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TV-Ansprache: Scholz schwört auf den Krieg ein

11.05.2022, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Gints Ivuskans / shutterstock.com

Zum 77. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus hielt Kanzler Olaf Scholz eine Fernsehansprache ganz im Zeichen des Kriegs in der Ukraine. Scholz ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt und begründete, was er bereits am 1. Mai gegen das Düsseldorfer Pfeifkonzert erklärt hatte: die militärische „Zeitenwende“ Deutschlands.

Dieser 8. Mai sei einer „wie kein anderer“, sagte Scholz und malte für die Fernsehzuschauer:innen die Bilder des Zweiten Weltkriegs an die Wand. „Es gibt wieder Krieg in Europa“, so Scholz. Dabei lässt er die Kriege der letzten Jahrzehnte aus, die nicht zu der europäischen Heilsgeschichte passen wollen. Der größte unter ihnen, der Balkankrieg, zählte 200.000 Todesopfer. Stattdessen, argumentierte er, müsse man sich gegen Russland zusammenschließen, wie es damals die Alliierten gegen den deutschen Nationalsozialismus taten. Er stellte die Verhältnisse seit dem Zweiten Weltkrieg als Zeiten des Friedens dar, in welchen die damals verfeindeten Mächte nach Aussöhnung suchten.

Von der kapitalistischen Landnahme, den NATO-Osterweiterungen, der ständigen Antagonisierung Russlands durch die NATO, ist keine Rede. In dieser revisionistischen Sicht stilisierte Scholz den 8./9. Mai und den Ukraine-Krieg, wie es auch Putin tut, vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieg als einen Wendepunkt der globalen Verhältnisse und ließ die langjährigen Entwicklungen der kapitalistischen Krise und die Eskalationen seitens Russlands und der NATO außer Acht.

„Doch damit ist es nicht getan“, erklärte Scholz weiter, und beugte sich damit der Rechten, die ihn in seit Beginn des Kriegs für eben dies kritisiert haben: es nicht zu tun. Keine Waffen zu liefern. Doch dieser Scholz ist längst Geschichte. Der „100 Milliarden für die Bundeswehr“-Scholz sprach hier zum Publikum. Der „militärische Sieg der Alliierten“ war es, der Deutschland vom Nationalsozialismus befreite. „Daher haben wir in den vergangenen Tagen und Wochen weitreichende und schwierige Entscheidungen getroffen.“ Diese bedeuten den Wehretat mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden aufzustocken, Waffen zu liefern und Sanktionen zu verhängen.

Eine zentrale Lehre habe man aus dem zweiten Weltkrieg schließlich gezogen: „Nie wieder.“ „Nie wieder Krieg. Nie wieder Völkermord. Nie wieder Gewaltherrschaft“. Dass bei diesem „Nie wieder“ zahlreiche Kriege, wie die in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Tschetschenien und Georgien, ausgelassen werden, wurde schon erwähnt. Scholz sprach aber auch von „Nie wieder Völkermord“, während im NATO-Partnerland Türkei Kurd:innen bombardiert und umgebracht werden. Er sprach von „Nie wieder Gewaltherrschaft“, während der NATO-Partner Saudi-Arabien seit Jahren den Jemen bombardiert und besonders Frauen und LGBTI* unterdrückt. Von der EU selbst, die tagtäglich vor allem geflüchtete Menschen gewaltsam daran hindert, nach Europa zu kommen und im Mittelmeer ertrinken lässt, ganz zu schweigen. Scholz bezeichnete die Waffenlieferungen, die Deutschland „in ein solches Kriegsgebiet“ tätigt, als historisch, dabei lieferte Deutschland ständig Waffen in Kriegsgebiete – u.a. auch nach Russland.

„In der gegenwärtigen Lage kann dies nur bedeuten: Wir verteidigen Recht und Freiheit – an der Seite der Angegriffenen. Wir unterstützen die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor.“ Der durch nichts zu rechtfertigende russische Angriffskrieg erlaubt Scholz, den Schulterschluss mit der Ukraine zu inszenieren.

„Das nicht zu tun hieße zu kapitulieren vor blanker Gewalt – und den Aggressor zu bestärken“. Er verschränkt die historische Verantwortung Deutschlands mit der Teilhabe Deutschlands an dem Ukraine-Krieg. Damit begründet Scholz nicht nur den Kurs der Regierung, sondern stellt jede Position ins Abseits, die sich gegen diesen Kurs ausspricht.

Bisher hat die NATO-Osterweiterung dem Kapital der imperialistischen Länder die Erschließung neuer Märkte in Osteuropa ermöglicht. Doch der Ukraine-Krieg, mit dem Russland seine eigenen Großmachtsinteressen in der Region brutal zu verteidigen versucht, zeigt, dass diese Strategie nicht grenzenlos tragfähig ist. Der Ukraine-Krieg wird zur Begründung nicht nur für Waffenlieferungen, sondern eben auch für die Aufrüstung der Bundeswehr genutzt, die bisher aber nicht direkt in die Ukraine interveniert. Scholz weitet den Krieg in seiner Ansprach jedoch rhetorisch, wie es auch in den bürgerlichen Medien zu beobachten ist, auf eine fingierte Wertegemeinschaft aus, zu der auch die Ukraine zählt, aus. Das Argument für die Selbstverteidigung durch die Bundeswehr soll damit an Gewicht gewinnen.

Das viel realistischere Szenario dagegen ist, dass die Bundeswehr künftig noch stärker für die militärische Durchsetzung der Interessen des deutschen Kapitals auf internationalem Terrain genutzt wird. In der Stufe des Imperialismus, in der wir uns befinden, wird den deutschen Kapitalist:innen klar vor Augen geführt, dass das kapitalistische System nicht zu friedlicher Koexistenz führt. Vielmehr wird zukünftig die Erschließung der Märkte zwischen Großmächten wie China und den USA, sowie es jetzt zwischen NATO und Russland in der Ukraine zu beobachten ist, militärisch ausgetragen werden.

Wirtschaftliche Sanktionen sind ein weiteres Mittel, dass Scholz beschwörte, um den Aggressor Russland zu schwächen. Er argumentierte, dass diese so beschlossen werden, dass sie mehr Russland als uns schaden. Aber EU-Mitglieder wie Polen, Ungarn, die stärker abhängig sind von russischem Öl und Gas, können das angedachte Embargo nicht tragen. Darüber hinaus treffen die Sanktionen schon heute Arbeiter:innen weltweit, die vor allem durch steigende Preise immer mehr Schwierigkeiten haben, ihr Leben zu finanzieren – anstatt Reiche endlich für diesen Krieg zur Kasse gebeten werden.

Darüber hinaus pochte Scholz in seiner Rede auf die Solidarität mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine: „Mit offenen Armen haben wir hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen.“ Aber Kapitalist:innen wissen auch hier, wie sie sich die Situation zunutze machen. Der Fleischfabrikant Tönnies beispielsweise warb bereits direkt an der Grenze unter den Geflüchteten dafür, für seinen Konzern zu arbeiten. Zudem bot der Konzerne den Menschen die Weiterreise nach Deutschland – aber wiederum nur denen, die bereit waren, für ihn zu arbeiten. Die katastrophalen Umstände, unter denen vor allem osteuropäische Arbeiter:innen bei Unternehmen wie Tönnies arbeiten und leben müssen, sind nur ein Vorgeschmack auf das, was viele Menschen weltweit erwarten könnte, wenn der deutsche Imperialismus erstarkt: Ausbeutung und Unterdrückung statt blühende Landschaften und Wohlstand.

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