Wien nach Terroranschlag im Ausnahmezustand

03.11.2020, Lesezeit 4 Min.
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Foto: andynash

Gestern Abend fielen Schüsse in der Wiener Innenstadt, fünf Tote sind bestätigt. Die Stadt ist im Schock, der Ausnahmezustand hält an.

Gestern Abend schoß eine Person in der Wiener Innenstadt auf Personen, bestätigt sind bislang fünf Tote — darunter der von der Polizei erschossene Täter — und mehrere Verletzte, sieben davon wohl lebensbedrohlich. Der Anschlag fand in der Nähe der Wiener Hauptsynagoge statt.

Die Stadt ganze Stadt befindet sich im Schockzustand, Entwarnung wurde aktuell noch nicht gegeben, denn die Polizei kann die Existenz weiterer Täter, die noch aktiv werden könnten, noch nicht ausschließen. Deswegen ist die Wiener Bevölkerung weiterhin dazu angehalten ihre Wohnungen nicht zu verlassen, die Schulpflicht ist vorübergehend aufgehoben.

Der Täter ist nach Angaben des Innenministeriums ein 20-jähriger Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln, der zuletzt eine Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation absitzen musste. Er hatte versucht nach Syrien auszureisen um sich dem Islamischen Staat anzuschließen.

Eine Welle des islamistischen Terrors?

Der Anschlag findet sich wieder in einer Reihe ähnlicher Angriffe: Der Ermordung eines Lehrers am 18. Oktober in Paris, der Angriff auf einen Gottesdienst in Nizza am 30. Oktober und die Anschläge auf einer Schule am 25. Oktober und auf eine Universität in Kabul am 2. November, bei denen mindestens 22 Menschen getötet wurden.

Schon jetzt laufen die Debatten, ob „der Islam” und Menschen aus mehrheitlich islamischen Ländern Teil der europäischen Gesellschaften sein können.Der Anschlag wird von bürgerlichen Parteien genutzt, um den Hass gegen Muslim:innen zu verstärken, was auch schon nach Paris und Nizza zu beobachten war. Die Methodik dieses antimuslimischen Rassismus konzentriert sich darauf Muslim:innen bzw. Geflüchteten die Verantwortung für islamistischem Terror zuzuschreiben. Doch eine Logik des „Wir gegen Die“ wird den Terror nicht besiegen – im Gegenteil.

Denn der Boden für islamistischen Terror ist ein anderer: Die extrem ausgrenzenden Migrationsregime in Frankreich, aber auch in Österreich und Deutschland machen Migrant:innen, besonders Nicht-Weiße zu Menschen zweiter Klasse. Außerdem zieht der Islamismus seine Legitimation aus den aktuellen Krisengebieten, z.B. in Westasien oder West- und Zentralafrika, eben jenen Gebieten, die durch Kriegsinterventionen imperialistischer Staaten, wie den USA, oder auch Frankreich und Deutschland, zerstört wurden.

Der Unsicherheit entgegen stellen – und zwar von links!

Die aktuelle Situation ist die vermutlich größte Krise, die unsere Generation bis jetzt erlebt hat: In der Gesundheitskrise zeigt sich, besonders im Angesicht der zweiten Welle, sehr deutlich, dass die Regierungen keine echte Antwort haben; wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930er, sowie einem sozialen und politischen Ausnahmezustand, der inzwischen seit über einem halben Jahr andauert.

In dieser Situation fallen Hetze und rechte Agitation auf fruchtbaren Boden. Bürgerliche schließen sich dieser Antwort von Rechts an und schwafeln von der Verteidigung demokratischer Werte. Dass das leere Worte sind und letztendlich wirkungslos, haben sie in den vergangenen Monaten und Jahren bewiesen, sei es im Umgang mit dem NSU, den Anschlägen von Halle, den Bedrohungen durch rechte Strukturen in Staatsorganen oder dem Schutz vor Islamistischen Terror.

Eine echte, eine wirksame Antwort gegen den Terror, sowohl von weißen Nationalist:innen als auch von Islamist:innen, kann nur von den Arbeiter:innen ausgehen. Aktuell werden wir anhand künstlicher Linien wie Religion oder vermeintlicher Herkunft oder Ethnizität gespalten. Das sollten wir uns nicht aufzwingen lassen.

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