Wird die Deutsche Bank zur europäischen Lehman Brothers?

16.02.2016, Lesezeit 8 Min.
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Seit Beginn der vergangenen Woche kamen die Befürchtungen über eine der größten Banken Europas zurück an die Börsenmärkte. Diese Befürchtungen stützen sich auf die zunehmenden Unsicherheiten der Deutschen Bank, die als „too big to fail“ angesehen wird.

Die Reaktion der Märkte, die am vergangenen Montag und Dienstag stark einbrachen, zeigt zwei Dinge. Zum einen, dass die Reinigung der Banken noch lange nicht vorbei ist. Zum anderen, dass der Finanzkrieg zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland zunimmt. Das findet in einer Situation statt, in der die Blase des fiktiven Kapitals zu platzen beginnt, wie es die enorme Entwertung an der Börse zeigt, die seit Beginn des Jahres stattfand.

Am vergangenen Montag musste die größte Bank Deutschlands den tiefsten Fall an der Börse seit sieben Jahren verbuchen. Am Tag darauf verbreitete sie die beruhigende Aussage, dass die Deutsche Bank ihre Schulden von 4,6 Milliarden Euro bezahlen kann, die sie 2014 in Form von CoCo-Bonds1 aufnahm, um ihre Kapitaldecke zu stärken. Nach dieser Ankündigung stiegen ihre Aktien (und damit die Aktien der Banken in ganz Europa) am Mittwoch wieder stark an. Doch die Sorgen um die Riesenbank sind noch lange nicht verschwunden. Das geht soweit, dass „die Märkte“ an den Rückzahlungsfähigkeiten der risikoreichen Schuldscheine zweifeln. Ein Zeichen davon ist die hohe Nachfrage nach Kreditausfallversicherungen, deren Preise sich alleine in diesem Jahr verdoppelten, während die Deutsche-Bank-Aktie fast die Hälfte ihres Wertes verlor und sich heute auf historisch niedrigen Werten befindet.

Eine besondere Konferenz

Die Aktien der Deutschen Bank erreichten letzte Woche ihre niedrigsten Werte seit 30 Jahren. Die Verluste an den Finanzmärkten und die Besorgnis über die Weltwirtschaft führten zu einer „Flucht in Quailität“ (zum Beispiel zu den stabilen deutschen Staatsanleihen) führten. Deshalb verkündete der Vorsitzende der Deutschen Bank, John Cryan, am vergangenen Dienstag, dass die Bank „felsenfest“ steht und ihre Zahlungen wie geplant stattfinden werden.

Eine ungewohnte Ankündigung in einer Bankenwelt, die versucht, alle möglichen Informationen geheim zu halten. Deshalb warfen diese Aussagen neue Zweifel auf. Nichtsdestotrotz erholten sich die Aktien am Mittwoch wieder, nachdem bekannt wurde, dass die Deutsche Bank einen milliardenschweren Anleiherückkauf erwägt, um weitere Verluste zu verhindern.

Ertragseinfall in Rekordzeit

Die deutsche Riesenbank musste im vergangenen Jahr mit 6,7 Milliarden Euro die größten Verluste in ihrer 58-jährigen Geschichte verbuchen. Damit übersteigen diese Zahlen sogar die Verluste aus dem Jahr 2008, als die Finanzkrise in vollem Gange war und die Deutsche Bank 3,9 Milliarden Euro verlor. Nach diesen katastrophalen Verkündungen nahmen die Gerüchte über ein möglichen Bankrott zu, wie sie schon 2015 immer wieder zu hören waren. Analyst*innen sagen, dass die Menge der Derivate der Bank mit Sitz in Frankfurt so weit in die Höhe geschossen ist, dass ein Kollaps droht. 67 Billionen Euro sind in zweifelhaften Finanzoperationen über die Welt verteilt – das ist 20 mal das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Deutschland (3,6 Billionen Euro). Auch andere Probleme nehmen zu: In den letzten Jahren musste die Deutsche Bank acht Milliarden Euro Strafen an die Europäische Union zahlen, da sie betrügerische Manipulationen der Leitzinssätze Libor, Tibor und Euribor vornahm. Gleichzeitig gab die größte europäische Bank laut Bloomberg in drei Jahren sieben Milliarden Euro alleine in Anwalts- und anderen Gerichtskosten für die Prozesse aus, in die sie verwickelt ist. Wirtschaftsexpert*innen fragen sich, ob diese 15 Milliarden Euro aus Anwaltskosten und Strafzahlungen ein Teil der Flucht nach vorne sind, die die Deutsche Bank anstrebt. Es ist außerdem klar, dass weder der deutsche Staat noch die Europäische Union dazu bereit wären, sie fallen zu lassen.

Der Abgas-Skandal von Volkswagen zwang den Automobilriesen zehn Milliarden Euro zu besorgen, um die Entschädigungen und Strafzahlungen leisten zu können. Die Deutsche Bank muss einen Großteil dieser Gelder bereitstellen, da die Volkswagen-Gruppe sie auf den Konten dieser Bank geparkt hatte.

In diesem Rahmen kündigte der Vorstand im vergangenen Oktober die größte Umstrukturierung in der Geschichte der Bank an. In den kommenden zwei Jahren sollen 35.000 von 75.000 Arbeiter*innen entlassen werden, die Mehrheit durch die Abtrennung von einem Teil der Bank. Damit wollen sie die „Kosten“ der Ausbeutung verringern und sich aus zehn Ländern zurückziehen.

Die Bank ist nicht so stabil wie sie scheint

Das Platzen der Blase aus fiktivem Kapital verursacht erste Kosten. In den vergangenen Jahren der Börsen- und Finanzspielereien war eines der wichtigsten Instrumente zur Stärkung ihrer Kapitalbasis die sogenannten CoCo-Bonds, die wir schon oben erwähnten. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) spielte eine wichtige Rolle in der Verbreitung dieser Praxis, um die Bilanzen aufzubessern. Diese Hoch-Risiko-Bonds verbreiteten sich mit großem Erfolg in der ganzen Welt – in einer Situation, in der die Investor*innen ihre Erträge angesichts niedriger Zinssätze sichern wollten und von der Stabilität der Banken und ihrer Reinigung nach der Krise 2007/08 ausgingen. 2011 brachte sie Bonds in Höhe von zehn Milliarden Euro aus, deren Ertragsrate auf bis zu zehn Prozent kam. Damals erschien es ein sicherer Handel und das Risiko der Nichtszahlung gering. 2015 wurden mehr als 70 Milliarden Dollar mit einer Ertragsrate ausgegeben, die nicht einmal die vier Prozentpunkte überschritt. Doch der Beginn einer neue Phase der weltweiten Krise verwandelte die CoCo-Bonds schnell in Produkte, welche die Besitzer*innen schnell loswerden wollten, da sie einen Totalausfall der Investition bedeuten könnten.

Verschiedene Faktoren bestärken diese Situation: die Gefahr, dass die Vorzüge der Niedrigzinspolitik wegfallen (oder anders gesagt, die Realität, dass sich die Banken auf der einen Seite durch die extrem expansive Finanzpolitik der Zentralbanken billig finanzieren können, aber der Einfluss der Darlehen bei den niedrigen Preisen viel größer ist und dadurch ihre Gewinne stark nachlassen können); die Notwendigkeit einer Rekapitalisierung, um kommende Krisen zu verhindern; und besonders die zunehmende Verlangsamung der Weltwirtschaft, die Banken besonders hart trifft, die in den falsch als Schwellenländern bezeichneten Ländern wachsen wollten.

In diesem Rahmen musste nicht nur die Deutsche Bank, sondern auch ihre europäischen Kontrahent*innen wie die Credit Suisse oder Barclays, Verluste an der Börse verbuchen, da sich Investor*innen in einem schlechten wirtschaftlichen und finanziellen Panorama absichern wollen. Besonders die italienischen Banken, die eine Säumnisrate von bis zu 16 Prozent besitzen, halten sich nur künstlich durch einen instabilen Rettungsplan von Premierminister Matteo Renzi aufrecht, der gegen den Bankenrettungsmechanismus verstößt.

Ein neues Kapitel in dem wilden Finanzkrieg zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland

Doch auch wenn all das Gesagte eine materielle Basis besitzt, ist das Fortbestehen und die Verbreitung der Gerüchte über einen Zusammenbruch einer Bank wie der Deutschen Bank ein Ausdruck des Wirtschaftskriegs zwischen Washington und Berlin. Dieser soll die Frage lösen, wer die Kosten der Wirtschaftskrise trägt, die in Bergen aus fiktivem Kapital bestehen und zum großen Teil verschoben wurden. So schrieb die US-amerikanische Citibank in einem kürzlich erschienenen Artikel, dass die Kapitalrate der Deutschen Bank weit unter der ihrer Konkurrenz ist und 2017 eine Erhöhung von 15 Milliarden Euro ihrer Kapitaldecke benötigen würde. Diese Aussagen wurden nur kurz danach von der Bank aus Frankfurt verneint.

Dieser geopolitische und finanzielle Krieg nahm besonders mit der Eurokrise zu und verschärfte sich durch den Ukraine-Konflikt noch weiter, wo das Interesse und die Möglichkeit von Deutschland deutlich wurden, sich von der geopolitischen Agenda der USA abzugrenzen. Die neue Phase der weltweiten Krise kann – im Gegensatz zu der einheitlichen Antwort der imperialistischen Mächte auf die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/08 – die Konflikte zwischen den führenden imperialistischen Ländern verstärken und damit ein wichtiges Element der Ungewissheit zur strikt wirtschaftlichen Situation hinzufügen. Es ist klar, dass die Kontrollfähigkeit der kommenden Krise wesentlich stärker infrage gestellt wird, als im Zuge der Katastrophe, die sich nach dem Fall von Lehman Brothers eröffnete.

dieser Artikel bei Izquierda Diario

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