Deutschland

Wer waren die Besetzer*innen auf der Bühne der Rosa-Luxemburg-Konferenz? [mit Video]

Am Abend vor der LL-Demonstration wird die Bühne der Rosa-Luxemburg-Konferenz besetzt. Die Besetzer*innen fordern Solidarität mit den Arbeiter*innen und den fortschrittlichen Teilen der Gesellschaft im Iran. Gegen das islamische Regime. Mit dem Abspielen von "Die Internationale" versuchen die Veranstalter*innen sie von der Bühne zu bekommen.

Wer waren die Besetzer*innen auf der Bühne der Rosa-Luxemburg-Konferenz? [mit Video]

Der Applaus für die letzte Rede ebbt gerade ab, die nächste wird angekündigt. Auf einmal stehen gut zwei dutzend Menschen auf der Bühne, entrollen ein Transparent: „Nan, Kar, Azadi – Solidarity with resistance of oppressed in Iran“ und fordern das Mikrofon. Sie bezeichnen sich als revolutionäre Marxist*innen und wollen auf die Dringlichkeit der Solidarität mit den Protesten im Iran hinweisen.

„Wir müssen über das Verständnis vom Anti-Imperialismus reden”, so Narges Nassimi, eine der Redner*innen. Weltweit berichteten die Medien in die letzten Wochen über die Proteste im Iran, auch in Deutschland. Das Internet wurde zeitweise gesperrt, Studierende verfolgt, Menschen erschossen. Seit Wochen sind immer wieder tausende Arbeiter*innen auf der Straße. Die Demonstrierenden fordern Brot, Arbeit und Freiheit. Sie streiken! In einem Land, in dem Gewerkschaften verboten sind, stellen organisierte Arbeiter*innen Forderungen auf. Aber anstatt diese Forderungen aufzugreifen, gibt es teils offene Unterstützung für das islamische Regime und Theorien, die die Proteste allein auf westliche Einflussnahme reduzieren. „Aber das“, so Nassimi weiter „ist fatal.“ Zum einen sei eine Unterstützung des islamischen Regimes völlig indiskutabel. Repression durch Behörden als Selbstbewusstsein zu verkaufen, könne man fast schon als Beihilfe zum Mord verstehen. Zum anderen reden auch die bürgerlichen und regimetreuen Medien im Iran von ausländischen Agent*innen. „Das fördert nur den nationalistischen Kontext im Iran. Teheran bleibt mörderisch und neoliberal. Unsere Aufgabe als Marxist*innen in Deutschland ist es, die Forderungen der Unterdrückten und Ausgebeuteten weiter zu tragen, sich mit ihnen solidarisch zu zeigen.“ Die Menschen auf den Straßen Irans fordern die Verbesserung ihrer materiellen Grundlage. „Diese Menschen müssen wir als handelnde Sujekte im Klassenkampf wahrnehmen, das ist unser Fokus. Nicht die rivalisierenden, bürgerlichen Blöcke.“

Nassimi, selbst vor vier Jahren aus dem Iran geflohen, kann die dortige Situation gut einschätzen. Auch sie stand 2009 auf den Straßen und Plätzen, forderte mehr Freiheiten. Als Frau, Kurdin und Marxistin gehört sie zu dem Teil der Bevölkerung, der ständigen Repressionen ausgesetzt war und immer noch ist. Die sogenannte „Grüne Revolution“ verlieh Hoffnung, zumal eine Lockerung der Sanktionen im Raum stand. Von dieser profitierten bisher allerdings nur die Besitzenden. Und so steht sie nun auf dieser Bühne in Berlin.

Der größte Saal der Konferenz ist auch gut gefüllt, die Stimmung allerdings merklich angespannt. Die Veranstalter*innen lassen die Gruppe der Aktivist*innen zunächst weitestgehend in Ruhe, die Security stellt sich gar schützend mit dem Rücken zu ihnen. Während sich im Publikum die Ersten spontan aus den Sitzen erheben, den Besetzer*innen in Solidarität die Faust entgegenstrecken, pfeifen Andere und murmeln verschwörerisch von CIA und Co. Auf der Bühne wird mit „Hoch die internationale Solidarität!“ geantwortet. Wohl wissend, dass ihnen das Mikrofon abgestellt werden könnte, haben sich die kurdischen und iranischen Bühnenbesetzer*innen einen eigenen Verstärker mitgebracht. Sie haben Reden in drei Sprachen vorbereitet: Englisch, Farsi und Deutsch. Das verschafft den fleißigen Dolmetscher*innen der Konferenz eine wohlverdiente Verschnaufpause, zeigt aber auch den Internationalismus, dem sich die Aktivist*innen verpflichtet fühlen. Wer sich hinter die Forderungen von Regionalmächten wie den Iran stelle, der mache den Feind des eigenen Feindes zum Freund. „Das ist kein Anti-Imperialismus, das ist bürgerlicher Pragmatismus!“, ruft Nassimi von der Bühne und erntet Applaus.

Man merkt Nassimi und ihren Mitstreiter*innen ihre Entschlossenheit an. Der Schritt, auf die Bühne der Konferenz zu kommen, ist auch den hiesigen Umständen geschuldet. „Die deutsche Linke hat gar kein Vertrauen an die Kraft der Arbeiterklasse. Weder in Deutschland noch im Iran. Daher werden ihre Kämpfe, Auseinandersetzungen und Aufstände völlig unterschätzt.“ Dementsprechend hielt sich auch die Unterstützung in Deutschland trotz der Berichterstattung in Grenzen. Eine Welle der Solidarität hätte zumindest für eine Verschnaufpause im Kampf gegen die politische und wirtschaftliche Elite Irans bedeuten können. Das Land am Kaspischen Meer ist nämlich alles andere als unwichtig für die deutsche Wirtschaft. „Die Teilnahme deutscher Konzerne an der wirtschaftlichen Entwicklung des Irans bedeutet in unserem Alltag die Foltergeräte und die Ausbeutung als billige Arbeitskräfte.“ Ein Satz, der ausgesprochen wie ein Stich wirkt. Er macht mit einem Mal sehr klar, warum revolutionäre Marxist*innen immer sowohl die einzelnen Auseinandersetzungen wie auch die globalen Zusammenhänge im Auge behalten müssen. Doch er geht unter, in einer sich selbst karikierenden Aktion der Veranstalter*innen, die scheinbar um ihren eigenen Zerfall wissend „Die Internationale“ abspielen, wie um sich von der eben gehörten Kritik mit letzter Kraft rein zu waschen. Viele der Anwesenden stimmen mit ein.

Denkt man genauer darüber nach, ist das schon ein starkes Stück. Das ist einer Konferenz unwürdig, die nach der unvergleichlichen Rosa Luxemburg benannt ist. Auf eine Konferenz im Namen des Internationalismus kann ein Regimevertreter Chinas nahezu unangefochten über die „Zusammenarbeit“ mit afrikanischen Staaten referieren. Iranische Marxist*innen aber, die sich eine Bühne nehmen, weil ihnen vom deutschen Chauvinismus keine Bühne gegeben wird, werden mit dem Singen der Internationalen von eben jener gejagt.

Unten vorm Haupteingang stehen wenig später alle „Ruhestörer*innen“ beisammen. In ihrer Bewertung sind sie sich einig: die Aktion war ein Erfolg, allenfalls das Mikro sei ein bisschen zu leise gewesen. Wie es jetzt weitergehe? Lächelnd antwortet Narges Nassimi: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Morgen sehen wir uns auf der Demo!“


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6 thoughts on “Wer waren die Besetzer*innen auf der Bühne der Rosa-Luxemburg-Konferenz? [mit Video]

  1. Peter W. sagt:

    „Als Erfolg“ Welcher erfolg? Ihr habt gespalten! Ich muss jetzt mitansehen wie Genossen sich streiten und auseinander gehen.. Erfolg.. Ist es euer Ziel gewesen das alle sich nurnoch streiten? Dann habt ihr in der Tat einen Erfolg erzielt denn keiner Reded mehr über Inhalte oder die Konferenz es wird nurnoch gestritten und umsichgetreten! Es ist unfassbar traurig! Wer in diesen Zeiten noch mehr Spaltet hat den Ernst der Lage nicht erkannt. Einfach nur traurig..

    Und an KgK – Ich finde euren Beitrag zudem sehr unreflektiert und es liest sich als wäre diese Aktion von euch ausgegangen. Ich betone nochmal wie unfassbar spaltend und ablenkend von Inhalten ein solches Vorgehen war.

    Und dann der JungenWelt an anderer Stelle im Netz vorzuwerfen sie wären für das Iranische Regime ist so krass das mir der Becher aus der Hand gefallen ist. Was denkt ihr euch?

    Und nur um das mal klarzustellen ich gehöre nicht zur Konferenz oder der jW – Ich bin einfach nur so empört und traurig über das was jetzt am ende der RSK steht.. Spaltung und Streit.

  2. Peter W. sagt:

    Die Vorwürfe gegen KgK ziehe ich zurück da es ja ein Beitrag des „offenen Forums“ war – sorry das habe ich übersehen.

  3. Akbar sagt:

    liebe genossInnen
    es war klasse von euch, super gemacht. es wäre besser für nächste aktion zu erst konkrete förderung sichtbar machen .durch viel polemische diskussion leider verloren gegangen. konkret an rosaluxemberg konfrenz:
    -sofortigen freilassung allen politische gefangenen(mindesten dort delegation zu bschicken , gefangenen arbeiteraktivist wie reza shehabi und anderen besuchen)
    – keine technologieexport zu unterdrückung
    solidarische Grüße
    Akbar

  4. shah ghooli sagt:

    Tell them to f*** off.
    This is a „Konfernz“ NOT a ZOO!!

  5. Nora sagt:

    Danke Peter W. für deinen Beitrag, der es ziemlich genau trifft!! Tatsächlich denke ich, dass die Kritik nicht nur an die abstrakten „iranischen revolutionären Marxist*innen“ (wie passend, dass es sich nicht um eine greifbare politische Gruppe sondern um Einzelpersonen handelt) gerichtet werden muss sondern explizit an KgK, die offensichtlich diese Aktion unterstützt haben (oder hatten sie zufällig ein Videoteam dabei?).

    Die unkritische Berichterstattung zeugt von der Ignoranz des Autors und der Redaktion a) zu den komplexen Dynamiken der damaligen Proteste im Iran und b) zu den komplexen Politiken der iranischen Linken in Deutschland, die mindestens ebenso gespalten ist wie die Deutsche Linke.

    1. Es waren einige Menschen die sich als „iranische revolutionäre Marxist*innen“ bezeichnen. Hier gibt es keine Allgemein-Repräsentation für DIE „iranischen revolutionären Marxist*innen“. Hier muss aufgepasst werden.

    2. „Auf eine Konferenz im Namen des Internationalismus kann ein Regimevertreter Chinas nahezu unangefochten über die „Zusammenarbeit“ mit afrikanischen Staaten referieren. Iranische Marxist*innen aber, die sich eine Bühne nehmen, weil ihnen vom deutschen Chauvinismus keine Bühne gegeben wird, werden mit dem Singen der Internationalen von eben jener gejagt.“

    Welcher deutsche Chauvinismus? Sagt uns wer, die Deutschen von KgK? Oh Leute…

    Ja, es ist ein absoluter Upfuck, dass wem von der KP China eine Bühne gegeben wird von einer Redaktion, die sich marxistisch nennt. Habt ihr dies kritisiert KgK? Könnt ihr euren E-Mail Verkehr mit der jW dazu bitte transparent machen? Das wäre spannend!

    Ich schlüssele die Fragen von Peter nochmal auf, und knüpfe auch an Akbar an (Fragen gehen an die „iranischen revolutionären Marxist*innen“ sowie an KgK:

    a) Habt ihr die diversen Artikel zu den Protesten im Iran in der jW ALLE gelesen? Es gibt durchaus verschiedene Perspektiven von verschiedenen Autor*innen. Die jW ist kein Monolith und nach wie vor eine wichtige marxistische Zeitung. Als Mensch der wissenschaftlich zum Iran arbeitet sehe ich eine differenziertere Berichterstattung, wenn ich auch mit dem Zitieren der reformistischen Tudeh Partei genauso wenig mitgehen wie mit den Stimmen innerhalb der jW die tatsächlich eine anti-imp. Querfront vertreten (siehe auch Syrien zB). Da gibt es aber auch unterschiedliche Stimmen und viele interne Diskussionen, die auch in der Vielfalt im Blatt abgespiegelt werden. Lest das mal nach bevor ihr unkritisch solche zerstörerischen Aktionen unterstützt!

    b) Inwieweit wurde ein Dialog mit der jW gesucht? Habt ihr Artikel eingereicht, die dann zensiert oder nicht gedruckt wurden? Habt ihr einen Redebeitrag auf der Konferenz bei der Orga angemeldet? Wurde euch dies verwehrt; wenn ja, unter welcher Begründung?

    Sowohl für mich als auch für Genoss*innen die vor Ort waren auf der Konferenz, hat diese Aktion uns peinlich berührt und Ärger ausgelöst. Worum geht es diesen „iranischen revolutionären Marxist*innen“? Worum ging es KgK mit ihrer unkritischen Unterstützung? Es scheint mir, dass sich hier mal wieder Deutsche Marxist*innen aufgrund eines unkrtisches „Internationalismus“ Spielball einer aktionistischen und Feuerwehr-Politik einiger Einzelpersonen gemacht haben (viele der Einzelpersonen sind ja in Berlin für so eine Politik bereits bekannt).

    Bitte recherchiert eure Aktionen gut, auch die, die ihr als KgK unterstützt.

    Unsere Aufgabe ist es in diesen Zeiten zusammen zu kommen und in einem solidarischen und offenen Austausch zu treten. Bündnisse schmieden und einander ehrlich gegenüber treten. Das hier ist alles andere.

    Mindestens eine selbstkritische Reflexion von KgK ist nach dieser peinlichen Aktion zu erwarten. Ich hoffe sie kommt.

    1. Wladek sagt:

      Die Aktivist*innen, die diese Aktion gemacht haben, haben eine Stellungnahme dazu verfasst: http://manjanigh.com/?p=2689

      Niemand von Klasse Gegen Klasse war an der Aktion beteiligt. Wir haben lediglich Berichterstattung gemacht.

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