#ZeroCovid: Was sind die Aufgaben der Linken und der Arbeiter:innenklasse?

30.01.2021, Lesezeit 25 Min.
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Kichigin / shutterstock.com

#ZeroCovid will die Pandemie durch das Herunterfahren der nicht-lebensnotwendigen Wirtschaft bekämpfen. Wir schlagen vor, in Betrieben, Schulen und Unis Komitees für die Perspektive von Streiks gegen Pandemie und Krise zu organisieren. Erklärung der Revolutionären Internationalistischen Organisation, Herausgeberin von KlasseGegenKlasse.org.

Fast ein Jahr nach Beginn der Coronavirus-Pandemie schlägt der Aufruf #ZeroCovid hohe Wellen: 90.000 Unterschriften für die Forderung, die Infektionen auf Null zu senken, mittels eines Herunterfahrens der gesamten nicht-essentiellen Produktion. Eine wichtige Intervention angesichts einer Regierungspolitik, die trotz täglich anhaltend hoher Todeszahlen aufgrund der Pandemie weiterhin die Interessen des Kapitals bedient. Während viele Fabriken und Büros im Sinne des Profits offen bleiben, müssen Millionen Menschen täglich weiter zur Arbeit, um dort oder in den Verkehrsmitteln auf dem Weg ihre Gesundheit zu riskieren. Zugleich sorgen die Lockdown-Maßnahmen im privaten Bereich für wachsende soziale Probleme, gravierende psychische Folgen und immer größere Schwierigkeiten in der Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen. Kurzum: Die Regierung ordnet in der Pandemie das Leben und die psychische Gesundheit der Massen den Profiten des Kapitals unter. Zudem legitimieren die Ausgangsbeschränkungen und nächtlichen Ausgangssperren Repression gegen die Bevölkerung, insbesondere die Jugend.

Auch in der Linken wird durch den #ZeroCovid-Anstoß so angeregt wie lange nicht mehr über die notwendige Politik gegenüber Pandemie und Krise diskutiert. In den folgenden Zeilen wollen wir erklären, warum wir die #ZeroCovid-Initiative kritisch unterstützen. Zugleich wollen wir dabei nicht stehen bleiben, sondern die Diskussion um einige zentrale Punkte erweitern. Insbesondere wollen wir aufzeigen, dass die revolutionäre Linke ein klassenbasiertes Programm vorschlagen muss, um durch die Entwicklung der Selbstorganisierung der Arbeiter:innen eine Kraft gegen Pandemie und Krise aufzubauen, die die Schranken der bürokratischen Führungen überwindet. Für eine tatsächliche Lösung ist dabei die Perspektive eines Generalstreiks notwendig.

Dazu möchten wir alle linken, sozialen und gewerkschaftlichen Organisationen zu einer Debatte einladen. Wir sagen: Ausgehend von dem #ZeroCovid-Impuls müssen wir gemeinsam in allen Betrieben, Schulen und Universitäten auf den Aufbau von Komitees gegen Pandemie und Krise hinwirken, die ein Notfallprogramm der Arbeiter:innenklasse in der Perspektive eines Generalstreiks durchsetzen können, damit nicht wir, sondern die Kapitalist:innen die Krise bezahlen. Insbesondere richten wir diesen Vorschlag auch an die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) und die in ihr aktiven Gruppen.

Die Pandemiepolitik ist ein kapitalistisches Verbrechen

Mehr als zwei Millionen Tote weltweit sind nicht nur Tote der Pandemie, sondern Tote der kapitalistischen Antwort der Regierungen. Sie sind Tote eines kapitalistischen Verbrechens, dessen Motto „Profit vor Menschenleben“ grausam durchgreift. Auch in Deutschland steigen die Todeszahlen unaufhörlich; in der aktuellen Phase liegt die Übersterblichkeit bei etwa 30 Prozent.

Die Pandemie dauert nun schon fast ein Jahr, und so ist es leicht, den täglichen Bericht der Todeszahlen wie eine Kriegsberichterstattung über sich ergehen zu lassen und langsam taub zu werden. Umso wichtiger, dass mit dem Aufruf #ZeroCovid – trotz aller Kritik, die an Teilen des Aufrufs nötig ist, auf die wir weiter unten eingehen werden – eine Stimme in die Öffentlichkeit bricht, die sagt: Wir wollen keine Toten mehr. Es muss ein politisches Ziel sein, die Ansteckungen auf Null zu reduzieren und die Pandemie auszurotten.

Viele Stimmen – sowohl aus dem bürgerlichen Lager als auch aus der Linken – antworten dagegen, dass dieses Ziel unrealistisch sei. Wir halten diese Reaktion für eine zynische Bestätigung des Status Quo. Sicherlich ist es unrealistisch, vom bürgerlichen Staat, der den Interessen des Kapitals dient, die Umsetzung dieses Ziels zu erwarten. Es mag tatsächlich Unterstützer:innen des #ZeroCovid-Aufrufs geben, die ihn hauptsächlich als Appell an die Regierung verstehen. Doch wir orientieren uns nicht an ihnen, sondern greifen den Aufruf als einen Impuls auf, das Problem auf die Tagesordnung zu setzen, dass die gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie grundsätzlich politisch sind: Wir wollen unsere Familien, unsere Freund:innen, unsere Arbeitskolleg:innen nicht länger der grausamen Logik des kapitalistischen Profits opfern. Die Pandemie in einer globalisierten Welt zu überwinden, wird nur durch eine globale Antwort derer möglich sein, die kein Interesse am Leiden und Sterben der Massen haben.

Die Politik der kapitalistischen Regierungen der Welt zeigt, dass ihnen der Warenverkehr und die Industrie mehr wert sind als die Leben der arbeitenden Bevölkerung. Sie setzen uns Ansteckungsrisikos im Verkehr und auf der Arbeit aus, um nicht-essentielle Güter zu produzieren, verwenden die Pandemie als Vorwand für Kürzungen und Entlassungen und machen Milliardengewinne mit lebensnotwendigen Gütern wie Impfstoffen. Gleichzeitig vertiefen sie die Ausbeutung und Abhängigkeit der halbkolonialen Länder und treiben die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Sie setzen ihre Maßnahmen teils mit eiserner Hand um, verhängen Ausgangssperren und Strafen gegen Einzelpersonen, greifen das Demonstrationsrecht an und treiben uns in die Isolation und ganze Generationen in Existenzängste und Depressionen, während Konzerne Rekordgewinne verbuchen.

Auch in Deutschland zeigt sich das plastisch: Wir zählen die höchste Armutsquote seit dem Ausverkauf der DDR vor 30 Jahren und Hunderttausende bangen um ihre Arbeitsplätze. Die Einkommenseinbußen durch das Kurzarbeitsgeld bringt insbesondere prekär Beschäftigte und Alleinerziehende in die Existenzangst. Das Demonstrationsrecht wird in Fällen wie der Gedenkdemonstration an das faschistische Attentat in Hanau eingeschränkt und der Staat schiebt weiterhin Geflüchtete ab. Währenddessen verbuchen BMW, Lufthansa und Co Rekordgewinne und erhalten Milliardenhilfen vom Staat. Für ihre Profitgier gelten keine Einschränkungen.

Das zeigt: Während die Interessen des Kapitals für den Tod von Millionen sorgen, brauchen wir eine Antwort der Arbeiter:innenklasse, damit von uns niemand mehr für die Aufrechterhaltung der Profitmaschinerie sterben muss.

#ZeroCovid – eine erste Antwort von links auf die Pandemiepolitik der Regierung

Über die Einschätzung der Initiative wird viel diskutiert. Wir sind der Meinung, dass der Aufruf und vor allem die Resonanz, die er erfahren hat, Ausdruck einer breiten Unzufriedenheit über die Pandemiepolitik der Regierung sind – und zwar im Unterschied zu den vielen „coronaskeptischen“ Mobilisierungen im vergangenen Sommer ein dezidiert linker Ausdruck.

Insbesondere die Partei DIE LINKE hat es in den vergangenen elf Monaten der Pandemie praktisch nicht vermocht, ein soziales Programm gegen die Gesundheitskrise zu artikulieren. Denn ihr Aufruf zu einem “solidarischen Lockdown” ignoriert die Frage der Schließung nicht-essentieller Betriebe. Damit läuft die Partei größtenteils der Merkel-Regierung hinterher. Auch die Gewerkschaftsapparate haben den “nationalen Schulterschluss” geübt. Während gerade im Gesundheitssektor aufgrund des Drucks der Basis wichtige Kämpfe stattfanden, wurden die Kämpfe gegen Massenentlassungen und Schließungen systematisch desorganisiert. Eine tiefgreifende Diskussion über die nötige Antwort der organisierten Arbeiter:innenbewegung gegen die Pandemie und ihre Folgen fand kaum statt. Stattdessen rühmten die Gewerkschaftsführungen das sozialpartnerschaftliche Modell der Kurzarbeit. Dass Kurzarbeit laut Studien dennoch zu massiver Prekarisierung führen kann, geschweige denn dass trotz Kurzarbeit etwa eine halbe Million Menschen zusätzlich arbeitslos geworden sind, lockte die Gewerkschaftsführungen kaum hinter dem Ofen hervor.

Umso wichtiger ist es, dass mit der #ZeroCovid-Initiative der Ruf nach einem Herunterfahren der gesamten nicht-essentiellen Produktion ein populäres Echo gefunden hat. „Wir müssen die gesellschaftlich nicht dringend erforderlichen Bereiche der Wirtschaft für eine kurze Zeit stilllegen. Fabriken, Büros, Betriebe, Baustellen, Schulen müssen geschlossen und die Arbeitspflicht ausgesetzt werden.“

Diese Forderung stellt angesichts der Gesundheitskrise eine wichtige Minimalforderung dar, um die Zahl unserer Toten radikal zu senken. Doch sie zieht notwendigerweise eine weitere zentrale Frage nach sich: Wie soll diese Stilllegung aussehen? Abhängig vom Wohlgefallen von Regierung und Bossen, die uns eher mit Bußgeldern und Ausgangssperren im Privaten und mit Prekarisierung und Arbeitslosigkeit bedrohen? Oder organisieren wir uns in Betrieben, Schulen und Unis und legen mit einem Generalstreik unter unseren eigenen Bedingungen die Wirtschaft lahm? Die Forderung nach der Stilllegung der nicht-essentiellen Produktion ist vor allem dann fortschrittlich, wenn sie die Frage, wer für die Eindämmung des Virus zahlen soll, so beantwortet: das Kapital, erzwungen durch die organisierte Macht der Arbeiter:innen und der Massen.

Die Frage der Durchsetzung und Kontrolle der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen ist nämlich bei weitem keine technische Frage, deren Antwort von Effizienzkriterien abhängt. Stattdessen geht es darum, dass ein von den Kapitalist:innen kontrollierter und mit Polizeimaßnahmen durchgesetzter Lockdown etwas völlig anderes ist als ein Generalstreik, der die gesamte nicht-essentielle Produktion stoppt. Um ihn durchzusetzen, muss sich die Arbeiter:innenklasse in Organen der Selbstorganisation zusammenschließen.

Der Aufruf der Initiative #ZeroCovid betont dabei richtigerweise: „Wichtig ist, dass die Beschäftigten die Maßnahmen in den Betrieben selber gestalten und gemeinsam durchsetzen. Mit diesem Aufruf fordern wir auch die Gewerkschaften auf, sich entschlossen für die Gesundheit der Beschäftigten einzusetzen, den Einsatz von Beschäftigten für ihre Gesundheit zu unterstützen und die erforderliche große und gemeinsame Pause zu organisieren.“

Jedoch wird die zentrale Differenz durch die Formulierung der „solidarischen Pause” völlig verwischt, denn sie verkennt, dass Kapitalist:innen und Arbeiter:innen völlig entgegengesetzte Interessen haben, die nicht in einem „solidarischen“ Abkommen vermittelt werden können. Das Problem ist ja eben, dass Arbeit im Kapitalismus nicht „solidarisch“ organisiert ist, sondern in Form von Ausbeutung der Arbeit der Arbeiter:innenklasse durch die Kapitalist:innen. Wenn die Regierung im Interesse des Kapitals oder die Bosse direkt eine Betriebsschließung durchsetzen, geschieht dies unter Gefährdung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter:innen, die ihre Einkommensquelle verlieren und von der Gnade des Staates abhängig werden.

Unserer Meinung nach kann der Stopp der nicht-essentiellen Produktion durch nichts anderes als einen Generalstreik tatsächlich durchgesetzt werden, denn ansonsten bleibt alles vom Willen der Kapitalist:innen abhängig. Die Schritte dahin zu organisieren, ist die zentrale Aufgabe der linken und Arbeiter:innenorganisationen heute.

Aus diesem Grund unterstützen wir den Aufruf kritisch und wollen ihn an einigen wichtigen Punkten erweitern, um gegenüber der Linken und allen sozialen und Arbeiter:innenorganisationen einen Vorschlag für eine klassenkämpferische Offensive gegen die Pandemiepolitik im Interesse des Kapitals und gegen die kommende Krise zu entwickeln.

Lockdown im Interesse des Kapitals? Oder Generalstreik zum Schutz des Lebens und der Arbeitsbedingungen?

Leider bleibt der Aufruf von #ZeroCovid gegenüber Gewerkschaftsführungen und reformistischen Parteien wie der Linkspartei diplomatisch. Ohne eine Kritik der bisherigen Rolle der reformistischen Apparate und ohne eine konkrete Vision, wie diese Perspektive in den Gewerkschaften tatsächlich durchgesetzt werden kann – also auch gegen den Willen der Gewerkschaftsführungen –, bleibt ein Appell zum “entschlossenen Einsatz” kaum mehr als ein frommer Wunsch.

Die größte Schranke des Aufrufs ist der Adressat: Weder die Regierungen werden die gesamte Wirtschaft auf Kosten des Profits der Bosse herunterfahren, noch die Gewerkschaften im Abstrakten. Der Aufruf ignoriert, dass die Pandemiepolitik des vergangenen Jahres keine allein von der Regierung durchgesetzte Politik war, sondern dass die reformistischen Apparate von Linkspartei und Gewerkschaften die „nationale Einheit“ unterstützten, und sie deshalb für eine Alternative zur Regierungspolitik auch herausgefordert werden müssen. Implizit ist der Aufruf natürlich schon als eine Kritik an der bisherigen Haltung der Linkspartei zu lesen – einige Initiator:innen wie zum Beispiel Christian Zeller betonen das auch explizit –, jedoch muss die Frage beantwortet werden, wie denn die materielle Kraft entwickelt werden kann, um die Profitmaschinerie im Interesse des Gesundheitsschutzes stillzulegen und zugleich dafür zu sorgen, dass die Kapitalist:innen die Kosten dafür tragen und nicht die Mehrheit der Bevölkerung durch eine noch größere Repression und Prekarisierung ihrer Lebensumstände.

Wir sind der Meinung, dass die Perspektive eines von den Arbeiter:innen mittels eines Generalstreiks organisierten Stopps der nicht-essentiellen Produktion eine notwendige Ausgangsbasis für die Entwicklung einer tatsächlichen klassenkämpferischen Bewegung gegen die Auswirkungen der Pandemie und gegen die kommende Wirtschaftskrise ist, welche die Regierung und die Kapitalist:innen auf den Schultern der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, der Rentner:innen und der Migrant:innen abladen will.

Das erklärt auch, warum die Linksparteiführung den #ZeroCovid-Aufruf nicht unterstützt: Die Forderung eines Herunterfahrens der Wirtschaft würde die Rolle der Linkspartei in ihrer Regierungspraxis in verschiedenen Bundesländern in Frage stellen. So stellte sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow lange gegen Maßnahmen, die die Profite der Bosse einschränken. Auch hier gelten horrende Bußgelder, die die Armen belasten, und trotz verbaler Wortänderung Ramelows bleiben auch in Thüringen die meisten Betriebe offen. Der staatstragende Reformismus befindet sich hier in einem Widerspruch: einerseits muss er sich profilieren, um sich im Sinne des Wahlkampfs von der „nationalen Einheit“ abzugrenzen (was er seit einiger Zeit rhetorisch mit der Frage der Reichensteuer und Impfstoff-Lizenzen tut), andererseits ist er materiell schon jetzt Teil dieser nationalen Einheit und wird diese auch mit einer RRG-Perspektive im Bund mittragen.

Aber auch Strömungen am linken Rand der Linkspartei haben auf den Aufruf zu großen Teilen sehr distanziert reagiert. Während AKL-Sprecher Thies Gleiss den Aufruf mit unterschrieben hat, sind Organisationen wie die SAV und die SOL, die Teil der AKL sind, mit Statements rausgekommen, die sich von der Initiative abgrenzen. Dabei formulieren sie zum Teil richtige Kritiken (auf die wir weiter unten eingehen werden), aber leugnen durch ihre Abgrenzung letztlich jegliche Entwicklung durch das Eingreifen bewusster, revolutionärer Kräfte. Wir sind der Meinung, dass sie damit letztlich an der Seitenlinie stehenbleiben, während ihre Partei weiterhin mitregiert und die fortschrittlichen Forderungen von #ZeroCovid ignorieren wird.

Zu diesen fortschrittlichen Forderungen gehören unter anderem die Verstaatlichung der privaten Gesundheitsindustrie oder soziale Forderungen, die durch Steuern auf hohe Vermögen, Unternehmensgewinne und die höchsten Einkommen finanziert werden sollen. Es stimmt zugleich, dass diese Forderungen durch weitergehende Forderungen ergänzt werden müssen:

Damit das Kapital in der Pandemie nicht weiter unsere Gesundheit riskiert, braucht es Kommissionen an allen Arbeitsplätzen, in denen die Beschäftigten selbst die notwendigen Hygienemaßnahmen bestimmen. Die Betriebe, in denen das Weiterarbeiten zu gefährlich ist, müssen bei vollem Lohnausgleich für alle Beschäftigten geschlossen werden, bezahlt durch die Bosse und kontrolliert von den Arbeiter:innen, die selbst entscheiden sollen dürfen, wann sie wie wieder zurück an die Arbeit gehen. Dort, wo die Bosse dies verweigern, muss die Öffnung der Geschäftsbücher erzwungen werden. Die Arbeiter:innen müssen sich koordinieren, um alles zu prüfen und zu kontrollieren. Massenentlassungen und Betriebsschließungen müssen verboten werden. Bei Verstößen muss es unter ihrer Einbeziehung Zwangsmaßnahmen geben bis hin zur Enteignung und Verstaatlichung der Betriebe unter Kontrolle der Arbeiter:innen.

Im Gesundheits- und Pharmasektor muss schon jetzt eine vollständige Verstaatlichung unter Arbeiter:innenkontrolle stattfinden, um den Profit und die Konkurrenz um den Impfstoff zu beenden und um alle notwendigen Maßnahmen durchzusetzen, um den Personalmangel zu beenden und den Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern und zugleich die nötigen Hygiene- und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten sicherzustellen. All diese Maßnahmen müssen durch progressive Steuern auf hohe Vermögen und Kapitalerträge finanziert werden. Dies ist Teil eines Übergangsprogramms mit weiteren essentiellen Maßnahmen, welches die dringenden Bedürfnisse der Arbeiter:innen und der Massen mit einem weitergehenden Horizont verbinden kann.

Das sind wesentliche Forderungen auf nationaler Ebene. Eine strategische Schranke von #ZeroCovid besteht jedoch darin, dass sie trotz europäischer Vernetzung die Frage der Bewältigung der Pandemie auf internationaler Ebene nicht behandelt, obwohl Deutschland eine imperialistische Macht ist. Streichung aller Schulden der halbkolonialen Länder, kostenlose Verteilung von Impfstoffen, Rückzug aller deutschen Truppen aus dem Ausland und Aufnahme der Geflüchteten aus den Lagern Griechenlands und Bosnien bilden daher wichtige Achsen eines anti-imperialistischen Programms. Ohne diese internationalistische Perspektive wird die Eindämmung und Ausrottung des Virus unmöglich bleiben.

Komitees gegen Pandemie und Krise in allen Betrieben, Schulen und Universitäten organisieren!

Es kommt aber nicht einfach darauf an, korrekte Kritiken zu formulieren, sondern die materiellen Hürden für die Umsetzung der notwendigen Forderungen zu konfrontieren. Dafür ist es zentral, die Untätigkeit der Gewerkschaftsführungen anzuprangern und von ihnen einen Kampfplan zu fordern, der das Sterben beendet und die Arbeiter:innenklasse und die Jugend auf einen Kampf gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise vorbereitet. Denn es handelt sich nicht nur darum, die unmittelbaren Lohneinbußen im Falle eines Wirtschaftslockdowns abzufedern. Die Kapitalist:innen nutzen die Pandemie auch für eine „Marktbereinigung“, für lang geplante Angriffe und zur Vorbereitung von noch mehr Schließungen und Massenentlassungen. Allein in der Automobilbranche sollen über 400.0000 Stellen abgebaut werden.

In den Betrieben und in den Gewerkschaften muss daher darüber diskutiert werden, wie jetzt unmittelbar und auch in den kommenden Monaten ein Kampfplan organisiert werden kann, der mit der Durchsetzung des Gesundheitsschutzes durch die Schließung der nicht-essentiellen Produktion unter Kontrolle der Arbeiter:innen beginnt und die Verteidigung gegen Schließungen und Massenentlassungen vorbereitet, die schon jetzt stattfinden und sich nach der Pandemie weiter ausbreiten werden. Dazu gehört auch, die kommenden sozialen Angriffe wie eine mögliche Rentenreform zu bekämpfen. #ZeroCovid bleibt auf halber Strecke stehen, wenn es diese Perspektive vernachlässigt.

Eine Grundlage dafür existiert, wie wir an anderer Stelle geschrieben haben: „Laut einer Umfrage sprechen sich immerhin 70 Prozent für eine Home-Office-Pflicht aus. Das ist noch kein Lockdown, aber es zeigt eine Tendenz in die richtige Richtung. Und auch wenn es an präziseren Umfragen mangelt, gibt es genug Indizien für eine gewisse Kampfbereitschaft in den Betrieben: So gab es direkt zu Beginn der Pandemie in Europa große Streiks in Italien und Spanien, die unmittelbar auf die Schließung der Fabriken und umfassenden Gesundheitsschutz zielten.“ Auch gestern wurde in Italien gegen die Pandemiepolitik der Regierung und für eine Vermögensabgabe der oberen 10 Prozent gestreikt.

Doch anstatt solche Maßnahmen zu organisieren, suchen die Gewerkschaftsbürokratien fast durchgehend den Schulterschluss mit den Interessen der Bosse „zum Schutz der Wirtschaft“ – womit sie nichts anderes als Standortnationalismus meinen. Deshalb braucht es eine aktive Organisierung an der Basis der Gewerkschaften, um eine solche Perspektive gegen die bürokratischen Führungen durchzusetzen. Die Entscheidung, ob und wie weiter produziert werden soll, muss in Betriebsversammlungen ohne Einfluss der Bosse getroffen werden.

Es ist die Aufgabe aller linken Organisationen und gewerkschaftlichen Basisgruppen, Schritte in die Richtung voranzutreiben. Deshalb schlagen wir auch der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) vor, den #ZeroCovid-Impuls zu nutzen und in Betrieben, Schulen und Universitäten Diskussionen anzustoßen. Das kann mit Fotoaktionen und einer gemeinsamen Unterschriftenkampagne für eine Streikperspektive beginnen, zusammen mit weiteren Schritten, um auf Versammlungen und auf den Aufbau von Komitees gegen Pandemie und Krise hinzuwirken. Diese müssen sich vornehmen, ein alternatives Programm gegenüber den reformistischen Bürokratien in Gewerkschaften und Linkspartei zu entwickeln und Schritte in der Perspektive eines Generalstreiks zu organisieren.

Für welches Programm müssen wir eintreten?

Wie schon erwähnt, müssen wir trotz allem auf die existierenden Widersprüche hinweisen, die die #ZeroCovid-Initiative hat. Weiter oben haben wir schon erklärt, wie aus den Minimalforderungen der Initiative ein Übergangsprogramm werden kann, welches tatsächlich dazu in der Lage wäre, die Interessen der Kapitalist:innen anzugreifen. Darüber hinaus wird von Gruppen wie SAV und SOL korrekterweise kritisiert, dass der Aufruf sich nur auf Europa fokussiert und so die globale Perspektive der imperialistischen Konkurrenz um die Impfstoffe und zu erwartende Folgen für eine noch restriktivere Politik gegen Migrant:innen vernachlässigt. Auch stimmt, dass der Aufruf die psychosozialen Belastungen durch einen Lockdown unterbewertet und die Gefahren für demokratische Rechte durch die Pandemiepolitik der Regierung sehr lapidar behandelt werden.

Doch wir wollen noch einmal insistieren: Die zentrale Schwäche des Aufrufs ist, dass er die Rolle der Bürokratien der Gewerkschaften und reformistischen Parteien ignoriert und die angedeutete Perspektive der Selbstorganisierung der Arbeiter:innen damit vollständig ausgehöhlt wird.

Nur wenn die Arbeiter:innen sich im Betrieb organisieren, gemeinsam diskutieren und entscheiden, ob und unter welchen Hygienebedingungen die Produktion weiterlaufen soll, ob sie auf andere, essentielle Produkte umgestellt werden soll, oder ob die Produktion unter Arbeiter:innenkontrolle und bei voller Lohnzahlung heruntergefahren werden soll, kann es eine Garantie geben, die Wirtschaft tatsächlich im Interesse der Arbeiter:innen und unter ihrer Kontrolle herunterzufahren und zugleich auch die kommenden Angriffe des Kapitals abzuwehren. Das ist die Perspektive der Übernahme der Kontrolle über die Produktion durch die Arbeiter:innen selber, die in Richtung der Überwindung des Privateigentums an Produktionsmitteln weist. Dazu gehört auch die Perspektive des Generalstreiks, mit dem Arbeiter:innenklasse ihre Interessen gegen Kapital und Regierung durchsetzt und somit zugleich die Machtfrage stellt, um das System zu überwinden, welches diese Katastrophe erst hervorbringen konnte.

Doch die Selbstorganisierung in den Betrieben, Schulen, Unis etc. kommt nicht von allein, sondern muss aktiv aufgebaut werden. Dafür können wir uns nicht auf die Gewerkschaftsbürokratie verlassen, die den “Burgfrieden” mit der Regierung aufrecht erhält und sich aktuell ganz konkret gegen die Perspektive von Streiks zur Durchsetzung von Maßnahmen gegen die Pandemie stellt. Und nicht nur das: Die in den vergangenen Jahrzehnten von Kapital und Regierung durchgesetzte Vereinzelung und Zersplitterung haben die Bürokratien der Gewerkschaften mitgetragen und selbst mit durchgesetzt. Die Aufgabe der Selbstorganisierung ist somit untrennbar damit verbunden, die Bürokratien zu überwinden und sie aus den Organisationen der Arbeiter:innen herauszuwerfen.

Zugleich kann die Perspektive nicht dabei stehenbleiben, das Ende der Pandemie durchzusetzen. Wenn sie nicht kurzsichtig bleiben will, muss sie die Verteidigung gegen die Angriffe wie in Form von einer möglichen Rentenreform oder von Entlassungs- und Schließungswellen im Anschluss der Pandemie, wie sie sich jetzt schon abzeichnen, beinhalten.

Das heißt, es reicht nicht, sich in den Betrieben zu organisieren, um das Herunterfahren der nicht-essentiellen Produktion durchzusetzen, sondern um sich darauf vorzubereiten, den Kampf gegen die Folgen der Pandemiepolitik von Regierung und Kapital zu führen. Alle linken und Arbeiter:innenorganisationen müssen diskutieren, wie Schritte in Richtung einer solchen Einheitsfront zur Verteidigung gegen Pandemie und Krise gegangen werden können.
Wir schlagen allen linken Organisationen und gewerkschaftlichen Basisgruppen vor, die aktuelle öffentliche Debatte zu nutzen und in den Betrieben, Schulen und Universitäten Komitees gegen Pandemie und Krise zu organisieren, um diese Perspektive zu diskutieren. Insbesondere richten wir diesen Vorschlag an die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG). Nur wenn wir uns an der Basis organisieren, um den bürokratischen Führungen der Gewerkschaften und den reformistischen Parteien einen Kampfplan in der Perspektive eines Generalstreiks gegen Pandemie und Krise aufzuzwingen, kann es einen progressiven Ausweg geben.

Für eine sozialistische Perspektive!

Die Einheitsfront im Kampf gegen Pandemie und Krise kann einen Grundstein dafür legen, nicht nur zu verhindern, dass die Kapitalist:innen die Kosten auf unsere Schultern abladen, sondern auch darüber hinaus Schritte in Richtung einer eine ganz anderen – einer sozialistischen – Perspektive zu gehen. Denn die kapitalistische Profitmaschinerie ist die zentrale Ursache, warum die Gesundheitskrise (ganz zu schweigen von der Klimakrise und allen anderen Krisen, die das Leben auf diesem Planeten bedrohen) diese Ausmaße erreicht hat. Vor den Augen von Millionen von Menschen wird das jeden Tag eindeutiger.
Der Kampf gegen die Pandemie und ihre sozialen Folgen kann nur dann progressiv beantwortet werden, wenn sich die Arbeiter:innen und die Jugend in den Betrieben, Schulen und Unis selbst organisieren und den Kampf gegen die Interessen des Kapitals aufnehmen. Es kann sich nicht darum handeln, „solidarisch“ mit den Bossen eine „Pause“ in der Profitmacherei zu verhandeln. Denn wie werden wir unsere Interessen – unser Leben! – verteidigen, wenn die Bosse nicht mehr „solidarisch“ sein wollen? Wir müssen sie ihnen aufzwingen, durch Streiks, Blockaden und Besetzungen. Letztendlich müssen wir sie enteignen und die Zügel der gesamten Wirtschaft in die eigenen Hände nehmen. Eine demokratische Planwirtschaft anstelle der zerstörerischen kapitalistischen Anarchie wird jeden Tag notwendiger.

Die Initiative #ZeroCovid hat schon den immensen Wert, die bisherige Antwort von Kapital und Regierung auf die Pandemie – Menschen müssen sterben, damit die Profite weiterlaufen – mit einer völlig anderen Perspektive in Frage zu stellen: keine Profite mehr, solange weiter Menschen sterben. Diesen Impuls gilt es aufzugreifen und zu antworten: Nur wenn wir uns in den Betrieben, Schulen und Unis organisieren und selbst mittels Streiks die Kontrolle übernehmen, können wir diese Perspektive tatsächlich durchsetzen. Und das bedeutet nicht anderes als die Perspektive, die Wirtschaft mit einem Generalstreik lahmzulegen, der zugleich auch die Macht in die Hände der Arbeiter:innen legt, nicht nur diese Pandemie zu beenden, sondern die Regierung zu stürzen und das Kapital zu enteignen.

Um dies Realität werden zu lassen, braucht es auch die Perspektive eines Zusammenschlusses der revolutionären Linken, die die bürokratischen Apparate der Gewerkschaften und der reformistischen Parteien überwindet. Wir wollen eine Linke aufbauen, die die Entwicklung der Mobilisierung und Selbstorganisierung der Arbeiter:innen, der Jugend und der Massen vorantreibt, um den Gewerkschaftsführungen einen Kampfplan gegen die Krise aufzuzwingen, im Kampf für ein Übergangsprogramm und für die Perspektive der Eroberung von Arbeiter:innenregierungen auf den Trümmern dieses Regimes. Lasst uns dafür kämpfen, dass #ZeroCovid ein erster Schritt in diese Richtung wird!

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