Wohin rollt der Zug für gesellschaftliche Veränderungen? Zum Debakel der SPD

07.02.2018, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen liegen seit heute vor. Für die Mitglieder der Gewerkschaften ist das eine große Enttäuschung. Doch die Spitzen der Gewerkschaften loben die SPD. Es wird Zeit, den Kessel einzuheizen und den Zug auf eine andere Schiene zu legen.

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Nach der desaströsen Niederlage bei den Bundestagswahlen und dem 1. Akt des Schmierentheaters bei der Regierungsfindung hat sich die SPD nun zum Hauptakteur und „dummen August“ der darauf folgenden Akte machen lassen. Vollmundige Versprechen und Ansagen wechseln sich nun mit lächerlichen Taten und peinlichen Ergebnissen in rasanter Folge ab. Mit sich überschlagenden Stimmen verkünden SPD-Spitzenfunktionär*innen den Wandel der Partei vom Handlanger des Kapitals zum Heilsbringer des Volkes mit den Worten: „Wir haben verstanden!“

Gleichzeitig wird verhandelt, bis das Volk vor Lachen ob der Ergebnisse quietscht. 8.000 zusätzliche Pflegestellen sind ein Witz, wenn man bedenkt, dass ver.di vor einem Jahr über 164.000 fehlende Stellen im Gesundheitswesen klagte. Bei circa 13.000 deutschen Pflegeeinrichtungen würde das bedeuten, dass etwas weniger als 0,6 Stellen pro Haus geschaffen werden sollen.

Die Verhandler*innen beeilen sich dabei schnell, von einem „ersten Schritt“ zu sprechen. Ist in Ordnung – aber was folgt dann, wenn die Krankenhausfinanzierung weiterhin einem undurchsichtigen und nicht nachvollziehbaren Sparzwang unterjocht wird? Gerade in Zeiten des Konjunkturanstieges und der angeblich sprudelnden Steuereinnahmen ist es absurd, Rücklagen für schlechte Zeiten bilden zu wollen, wenn der Investitionstau größer als der Himalaya ist und ohne die nötigen Gelder bald auf das Niveau des 25-Kilometer-hohen Mars-Gipfels Olympus Mons ansteigen wird.

Es ist eine absurde kapitalistische Lüge, wenn sie behaupten, Geld sparen zu müssen, weil man vorher zu viel Geld eingespart hat. Diese kranke Einsparwut wurde unter einer SPD-geführten Regierung begründet. Somit ist der Verfall der SPD historisch bedingt und längst überfällig.

Schützenhilfe für Sozialabbau

Gegründet als Arbeiter*innenpartei, ist sie schon längst nicht mehr konsequent als solche in Erscheinung getreten. Jede*r darf sich fragen, warum Sozialabbau immer unter der Federführung der Sozialdemokrat*innen vollzogen wird, während CDU/CSU und FDP, als offene Vertreter*innen der Kapitalinteressen, eher zurückhaltend agieren. Die Antwort ist einfach und naheliegend:

Sozialabbau kann den Wähler*innen nur mit den Gewerkschaften verkauft und untergejubelt werden.

Auch wenn von allen Seiten beteuert wird, Gewerkschaften wären parteipolitisch unabhängig, strafen die öffentlichen Äußerungen einiger führender Gewerkschaftsfunktionär*innen solche Aussagen Lügen. Gerade die Gewerkschaftsbosse beeilen sich bei jeder Wahl ihren Genoss*innen an der SPD-Spitze total „unabhängig“ verbale Schützenhilfe zu leisten – auf Landes- und nun wieder auf Bundesebene. Man muss in den Medien nur richtig zuhören. Auch die lächerlichen Kompromissergebnisse der GroKo-Verhandlungen werden uns nicht die SPD-Spitzenpolitiker*innen als gelungen verkaufen, sondern die Spitzenbürokrat*innen der Gewerkschaften. Ich halte jede Wette!

Sollte sich die SPD-Basis wieder bequatschen lassen und der GroKo zustimmen, ist ihr nicht mehr zu helfen. Ihre Beliebtheitswerte werden weiter sinken. Wir können uns ausrechnen, wann die SPD unter das Niveau der AfD absackt.

Ursachen des Debakels

Zum Schluss zu den Ursachen des SPD-Debakels. Was läuft denn plötzlich anders als vorher?

Die wirklich an Veränderung interessierten ehrenamtlichen Gewerkschaftsmitglieder haben das Spiel immer schon ziemlich schnell durchschaut. Aber anders als bisher laufen immer weniger resigniert davon. Der lauter werdende und betriebsübergreifende Schrei aus den Betriebsgruppen, Tarifkommissionen und anderen ehrenamtlichen Gewerkschaftsgremien hat die Basis jeder sogenannten Arbeiter*innenpartei erreicht.

Niemand dort kann und will mehr weghören oder -sehen, denn die Argumente gegen soziale Ungerechtigkeit sind weder schwer zu finden, noch allzu schnell weg zu fegen. Weder SPD-Spitzenkräfte noch Gewerkschaftsbürokrat*innenen finden ihre Ruhe. Es dampft und brodelt in allen Kesseln und das ist gut so!

Es wird Zeit, dass sich die SPD wieder auf ihre Ursprünge besinnt!

Es wird Zeit, dass Gewerkschaften bedingungslos für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen eintreten und nicht faule Kompromisse mit denen aushandeln, die sie knechten!

Der Zug für gesellschaftliche Veränderungen rollt. Alle Aktiven in diesem Land entscheiden in welche Richtung die Fahrt geht. Ob, wo und wann er wieder stoppt, bestimmen die, die den Kessel einheizen, die Weichen stellen oder die Schienen sabotieren. Lasst uns ordentlich Kohlen nach legen und dafür sorgen, das der Zug nicht aufs rechte Abstellgleis fährt. Denn dort erwartet uns nur der Gleisbremsprellbock!

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