Wagenknecht: Eine Liberale im Schafspelz
In ihrem aktuellen Gastbeitrag für die "Welt" legt Sahra Wagenknecht dar, weshalb sie eine linke Sammlungsbewegung für nötig hält. Was sie fordert und was wirklich notwendig ist. Ein Kommentar.
Das Problem an Wagenknechts Ausführungen sind nicht nur ihre Hundepfeifen an ausgemachte Chauvinisten, wenn z.B. demokratische Rechte von LGBTI* und Migrant*innen als „Wohlfühl-Label“ abgetan werden. Das Problem ist auch, dass sie selbst eine Neoliberale ist, die der Sache der Arbeiter*innenklasse sehr fremd ist.
Ihre Bezugspunkte sind nicht die Forderungen der Lohnabhängigen, sondern diejenigen von bürgerlichen Liberalen wie der „Freiburger Schule“. Das ist nicht neu. Schon 2012 forderte sie ein Zurück ausgerechnet zu Ludwig Erhard, einem Todfeind der Arbeiter*innenbewegung, der selbst jede sozialdemokratische Mitbestimmung in der Wirtschaft hart bekämpfte.
Wagenknecht beendet ihren oberflächlich anti-neoliberalen Aufsatz, der sich selbst auf das neoliberale Pagadigma der Alternativlosigkeit des Kapitalismus stützt, mit:
„Wir brauchen eine neue Sammlungsbewegung: zur Wiedergewinnung der Demokratie, für Fairness im Umgang untereinander, für eine leistungsgerechte Verteilung und für eine Politik der guten Nachbarschaft im Verhältnis zu anderen Ländern.“
Sie will also „leistungsgerechte Verteilung“, eine Aussage, wie sie auch von einem Wirtschaftsboss kommen könnte! Seit Marx wissen wir, dass es nicht um „Leistungsgerechtigkeit“ geht bei der Lohnarbeit, sondern um Profit. Wir wollen keine „Fairness“, wir wollen was uns zusteht und die Bosse uns stehlen, den von uns allein erzeugten Reichtum.
Die Linke sollte stattdessen den Kampf gegen die Ausweitung der Arbeitszeit aufnehmen, wie sie in Österreich stattfindet und von den Industrieverbänden seit Langem angedroht wird. Nicht die Migrant*innen und LGBTI*, sondern die Rechten greifen die Lohnabhängigenklasse an, und Wagenknecht gibt ihnen weitere Munition dazu. Nur gemeinsame Abwehrkämpfe der Stammbelegschaften und der Prekären, der Deutschen, Migrant*innen und Geflüchteten können die Angriffe auf unseren Lebensstandard abwehren – diesen Kampf schwächt Wagenknecht.
Es gibt objektiv gemeinsame Interessen aller Lohnabhängigen, ob migrantisch oder deutsch, nämlich Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit auf alle und gute Lebensbedingungen. Es gibt objektiv keinerlei Interesse des Proletariats an dem „leistungsgerechten“ Liberalismus der Millionärin Wagenknecht.