Versprochen, gebrochen – Der 100-Tage-Plan von R2G

12.01.2017, Lesezeit 5 Min.
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Am Dienstag legte die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Berlin ihren 100-Tage-Plan vor. Der groß angekündigte Politikwechsel zugunsten der arbeitenden Bevölkerung bleibt aus – dafür kommt die Aufrüstung der Polizei.

Viel wurde vor und nach den Berliner Abgeordnetenhauswahlen vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller von „Politikwechsel“ und einer „Regierung auf Augenhöhe“ gesprochen. So fanden sich im Koalitionsvertrag von SPD, Linkspartei und Grünen einige wichtige Punkte, um das „Elend an der Spree“ zu beenden, auch wenn schon hier erkennbar war, dass auch weiterhin die Baumafia vor den Mieter*innen stehen würde.

Der am Dienstag von den Parteispitzen vorgestellte 100-Tage-Plan lässt wenig von dem angekündigten „Politikwechsel“ erkennen. Besonders bei der inneren Sicherheit kehrte die Regierung schnell von ihren Wahlversprechen ab und wahrt die Kontinuität zum ehemaligen Innensenator Frank Henkel. Und die angekündigten sozialen Investitionen helfen nur dabei, den kompletten Zusammenbruch zu verhindern.

Die große Botschaft des Tages war, dass aus dem vergangenen Jahr ein Haushaltsüberschuss von 1,25 Milliarden Euro entstanden ist. Davon sollen jedoch nach den Plänen des Finanzsenators Matthias Kollatz-Ahnen alleine 120 bis 150 Millionen für die Schuldentilgung an die Gläubiger zurückgezahlt werden – zusätzlich zu den 80 Millionen Euro jährlich, zu den sich Berlin im Rahmen der Schuldenbremse verpflichtet hat.

Damit wird ein bedeutender Teil des Überschusses in Form von Kreditabzahlungen an die Gläubigerbanken überwiesen. Die Schuldenbremse dient dazu, mit dem Argument der „schwarzen Null“ soziale Ausgaben im Haushalt zu kürzen und so die arbeitende Bevölkerung für die Misswirtschaft der Regierungen aufkommen zu lassen. Auch wenn die R2G-Koalition die Zügel etwas gelockert hat, verfolgt sie dieses Prinzip weiter und verwendet jährlich Millionen für Schuldenabzahlungen anstatt für Ausgaben in Bildung und das Gesundheitssystem.

Die Regierung hatte sich besonders die Umkehr in der Mietpolitik auf die Fahne geschrieben – übrig geblieben davon ist die Erhöhung der Zweitwohnsitzsteuer und die Aussetzung der Mieterhöhung im sozialen Wohnungsbau. Dabei handelt es sich bei beiden um keine Maßnahmen, die dem rapiden Mietpreisanstieg und der Gentrifizierung Einhalt gebieten könnten – wie es der massive Neubau von bezahlbarem Wohnraum und die entschädigungslose Enteignung aller leerstehenden Wohnungen und Spekulationsimmobilien wäre.

Dazu kommen Investitionen in den Schulbau und die Sanierung, die jedoch angesichts des maroden Zustands der Berliner Schulen vollkommen unzureichend sind, sowie den Ausbau von Kindertagesstätten und Radwegen. Die unter ständigem Mangel leidenden Hochschulen sollen nun schon zwei Jahre früher mit 100 Millionen Euro jährlich subventioniert werden. Auch hier zeigt sich, dass sich R2G auf ein „Weiter So“ festgelegt hat, anstatt die großen Probleme der Bildung in Berlin anzupacken.

Etwas ähnliches sieht man auch in der Politik gegenüber Geflüchteten. Zwar sollen bis März die letzten 1.600 Refugees aus 160 Turnhallen ausziehen können, doch unmenschliche Massenlager wie am Tempelhofer Feld bleiben weiter bestehen. Zwar sollen wie in Brandenburg Geflüchtete, die Opfer rechter Gewalt werden, nicht abgeschoben werden – doch von einem allgemeinen Abschiebestopp ist das weit entfernt.

Vollkommen fehlen Aussagen bezüglich der Situation der Beschäftigten der Landesunternehmen oder ihrer Tochterunternehmen. Weder die Belegschaft des Charité Facility Managements (CFM), die seit Jahren für einen Tarifvertrag kämpfen, noch die angestellten Lehrer*innen, die immer wieder für „Gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ protestiert haben, werden in den ersten 100 Tagen eine Antwort auf ihre Probleme erhalten.

Im Gegensatz dazu steht das vom Innensenator Andreas Geisel (der sich als ehemaliger Bausenator bei der Berliner Bauindustrie beliebt machte und dafür einkassierte) vorgelegte und ebenfalls am Dienstag beschlossene Sicherheitspaket. Damit soll die Polizei mit 45 Millionen Euro aufgerüstet werden: 12.000 neue Pistolen, Maschinenpistolen für neun Millionen und 6.300 Schutzwesten.

Dazu kommt eine „vorübergehende“ Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen wie dem Alexanderplatz und dem Kottbusser Tor, sowie bei Großereignissen und an jedem Punkt, an dem „die Polizei eine Gefährdung vermutet“. Damit ist der kompletten Überwachung der Bevölkerung, die besonders hart gegen Geflüchtete und Migrant*innen eingesetzt werden wird, Tür und Tor geöffnet.

Dies erkennt man auch schon daran, dass der Polizei mehr Möglichkeiten zur Identifizierung von Geflüchteten gegeben werden, was angeblich der Terrorbekämpfung dienen soll, obwohl 80 Prozent der in Berlin als „Gefährder“ gelisteten Menschen einen deutschen Pass haben.

Die Prioritätenliste von R2G zeigt deutlich, dass die großen Probleme der Berliner Bevölkerung wie steigende Mieten, das marode Bildungssystem, Prekarisierung und der staatliche Rassismus weiter bestehen bleiben. Die geringen Investitionen in soziale Bereiche sind nicht mehr als ein Tropfen auf einen heißen Stein und das Sicherheitspaket wird die Berliner Polizei, die Erfahrung in der Belagerung linker Viertel und und Repression gegen Demonstrationen hat, weiter aufrüsten.

R2G folgt damit den Rufen nach innerer Aufrüstung und Militarisierung, wie es vom gesamten politischen Establishment und der extremen Rechten gefordert wird. Damit macht die Koalition auch deutlich, dass sie im Rahmen des Wahljahres keine Alternative für die Ausgebeuteten und Unterdrückten und gegen den Rechtsruck darstellt.

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