Von Neuquén nach Athen

25.05.2013, Lesezeit 4 Min.
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// Erfahrungsaustausch zwischen argentinischen und griechischen Arbeitern über Betriebsbesetzungen //

„Das ist Kommunismus, das ist Revolution!“ sagte der neomarixstische Theoretiker John Holloway über den Navarinou-Park in Athen. Der Parkplatz im linken Stadtviertel Exarchia wurde nach den Jugendrevolten Ende 2008 besetzt. Wo ein Bürogebäude gebaut werden sollte, errichten die AnwohnerInnen stattdessen einen selbstverwalteten Park. Ob das wirklich Kommunismus ist – ob Kommunismus in einem Park überhaupt möglich ist –, darüber lässt sich streiten. Aber fest steht, dass der Navarinou-Park in den letzten Jahren zu einem Zentrum des linken Widerstandes in der griechischen Hauptstadt geworden ist.

Raúl Godoy, Arbeiter aus der besetzten Fabrik Zanon in Argentinien, sprach am Mittwoch vor 150 ZuhörerInnen Navarinou-Park. Aus der Stadt Neuquén war er gekommen, um die Erfahrungen von „FaSinPat“ (der „Fábrica sin Patrones“ oder „Fabrik ohne Chefs“) weiterzugeben. Die 450 ArbeiterInnen hatten ihre Fabrik im Jahr 2001 besetzt und produzieren seitdem Keramikfliesen in eigener Regie. Bei Zanon gibt es monatlich eine ganztägige Versammlung, auf der alle wichtigen Entscheidungen demokratisch getroffen werden. „Alle verdienen das gleiche, vom Kollegen, der den Rasen mäht, bis hin zum Präsidenten der Kooperative“, erzählte der 47jährige.

Die Gewerkschaft der BuchhändlerInnen in Athen, die am gestrigen Donnerstag einen Streik für einen neuen Tarifvertrag organisierte, da der alte im Zuge der Troika-Politik gekündigt wurde, hatte Godoy eingeladen. „Das Straßenbild in Griechenland – geschlossene Läden mit leeren Schaufenstern, Obdachlose auf Kartons, Angst in den Gesichtern – erinnert mich stark an die Situation in Argentinien im Jahr 2001“, so Godoy.

Am Vortag bei einer Veranstaltung des Netzwerkes prekär beschäftigter und arbeitsloser ArbeiterInnen, das der linken Oppositionspartei SYRIZA nahesteht, waren nicht nur Zanon, sondern auch ein Arbeiter der besetzten Baustofffabrik Vio.Me im griechischen Thessaloniki zu Gast. Die Besetzung gilt in Griechenland als illegal, doch „das Gesetz, das uns Verbrecher nennt, wenn wir unsere Fabriken besetzen, ist das gleiche Gesetz, das 27 Prozent Arbeitslosigkeit in Griechenland erlaubt“, sagte Godoy. „Das ist nicht unser Gesetz.“

Über acht Jahre lang hätten auch die Zanon-Arbeiter keinen legalen Status gehabt, doch im Jahr 2009 konnten sie dank ihrer Ausdauer die Provinzregierung zwingen, die Fabrik – einschließlich Gebäuden, Maschinen und auch die Marke – zu enteignen und der Kooperative den Arbeitern zu übertragen. „Wir haben dem alten Besitzer Luigi Zanon sogar seinen Namen enteignet“, erzählte Godoy lachend. Wenn die Gewerkschaftszentralen sich weigern, die Besetzungen zu unterstützten – was bei Zanon und Vio.Me gleichermaßen der Fall war –, dann müssen sie unter Druck gesetzt werden.

„Wir sind noch im Kindergarten, ihr seid schon in der Hochschule“, entgegnete einer der Vio.Me-Arbeiter augenzwinkernd.

Kostas Barkas, Parlamentsabgeordneter von SYRIZA, berichtete in der Diskussion, dass in Griechenland heute Tausende Fabriken stillstehen und 1,5 Millionen Menschen ohne Arbeit sind. „Wir brauchen Tausende Vio.Mes im ganzen Land“, forderte er. „Eine linke Regierung würde die autonome Selbstverwaltung der Arbeiter unterstützten.“ Godoy argumentierte, dass die Vio.Me-Arbeiter nur auf ihre eigene Kampfkraft setzen können, denn in Argentinien gäbe es eine linksgerichtete Regierung, die den Zanon-Arbeitern noch nie konkrete Unterstützung gegeben hat.

Anschließend zitierte Godoy eine Arbeiterin aus der ebenfalls besetzten Fabrik Brukman in Buenos Aires: „Wenn wir Arbeiter eine Fabrik betreiben können, können wir auch ein Land betreiben.“ Er forderte eine Regierung der ArbeiterInnen als Ausweg aus der anhaltenden Krise des Kapitalismus – in Griechenland und weltweit.

Veranstaltung mit Raúl Godoy am 25. Mai, 18 Uhr, in Berlin, IG-Metall-Haus, Alte Jakobstraße 149 (U-Bhf. Hallesches Tor)

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