Trumps Präsidentschaft: Das Establishment ist gespalten

24.01.2017, Lesezeit 5 Min.
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Der neue US-Präsident wird nicht nur mit der Polarisierung der Bevölkerung umgehen müssen, sondern auch mit einer nie dagewesenen Spaltung der Mächtigen.

Vor den Wahlen warnten wir vor der großen Spaltung innerhalb der herrschenden Klasse der USA. Die Mehrheit der Elite unterstützte Hillary Clinton, die Favoritin der politischen und ökonomischen Machtfraktionen, während sich die Militärelite hinter Donald Trump einreihte.

Das bedeutet nicht, dass das wirtschaftliche Establishment monolithisch sei. Die Ölindustrie beispielsweise lehnt es ab, dass die Kriege und geopolitischen Spannungen ihre längerfristigen Geschäfte erschweren (siehe Russland und Libyen). Boeing möchte Flugzeuge an den Iran verkaufen. Ein bedeutender Anteil multinationaler Konzerne, die von der weltweiten Aufteilung der Produktionsprozesse profitieren, hat weniger Probleme mit Kriegen und geopolitischen Manövern, solange diese neue Märkte eröffnen oder den Zugang zu billiger Arbeitskraft ermöglichen.

Trump hat es für den Moment geschafft, diesen Sektor der herrschenden Klasse mit einer Mischung aus Drohungen und Versprechen von milliardenschweren Geschäften zu besänftigen: Die Drohungen galten der US-amerikanischen (Ford, GM) und der internationalen (Toyota, BMW, etc.) Automobilindustrie, die aus Angst davor, ihre essentiellen Produktionsketten im Ausland zu verlieren, das Spiel der nationalen Produktion des neuen Präsidenten zu spielen begann.

Auf der anderen Seite ist die Senkung der Unternehmenssteuer, ein integraler Bestandteil des verstärkten Protektionismus von „Trumpeconomics“, eng verbunden mit einem dritten Element: Die Deregulierung der Finanzmärkte verspricht den US-amerkanischen Banken fette Dividenden, wie man schon im letzten Trimester des vergangenen Jahres sehen konnte, als die Finanzhaie außergewöhnliche Gewinne verbuchen konnten. Mit der Streichung der minimalen Regulierungsmechanismen, die dem Finanzsektor nach der Krise 2007/08 aufgezwungen wurde, will Trump dem US-Finanzsektor einen Konkurrenzvorteil verschaffen, während dieser die Kapitale und Ersparnisse der Bevölkerung einsammeln möchte, die durch Steuerkürzungen und steigende Gewinne zuzunehmen versprechen.

Doch neben dieser Spaltung der Geschäftswelt handelt es sich bei der politischen Spaltung, die während und nach den Wahlen entscheidend war, um den Kampf zwischen dem liberal-interventionistischen (neocon) oder fälschlicherweise „humanitär“ genannten Sektor und den Realist*innen der Außenpolitik. Der erste Flügel wird durch die CIA und der zweite durch das Militär repräsentiert. Die Niederlage von Hillary war auch eine Niederlage für denjenigen Sektor der nach dem Scheitern der Militäroperationen der Bush-Ära in Irak und Afghanistan an der Spitze der kriegerischen Provokationen des US-Imperialismus stand.

So beteiligte sich die CIA fast sechs Jahre lang an einer Kampagne für den regime change in Syrien: Sie finanzierte und bewaffnete fundamentalistisch-islamistische Milizen, um den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen, den einzigen Verbündeten Russlands im Nahen Osten. 2013 wurden die gefälschten Aussagen, die syrische Regierung benutze chemische Waffen im Bürger*innenkrieg, als Vorwand für einen großflächigen Luftkrieg gegen Assad genutzt. Ex-Präsident Obama stoppte diesen Luftangriff in letzter Minute angesichts der fehlenden Unterstützung der Bevölkerung, Washingtons Verbündeten in der NATO (bis auf Frankreich) und der Spaltungen innerhalb des Militärestablishments.

Zudem gibt es wenig Zweifel darüber, dass es fortgeschrittene Verhandlungen zwischen Clintons Kampagne und Obamas Regierung gab, nach dem erhofften Sieg der demokratischen Kandidatin eine verschärfte Militärintervention der USA in Syrien zu starten – mit der öffentlichen Unterstützung der dominierenden Fraktionen des Establishments und der Geheimdienste. Während der Kampagne forderte Clinton wiederholt die Einführung von „sicheren Luftkorridoren“ und anderen Maßnahmen, die einen militärischen Konflikt mit den russischen Truppen in Syrien bedeutet hätten. Diese säbelrasselnde Politik gegen Russland hatte einen weiteren Hotspot in der Ukraine, wo sich die CIA offen einmischt.

Die chaotische Übergangszeit vor Trumps Amtsantritt war ein Beweis für die Verschärfung des Konfliktes zwischen Trump und den Geheimdiensten. Trump stellte offen die Einschätzungen der Geheimdienste über die russischen Hackerangriffe infrage. Die Rache folgte auf dem Fuße und so wurde ein falscher Ordner über angebliche Beziehungen mit russischen Prostituierten und Trump veröffentlicht. Trotz des wenig standhaften Charakters der Geschichte könnte sie eine Warnung an Trump sein, dass die Geheimdienste und das Establishment die Geschichte schreiben werden und nicht er. Noch hat Trump keinen modus vivendi mit diesem Teil des „tiefen Staates“ der USA geschaffen.

Während das Militär drei Plätze im neuen Kabinett bekam und eine dem entsprechende Belohnung erwartet, sind die Geheimdienste der am schwersten von der neuen Prioritätenliste der US-amerikanischen Außenpolitik zu überzeugende Sektor. So wird Trump wahrscheinlich gegenüber einigen Ländern eine härtere Rhetorik anschlagen, auch wenn er sich vorsehen wird, einen ernsthaften neuen Krieg einzugehen, was dem Militär gefällt. Gleichzeitig erwartet es gemeinsam mit der mächtigen Waffenindustrie den Start einer unfähigen Wunderwaffe, für die Trump Milliarden verspricht (Reagans „Star Wars“ 2.0).

Auf der anderen Seite gefällt den Neocons und der Geheimdienstwelt die von Trump in seiner Inaugurationsrede hervorgebrachte Ablehnung ihres außenpolitischen Programms der „Ausweitung der Demokratie“ und der darin enthaltenen „farbigen Revolutionen“ wenig.

Die gescheiterte Außenpolitik der letzten Jahre hat ihre größte Niederlage in Syrien erlebt, wo die USA zum ersten Mal aus einer Konfliktlösung ausgeklammert werden, wie man an den Vereinbarungen von Russland und der Türkei sieht. Trumps Abkehr davon und seine Hinwendung zu einem wirtschaftlichen Unilateralismus wird nicht nur große externe Konflikte vor allem mit China und Deutschland bedeuten, sondern droht auch die Spannungen innerhalb der herrschenden Klasse der USA zu verschärfen.

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