Was steckt hinter dem Fall des Erdölpreises, der die Finanzmärkte in die Tiefe reißt?

09.03.2020, Lesezeit 4 Min.
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Der Preis für ein Fass Rohöl ist an einem Tag um 30 % gefallen, der größte Rückgang seit dem Golfkrieg 1991. Wie erklärt sich dieser Rückgang?

Der Preis für ein Fass Rohöl ist an einem Tag um 30 % gefallen, der größte Rückgang seit dem Golfkrieg 1991. Dieser Absturz wurde zum neuen Auslöser für den Börsensturz, der letzte Woche begann. Zu dem Zeitpunkt wurde bekannt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus das weltweite Wachstum um die Hälfte drücken könnten – wenn das „optimistische“ Szenario, dass die Ausbreitung des Virus bis Mitte des Jahres eingedämmt wird, eingehalten wird. Sonst könnte der Rückgang noch viel größer sein.

Was sind die Gründe für den Rückgang des Erdölpreises?

Geringere Nachfrage aus China

Chinas Wirtschaft ist im Februar um 12% oder mehr gefallen, verglichen mit dem gleichen Monat im Jahr 2019. Wenn man bedenkt, dass die chinesische Regierung die Beschränkungen zur Eindämmung der Ansteckung aus dem Januar wieder aufgehoben hat und auch Konjunkturmaßnahmen ergreift, wird das erste Quartal des Jahres bestenfalls mit einem Rückgang enden, der das diesjährige Wachstum um einen oder mehrere Punkte verringert. Einige sagen, dass Chinas BIP in diesem Jahr nur um bis zu 2,5% wachsen könnte. Das wäre weniger als die Hälfte im Vergleich zu 2019 und nur ein Viertel von den Wachstumsraten, die China noch vor einigen Jahren hatte. Für die ölproduzierenden Länder droht diese Verlangsamung die Märkte abzuschneiden.

Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlichte heute eine nach unten gerichtete Prognose der weltweiten Ölnachfrage für das Jahr 2020. In diesem Jahr wird für 2020 eine Nachfrage von 99,9 Millionen Barrel pro Tag (bpd) prognostiziert, was einem Rückgang von 90.000 bpd entspricht – was zum ersten Mal seit 2009 ein Rückgang der Nachfrage ist. Die vorherige Prognose lag bei einem Wachstum von 825.000 bpd, was das Ausmaß der Verschlechterung verdeutlicht.

Der „Krieg“ zwischen Russland und Saudi-Arabien

Angesichts dieses Szenarios einer geringeren Nachfrage ist es der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC), die mehrere große Exporteure zusammenführt und von Saudi-Arabien angeführt wird, letzte Woche nicht gelungen, mit anderen Ländern, die nicht Mitglied des Kartells sind – vor allem Russland –, eine Vereinbarung über die Verringerung der Produktion zu erzielen. Eine Reduzierung der Produktion hätte dazu beigetragen, den Preisdruck zu verringern und eine Sättigung des Weltmarktes zu vermeiden. Russland lehnte eine weitere kollektive Reduzierung der Produktion der 23 Länder, die die OPEC plus Partner (die so genannte OPEC+) bilden, um 1,5 Millionen Barrel pro Tag ab, wie von Saudi-Arabien vorgeschlagen. Nach Angaben russischer Medien war die russische Delegation von einer weiteren Drosselung der Produktion nicht überzeugt und wollte das seit Anfang 2017 geltende Abkommen verlängern, in dem sich die OPEC+-Mitglieder bereits verpflichtet hatten, 1,2 Millionen Barrel pro Tag vom Markt zu nehmen.

Daraufhin und nach dem Scheitern der Verhandlungen beschloss Saudi-Arabien am Sonntag die größte Senkung der Barrel-Preise seit 20 Jahren.

Benzin ins Feuer für die globale Finanzlage

Die in der vergangenen Woche begonnenen Kursverluste an den Aktienmärkten haben sich am Montag verstärkt, angetrieben durch den Rückgang der Ölpreise. Die Finanzmärkte durchleben Tage wie seit 2008 nicht mehr – dem Höhepunkt der Finanzkrise, der den Beginn der Großen Rezession markierte.

Letzte Woche kündigte die US-Notenbank Federal Reserve, die Zentralbank des Landes, eine Notfall-Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte an. Weit davon entfernt, die Märkte zu beschwichtigen, wurde dieser Schritt als Zeichen dafür gewertet, dass auch die von Jerome Powell geführte Institution in Panik geriet.

In einer von Schulden belagerten Welt, in der alle „Fundamentaldaten“ seit langem Anzeichen dafür liefern, dass wir am Rande einer Rezession in den wichtigsten Volkswirtschaften der Welt stehen, werden „schwarze Schwäne“ wie der Coronavirus zum Auslöser von Schocks, die die wirtschaftliche Verschlechterung beschleunigen.

Heute hat der IWF zur Koordinierung zwischen den Ländern aufgerufen, um auf die Finanzpanik zu reagieren. In Zeiten von „Handelskriegen“ und Spannungen mit den historischen Partnern des US-Imperialismus und mit Donald Trump und seiner „America First“-Rhetorik wird es sehr viel unwahrscheinlicher, dass das US-Finanzministerium die Führung in einer koordinierten Reaktion auf einen globalen Schock übernehmen wird, wie es 2008 mit der Krise geschah, die dieses Land als Epizentrum hatte.

Dieser Artikel bei La Izquierda Diario

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