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Goodyear Fulda: „Wie ein Schlag in die Magengrube“

Der Reifenhersteller Goodyear will in Fulda die Hälfte der aktuellen Arbeitsplätze abbauen und diese unter anderem in Slowenien ansiedeln. Ein Beschäftigter teilte uns seine Perspektive mit.

Goodyear Fulda: „Wie ein Schlag in die Magengrube“
Foto: EBASCOL / shutterstock.com

Am 1. Juni verkündete Goodyear den Abbau von 550 Arbeitsplätzen in Fulda. Das betrifft jeden zweiten Arbeitsplatz. Es war an diesem Tag für mich, wie auch für meine Arbeitskollegen und -kolleginnen, wie ein Schlag in die Magengrube. Die Begründung der Verantwortlichen: Schlicht und einfach. Der Standort Deutschland ist zu teuer.

Man hat sich beim Abbau für Fulda und nicht für Hanau entschieden, da Hanau über neuere Maschinen verfüge. Ich möchte jetzt keinen Keil zwischen Fulda und Hanau treiben. Ich arbeite gerne mit den Kollegen aus Hanau zusammen und es wäre ebenfalls schlimm, wenn es die Hanauer erwischt hätte.

Fulda und Hanau haben vor drei Jahren schon viele Mitarbeiter abbauen müssen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Das muss in der Chefetage aber in Vergessenheit geraten sein, da es für Fulda erneut zum Stellenabbau kommt.

Wir in Fulda haben alles daran gesetzt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ich selbst habe bei Verbesserungen mitgewirkt, bei denen über 500.000 Euro in einem Jahr eingespart und zudem noch über 200 Tonnen Kunststofffolie eliminiert wurden – in der heutigen Umweltpolitik ein ganz wichtiger Faktor. Zurzeit arbeiten wir an der Reduzierung von weiterer Folie, was uns in drei Monaten schon circa 30.000 Euro eingespart hat und einige Tonnen an Kunststoffabfall. Alle Mitarbeiter haben sofort bei dem Projekt mitgemacht, was ich nicht für möglich gehalten habe. Eine ganz tolle Leistung, von allen Beteiligten.

Aber das wird leider nicht gewürdigt oder in Betracht gezogen. Mich persönlich zieht das herunter. In Fulda hat sich nach dem letzten Stellenabbau sehr viel zum Positiven gewandelt. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Großkopferten darüber mal Gedanken machen würden.

Wenn die Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlagert werden und wir dadurch unsere Arbeitsplätze verlieren, da stellt sich für mich die Frage: Wer soll dann in Deutschland ohne vernünftiges Einkommen, hochwertige und teure Reifen von Goodyear kaufen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Reifen aus dem Werk in Slowenien hier günstiger angeboten werden als bisher. Die Profitgier der Chefetage wird bleiben.

Ich bin 35 Jahre gerne zur Arbeit gekommen. Ich habe Goodyear also viel zu verdanken. Mein Lohn kam immer pünktlich und auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld musste ich nie verzichten. Ich habe in dieser Zeit auch sehr viel tolle Menschen kennengelernt, sowohl in der Firma als auch von Zulieferfirmen. Das Arbeiten hat richtigen Spaß gemacht.

Aber was jetzt läuft ist eine Schweinerei und mit Worten nicht zu beschreiben.

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2 thoughts on “Goodyear Fulda: „Wie ein Schlag in die Magengrube“

  1. Ibins sagt:

    Ich bin erst „28“Jahre dabei kann mich meinem Vorredner nur anschließen unsere Bemühungen Abfälle zureduzieren und Geld und Ressourcen oeinzusparen
    War und ist immernoch eine Herzensangelegenheit bin gespannt was unsere Politik am 03.07 bei der öffentlichen Information Veranstaltung vor dem Drehtor sagen wird oder ob es wieder nur hohle Fräasen sein werden wie von unserem Wirtschaftsminister der mehr für andere Staaten übrig hat wie für Deutschland
    Der mit seiner Poltik die Industrie zum Auswandern in Billiglohnländer zwingt
    Gruß ein enttäuschten und ehemals Stolzer MA aus Fulda

  2. Pawel K. sagt:

    Das wird das Anfang vom Ende der Gummiwerke in Fulda sein: Ein Tod auf Raten. Damit verschwinden schon wieder sog. Regelarbeitsplätze (mit Tarifbindung, Betriebsrat, zusätzl. Sozialleistungen) in Osthessen. Ich denke nur an Babcock-BSH und Siemens in Bad Hersfeld oder an das Wella-Werk in Hünfeld. Stattdessen sprießen überall Logistikdienstleister aus dem Boden (Amazon/Hersfeld, Hermes/Friedwald, Tegut in Hünfeld) mit jeder Menge Billig-Jobs. Ich möchte orakeln, daß auf dem Gelände der Gummiwerke auch irgendwann in naher Zukunft ein mit Steuermitteln aufgepäppelter Gewerbepark entsteht. Dort siedeln sich dann „Start-Ups“, – besser: kleine Klitschen -, an, die nichts anderes als Beschäftigung im Niedriglohnsektor anbieten. Und nach 45 oder 50 Jahren Arbeit reicht es noch nicht einmal für eine Rente auf Sozialhilfniveau.

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