was ebenfalls fehlt, ist eine materialistische Klassenanalyse. Wiederum kein Wort dazu, dass viele neben dem Studium in prekären Verhältnissen arbeiten müssen (rund die Hälfte der Studierenden). Kein Wort über die, die als studentische Hilfskräfte an den Universitäten arbeiten (und nebenbei einen Arbeitskampf um ihren Tarifvertrag führen). Nichts über die wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter*innen. Keine Perspektive für ihre Arbeitskämpfe. Aber: „die universitätsunabhängige Organisierung für kritische Theoriearbeit”.

So wird auch übersehen, dass das, was man als „Anpassungszwänge“ in Gewerkschaften, NGOs und in der Uni ausmacht, nichts den intellektuellen Berufen inhärentes ist, sondern ein Resultat ihrer reformistischen Besetzung. Es ist der Druck der Sozialpartnerschaft und des Standortnationalismus in den Gewerkschaften, der dafür sorgt, dass man mit linksradikalen Positionen da nicht weit kommt. Und es ist die eigene Funktion als Bürokrat*in, die dafür sorgt, dass man durch eine andere materielle Situation als die der Arbeiter*innen – nämlich als gut bezahlte*r Funktionär*in – aufhört, linksradikal zu sein. Es ist die Verbindung von NGOs oder Stiftungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Linkspartei und ihrem sozialchauvinistischen Kurs in Richtung rot-rot-grün, die die Positionen bestimmt, die man vertreten muss.

Nur am Ende streift Kapfinger die Frage, um die es hier eigentlich geht: Welche Strategie für den Kampf an den Universitäten mit den Beschäftigten? Es ist ein Schritt vor, sich selbst als „Proletarisierte*r” zu begreifen und „im Arbeitsverhältnis politisch zu agieren”. Zwei Schritte zurück sind es aber, wenn die Antwort eine „kritische” Neuausrichtung der reformistischen Apparate sein soll. Menschen mit einem revolutionären Selbstverständnis brauchen nichts weniger als den unversöhnlichen Bruch mit den staatlichen und reformistischen Apparaten – richtig, eine revolutionäre Partei!

Deshalb müssen Revolutionär*innen auch für die Universität ein Kampfprogramm um die ideologische Hegemonie aufstellen. Es muss einerseits die Kritik der Lehrpläne und der noch hegemonialen unmaterialistischen Dummheiten beinhalten. Darüber hinaus braucht es die gemeinsame Organisierung aller Studierenden und an der Universität Beschäftigten und die volle Unterstützung und Ausweitung ihrer ökonomischen und politischen Kämpfe. Auf die „kritische“ Dummheit eines Adorno können wir dabei gut verzichten.

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