“Wir stehen unter sehr starkem Druck” – Interview mit streikenden Reinigungskräften an der Charité

19.05.2017, Lesezeit 3 Min.
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Die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte an der Charité sind desaströs. Sie sind beim Tochterunternehmen Charité Facility Management (CFM) angestellt und haben keinen Tarifvertrag. Deswegen befinden sie sich jetzt im Streik. Ein Interview mit den Streikenden Fatma Solmaz und Nurgül Yalçın (Namen geändert).

Wie sind die Arbeitsbedingungen bei der CFM?

Fatma Solmaz: Fast alle Kolleg*innen arbeiten in Teilzeit und bekommen sehr wenig Lohn. Bevor das Charité Facility Management (CFM) gegründet wurde, arbeiteten an einer Station mindestens zwei Reinigungskräfte. Jetzt arbeitet jeweils nur ein Mensch mit höherer Arbeitsbelastung, die durch zusätzliche Aufgaben entsteht. Die Desinfektionsreinigung, die früher immer von ausgebildeteten Desinfektor*innen gemacht wurde, müssen wir jetzt manchmal als Reinigungskräfte selbst machen.

Vor Jahren arbeiteten sogar vier Angestellte bei einer Station. Durch die Sparpolitik haben sie viele Kürzungen gemacht. Immer dasselbe: sparen, sparen, sparen…

Nurgül Yalçın: Vor einem Jahr haben wir an fünf Arbeitstagen pro Woche jeweils acht Stunden gehabt. Jetzt haben wir an sechs Arbeitstagen jeweils sieben Stunden. Wenn man es ausrechnet, haben wir dadurch mindestens drei Urlaubstage weniger.

Sie sagen, dass am Wochenende nur eine “Sichtreinigung” gemacht werden soll. Das bleibt aber natürlich nur in Worten. Man kann nicht “halb” oder “unvollständig” reinigen. Wochenende ist deswegen auch ein ganz normaler Arbeitstag.

Fatma Solmaz: Es ist unmöglich mit unzureichendem Personal die Hygienefaktoren und unsere Gesundheit aufrechtzuerhalten. Viele von uns haben Muskel- und Rückenprobleme. Wir brauchen mehr Personal.

Wie reagieren die Chef*innen auf Ihre gesundheitlichen Probleme?

Nurgül Yalçın: Unsere Vorarbeiter*innen üben Druck auf uns, wenn wir krank werden und uns krankschreiben lassen. Sie rufen uns an und während andere Mitarbeiter*innen anwesend sind, fragen sie uns, warum wir krank geworden sind, als ob sie uns bestrafen wollen.

Fatma Solmaz: Sie wechseln unsere Arbeitsstation, wenn sie nicht überzeugt sind, dass wir wirklich krank sind, oder wenn wir für sie zu oft krank werden. Dann fängt alles von vorne an: neue Mitarbeiter*innen, neue Arbeitsstelle, neue Aufgaben… Dadurch erzeugen sie Druck auf uns. Sie sagen uns sogar manchmal, dass wir eine feste Stelle nicht wert sind oder, dass wir früher in dir Rente gehen sollen, wenn wir oft krank werden.

Nurgül Yalçın: Im Charité Campus Mitte werden Kolleg*innen mit Migrationshintergrund schlechter behandelt.

Wie läuft der Streik?

Fatma Solmaz: Wir streiken, weil wir einen Tarifvertrag mit den gleichen Bedingungen wollen, die für Charité-Beschäftigten gelten. Damit können wir mehr Sicherheit und Rechte haben.

Nurgül Yalçın: Viele kommen nicht zum Streik, weil sie Angst haben, dass sie ihren Job verlieren oder, dass sie an eine andere Station verlegt werden. Es gibt sehr viel Druck. Die Gewerkschaft muss mehr Arbeit leisten. Viele unserer Kolleg*innen haben vom Streik heute erfahren. 8 Uhr ist für die Streikposten viel zu spät. Viele fangen schon um 5:30 an zu arbeiten. Die Gewerkschaft muss die Arbeiter*innen sammeln, ihnen ihre Rechte erklären und Mut geben.

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