Wie wir gegen Prohibition kämpfen können

07.10.2016, Lesezeit 5 Min.
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Die Aufklärung hat eine lange Tradition unter progressiven Köpfen. Der bekannte Junghegelianer und Philosoph Ludwig Feuerbach glaubte mit Aufklärung die Menschen von dem Irrglaube der Religion zu befreien. Er scheiterte. Religionen spielen weiterhin in weiten Teilen der Welt, auch in der westlichen Hemisphäre, eine wichtige Rolle. Selbst in Deutschland werden Opfer einer Vergewaltigung von katholischen Krankenhäusern abgewiesen, da diese die postkoitale Empfängnisverhütung, umgangssprachlich die Pille danach, mit Mord gleichsetzen.

Genauso wie Feuerbach ignorieren die Gegner*innen der Prohibition in der SPD die wirtschaftlichen Interessen. Ein Verbot kam noch nie wegen mangelndem Wissen zustande. Auch gegen die Dampflokomotive hatten nicht wenige Teile der Bevölkerungen Bedenken. Dennoch schritt der Ausbau des Schienennetzes unaufhaltsam voran, denn das städtische Bürger*innentum konnte nun ihre Waren mit deutlich weniger Kostenaufwand transportieren.

Die Situation in Deutschland

In Deutschland besitzt die Pharmaindustrie einen besonderen Stellenwert. Das zeigt die Übernahme von Monsanto durch den deutschen Pharmakonzern Bayer, mit einem Jahresumsatz von mehr als 46 Milliarden Euro eines der größten DAX-Unternehmen. Das die Pharmaindustrie auch weiterhin eine Legalisierung verhindern möchte beweist die Spende eines US-amerikanischen Pharmakonzerns von einer halben Millionen US-Dollar an eine legalisierungskritische Organisation im Bundesstaat Colorado, der als Vorreiter der Legalisierung gilt. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass deutsche Pharmaunternehmen gegenüber THC anders eingestellt sind.

Bürgerliche Politiker*innen verfügen kaum über sachliche Argumente, um die Prohibition zu rechtfertigen. Dennoch bleiben repressive Gesetze aktiv. Der Staat, als Instrument der bürgerlichen Klasse, blockiert ganz bewusst die Legalisierung. Schließlich profitieren auch Kapitalist*innen davon, dass die Situation der Arbeiter*innen so prekär ist. Gleichzeitig können Menschen willkürlich kriminalisiert werden, da wohl schon jede*r mal in Kontakt mit verbotenen Substanzen gekommen ist. Beispielhaft dafür ist die Enthüllung des ehemaligen Nixon-Mitarbeiters John Ehrlichmann. Laut ihm war der „Krieg gegen die Drogen“ nur ein Vorwand, um die Hippy- und Black-Power-Bewegungen zu kriminalisieren.

In Deutschland dient die Prohibition aktuell der Kriminalisierung und Ausweisung von Migrant*innen. Dazu berichtet das Selbsthilfenetzwerk JES (Junkies, Ehemalige, Substituierende):

„Es handelt sich in jedem Fall um mehrere hundert Personen im Jahr allein in die Türkei und nach Italien. Eindeutig läßt sich eine verstärkte Tendenz zur Ausweisung in Baden-Württemberg und Bayern beobachten, was den möglichen Ermessensspielraum und die Willkür der Ausländerbehörden verdeutlicht.“

JES nennt auch Fälle von jungen Menschen, die zwar in der BRD geboren und aufgewachsen sind, aber dennoch ausgewiesen wurden. Grundlage dafür waren Verstöße gegen das BtMG. Rassismus war auch die treibende Kraft zur Kriminalisierung von Cannabis in den USA. Der amerikanische Polizist Harry J. Anslinger warb mit rassistischen Parolen für ein Verbot. Mit Aussagen wie „Cannabis lässt Schwarze denken, sie wären so gut wie Weiße“ und „Der Hauptgrund, Marihuana zu verbieten, ist sein Effekt auf die degenerierten Rassen“ versuchte er, die Menschen zu überzeugen. Das macht es so besonders verlogen, in der SPD für eine Aufhebung der Prohibition zu werben. Diese Partei arbeitet ganz bewusst mit rassistischen Vorbehalten, um ihre Abschiebepraxis zu rechtfertigen und Migrant*innen unter der ständigen Drohkulisse der vorübergehenden Duldung an der kurzen Leine zu halten, damit diese ja nicht anfangen für ihre Interessen zu kämpfen. Regionen der westlichen Welt, in denen Cannabis als Genussmittel legalisiert wurde, gehören nicht zu den wirtschaftlichen Zentren. Im US-Staat Colorado und in den Niederlanden dominieren der Anbau und Abbau natürlicher Produkte und der Handel, während kleinere Kaufleute von der Legalisierung profitieren. In beiden Gegenden hat sich eine breite Palette von Läden etabliert, die sich auf den Vertrieb von Produkten zum Cannabis-Konsum spezialisiert haben. Auch in Griechenland, wo die neoreformistische Syriza regiert, wäre eine Legalisierung vorstellbar, um z.B. den Tourismus anzukurbeln.

Mit wirtschaftlichen Argumenten gegen die Prohibition

Auch wenn gewisse Teile der bürgerlichen Klasse wirtschaftliche Vorteile durch eine Legalisierung hätten, ist es für große Teile der Jugend und der Migrant*innen, die von der Prohibition am stärksten betroffen sind, kein Grund sich mit diesen gemein zu machen. Von einer Legalisierung im Sinne bürgerlicher Schichten würden sie nur bedingt profitieren. Zwar könnten sie nun einfacher entsprechende Produkte erwerben, aber wären auch weiterhin von hohen Preisen und schlechten Arbeitsbedingungen betroffen. Unser Kampf muss deswegen über die Anerkennung als Konsument*innen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft hinausgehen.

Was wir brauchen ist eine gänzliche andere Perspektive als die derer, die nur an unserem Konsum verdienen wollen. Nur eine Bewegung, die eine Legalisierung sämtlicher psychoaktiver Substanzen und die Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle der kompletten Genussmittel- und Pharmaindustrie zum Ziel hat, kann die Bedürfnisse der Jugend und der Arbeiter*innen befriedigen. Zusätzlich benötigen wir eine radikale Arbeitszeitverkürzung und überall gute Arbeitsbedingungen für alle, um das Geld und die Zeit zu haben, all die Substanzen zu konsumieren die uns die Prohibition aktuell verwehrt.

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