Uni Flensburg: Lieblingsfach Panzerfahren?

Die Hochschule Flensburg will ihren Teil zur Aufrüstung beitragen, arbeitet mit Rüstungskonzernen zusammen und plant ein Modul über “Wehrtechnik” einzuführen. Dagegen erhebt sich studentischer Protest.
Die Uni Flensburg will ab heute, dem 14. Mai, ein Modul zum Sommersemester starten, das unter dem Namen “Wehrtechnik” läuft. Dagegen organisiert sich schon Protest. Die Gruppe “Campus ohne Wehrtechnik”, bestehend aus 15 Studierenden, lehnt diesen Vorstoß ab und macht Aktionen dagegen, um mehr Studierende an der Uni zu erreichen. Die Initiative kritisiert die Zusammenarbeit der Uni mit der Rüstungsindustrie und sieht ihren Kampf auch gegen den Rechtsruck gerichtet. Inhaltlich beziehen sie sich auf sozial-ökologische Fragen, weil die zunehmende Militarisierung der Klimakatastrophe Vorschub leistet.
Laut Planungen der Uni könnten in Zukunft Inhalte wie Kettenfahrzeugtechnik, Ballistik und ABC-Sicherheit (Atomar, biologische und chemische Gefahren) gelehrt werden. Dafür plant die Uni eine Zusammenarbeit mit dem Flensburger Rüstungsunternehmen “Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft“ (FFG). Außerdem wird auch mit einem örtlichen Schützenverein über eine Kooperation diskutiert, weil ein Waffenschein für die Arbeit mit Waffen und Geschützten nötig ist. Die Studierenden sollen also das Bedienen von Waffen lernen, wodurch die Militarisierung normalisiert wird. Wer an der Uni schon an der Waffe geschult wird, ist schon einen Schritt näher an der Bundeswehr.
Ein Wahlfach zum Thema Wehrtechnik gibt es bereits seit etwa zwei Jahren am Flensburger Campus. Dabei geht es um einen Kurs im Wintersemester, den Studierende in ihrer Freizeit ohne das Erhalten von Credit Points ablegen können. Der Maschinenbau-Professor Dietrich Jeschke thematisierte im Hochschul-Konvent die Idee, das Kursangebot als Modul zu einem möglichen Teil des Studiums zu entwickeln.
Studierende sowohl innerhalb als auch außerhalb des Konvents lehnen diesen Vorschlag ab und wenden sich an die Öffentlichkeit: „Ingenieurinnen und Ingenieure sollten das Studienangebot moralisch hinterfragen“, erklären sie. Sie stellen sich gegen die Militarisierung an der Uni und sagen ganz klar, dass Wissenschaft und Militär voneinander getrennt werden müssen. Ihre Ablehnung zum Vorschlag machen sie auf dem Campus laut und deutlich durch Protest und die Suche nach Dialog mit Studierenden. Ihr Ziel ist es die Mitglieder des Konvents davon zu überzeugen, gegen das Modul zu stimmen.
Die Gruppe wandte sich in einem offenen Brief an die Mitglieder des Konvents. Darin argumentieren sie, dass sich die Uni durch eine Vertiefung im Bereich militärischer Technik im klaren Widerspruch mit dem eigenen offiziellen Leitbild der Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Vielfalt befindet. Außerdem befürchten die Studierenden, dass andere Hochschulen dem Beispiel der Flensburger Hochschule folgen und somit die Trennung zwischen ziviler Ausbildung und militärischer Ausrichtung auflösen. Die Studierenden sagen es auch klar: Wer an der Uni Kompetenzen zu militärischer Aufrüstung vermittelt bekommt, macht sich laut der Initiative auch mitverantwortlich für deren Ansatz. Kritisiert wird auch die geplante Finanzierung der Professur. Das ganze sollte über eine Stiftungsprofessur finanziert werden, eventuell wird die Vertiefung auch durch die FFG gefördert. “Wir wissen aus anderen Fällen, dass Hochschulen oft Schwierigkeiten haben, solche Professuren nach Ablauf der Förderung weiter zu finanzieren“, so Clara Tempel, die Sprecherin der Gruppe. Dies könnte und wird wahrscheinlich zu Kürzungen auf Kosten der Arbeitskräfte der Uni, Lerninhalte und Stipendien führen. Dies ist kein Einzelfall, ständig wird in der Bildung gekürzt, während das ganze Geld in die Aufrüstung gepumpt wird. Davon profitieren nur die großen Rüstungskonzerne, während die Geldbeutel der Studierenden, der Arbeiter:innen und prekär lebenden immer leerer werden.
Die Hochschule hat sich bisher dazu nicht geäußert und sagte, dass es ein offizielles Statement der Uni erst nach der Entscheidung des Konvents geben wird. Die geplante Entscheidung der Flensburger Uni wird von der bundesweiten Debatte über Zivilklauseln an Hochschulen begleitet. Über 70 Hochschulen in Deutschland haben sich verpflichtet, keine Forschung und Lehre für militärische Zwecke zu betreiben. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden jedoch viele dieser Vorschriften überprüft. In Bayern hat die Landesregierung unter Führung der CSU kürzlich sogar ein Verbot von Zivilklauseln erlassen und eine verpflichtende Kooperation mit der Bundeswehr eingeführt. In der Realität bedeutet solch eine Militarisierung Unterdrückung der studentischen Antikriegsbewegung. Beispielsweise die Angriffe der Leitung der TUM in München und die Kriminalisierung der eigenen Studierenden und Beschäftigten wegen ihrem Protest gegen die Komplizenschaft der Uni beim Genozid in Gaza.
Stefan Kooths, Ökonom beim Kieler Institut für Weltwirtschaft, befürwortet die Vertiefung des Moduls und hält sie für notwendig, wenn die Aufrüstungsstrategie der Regierung funktionieren soll. “Das folgt unmittelbar aus der Abschreckungsstrategie, die nur erfolgreich sein kann, wenn sie mit entsprechenden militärischen Fähigkeiten unterlegt ist”, sagt er. Weiter merkt Kooths an, dass die wachsende Rüstungsindustrie einen hohen Bedarf an Arbeitskräften hat und argumentiert auf Basis der Wissenschaftsfreiheit, dass alle das Recht und die Möglichkeit in einer freien Wissenschafts- und Forschungslandschaft haben sollten, sich dafür wissenschaftlich zu qualifizieren. Der lokale Panzerbauer (FFG) sieht es ähnlich wie Kooths und erhofft sich daraus eine Stärkung des Ortes Flensburg. Doch das eigentliche Ziel dieser Kooperation ist die Profitmaximierung der Rüstungsindustrie und nicht die Sicherheit der Menschen in unserem Land. Denn Sicherheit bedeutet bezahlbare Mieten und Lebensmittel sowie nicht von der schwer aufgerüsteten Polizei, rassistisch erschossen zu werden. Und eben nicht “Abschreckung” gegenüber angeblichen Aggressor:innen durch Panzerbau.
In diesem Sinne brauchen wir eine kämpferische Studierendenbewegung, die den Kampf gegen den Rechtsruck und die Aufrüstungsoffensive kombiniert. Den Rausschmiss der Rüstungskonzerne aus der Uni und ein Ende des Wehrtechnikmoduls erreichen wir aber nicht nur durch den institutionellen Weg über den Konvent und Verhandlungen mit der Hochschulleitungen. Vielmehr braucht es massenhaften Protest von Studierenden und deren eigene Selbstorganisierung in Versammlungen, wo offen darüber diskutiert und abgestimmt wird, welche Forderungen aufgestellt werden und welche Uni wir eigentlich wollen. Das Bündnis mit den Arbeiter:innen der Uni ist dabei zentral, denn sie können durch Arbeitsniederlegungen starken Druck auf die Hochschulleitung ausüben. Wir müssen das Einführen von Zivilklauseln an allen deutschen Hochschulen fordern. Die Auflösung von Bundeswehrhochschulen müssen wir auch fordern, denn wir brauchen sie nicht. Jegliche Kooperation mit Rüstungskonzernen müssen wir beenden. Statt 500 Milliarden in die Aufrüstung, muss das ganze Geld in Bildung, Gesundheit und Soziales fließen. Und als Studierende, die sich gegen die Militarisierung an den Unis aussprechen, müssen wir uns ganz klar gegen den Genozid in Gaza mit deutscher Komplizenschaft sowie gegen die Repressionen der Palästinabewegung äußern. Für eine Uni unter Kontrolle der Studierenden und Beschäftigten, für eine Uni im Dienste der Ausgebeuteten und Unterdrückten, und nicht im Dienste des Aufrüstungsprogramms der neuen Regierung.