Trumps chaotischer erster Monat

02.03.2017, Lesezeit 9 Min.
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Der Anfang von Trumps Präsidentschaft war nichts weiter als Chaos. Befehle und kurz darauffolgende Gegenbefehle, sprunghafte Außenpolitik und Abdankungen aus einem Kabinett, das sich noch immer im Aufbau befindet. Dies alles widerspricht Trumps ausdrücklichen Erklärungen, die neue Regierung liefe wie eine „fein abgestimmte Maschine.“

In Trumps Weißem Haus herrscht keine Ordnung. Es ist vielmehr zu einem Schauplatz des Kampfes innerhalb der herrschenden Klasse und des US-Staatsapparats geworden – mit offenem Ausgang. Ein Monat ist wenig Zeit, um den Kurs einer Präsidentschaft genau zu bestimmen. Doch er könnte ein Vorgeschmack auf das sein, was noch folgen wird.

In politischer Fachsprache ausgedrückt: Trump leitet eine schwache bonapartistische Regierung. Sie ist damit ein Beispiel für Regierungen, die aus großer sozialer und politischer Polarisierung heraus entstehen und denen die Kraft fehlt, um die innere Einheit wiederherzustellen.

Die Hyperaktivität des Präsidenten während der ersten Wochen mündete in ein andauerndes Fiasko, das sich mit jedem vergehenden Tag deutlicher zeigt. Trump nimmt zwar als „Querdenker“ seine Präsidentschaft übertrieben stark wahr. Gleichzeitig aber unterliegt er Einflüssen des Staates und der Konzerne, die ihn zum Rückzug zwingen, sobald seine Exzesse ihre Interessen beeinträchtigen. Diese Dynamik untergräbt die Autorität, die Trump zu festigen versucht.

Trumps fehlgeschlagene Versuche

Unter Trumps fehlgeschlagenen Versuchen stechen zwei besonders hervor:

Der erste war die Zurückweisung des Präsidialdekrets durch ein Bundesberufungsgericht, Bürger*innen aus sieben Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit die Einreise in die USA zu untersagen. Die Entscheidung des Gerichts dagegen stimmte überein mit den Interessen von Silicon Valley und liberalen Medienkonzernen. Sie vertreten die politische und ideologische Spitze der „Anti-Trump“-Front, während die Demokratische Partei noch ihre offenen Wunden leckt, zurückgelassen von Hillary Clintons Niederlage.

Der andere einschneidende Misserfolg der Trump-Administration war der erzwungene Rücktritt von Trumps Nationalem Sicherheitsberater, Michael T. Flynn. Er stand am stärksten für die Bindung zu Russland. Die pro-russische Taktik brachte der Präsident mit Gesten und politisch unkorrekten Tweets seit Beginn seiner Kandidatur zum Ausdruck.

Auf Flynns Rücktritt folgte der freiwillige Ausstieg Andrew Puzders, dem Fast-Food-Geschäftsführer, der zum Arbeitsminister nominiert war. Auf der Linken hätte seine Bestätigung vermutlich Proteste seitens der „Fight for 15“-Kampagne hervorgerufen. Auf der Rechten sorgte seine unklare Position zum Thema Einwanderung für Unsicherheit, da sie sich von Trump unterschied: Es war nicht sicher, ob die Republikaner seine Ernennung einheitlich unterstützt hätten. Der Fast-Food-Sektor ist selbstverständlich berüchtigt für die Ausbeutung von Migrant*innen. Weiterhin sah sich Puzder Vorwürfen häuslicher Gewalt ausgesetzt, die seine Ex-Frau Lisa Fierstein in einem aus dem Jahr 1990 aufgetauchten Video machte. Sie hat inzwischen die Anschuldigung zurückgezogen, doch der Schaden war schon angerichtet. Puzder wäre mit Sicherheit eine Welle des Widerstands von Frauenrechtsbefürworter*innen begegnet. All das überzeugte den Geschäftsmann letztendlich vom Rückzug.

Der tiefe Staat

Die „Flynn-Affäre“ ist zweifellos der bisher härteste Schlag für Donald Trumps republikanische Regierung. Diese Krise beinhaltet den so genannten „deep state“ – das zusammengewürfelte Gemisch aus Bundesagenturen, Spitzeln und Militärpersonal, deren Rivalitäten zu zahlreichen Skandalen führte.

Es ist zum Beispiel ein offenes Geheimnis, dass Michael Flynn als Leiter des Verteidigungsnachrichtendienstes unter Obama die offizielle US-Regelung der „Bewaffnung der Rebellen“ in Syrien boykottierte. Die sollte helfen, Assads Regime zu stürzen, und wurde von der CIA in Kooperation mit der Türkei, Katar und Saudi-Arabien durchgeführt. Ein Sektor des Pentagon aber wollte eine Vereinbarung mit Russland treffen, um den „Krieg gegen den islamischen Staat“ zu unterstützen. Dafür teilte er mittelbar militärisches Geheimwissen mit dem syrischen Regime und wirkte so der Obama-Regierung entgegen.

Nach alldem kam es nicht überraschend, dass der Presse zugespielte Informationen einige Gespräche zwischen Flynn und dem russischen Botschafter in den Vereinigten Staaten aufdeckten. Flynn diskutierte darin, wie nach der Wahl die Sanktionen gegen Russland eingeschränkt werden könnten, die kurz zuvor erst von Obama auferlegt worden waren.

Konflikte mit dem Großkapital

Ein weiterer Bereich des zu erwartenden inneren Konfliktes der USA ist die Wirtschaft. Die Konzerne, die Hillary unterstützten, gehen auch sehr pragmatisch mit Trump um: Was ihnen nützt, nehmen sie an, also die Steuerkürzungen, die Deregulierung des Finanzmarkts, der Arbeitsgesetzgebung, der Umweltpolitik und gewerkschaftsfeindliche Praktiken. Was ihnen schadet, bekämpfen sie, also die Anti-Globalisierung-Politik.

Nichtsdestotrotz wäre es falsch anzunehmen, das US-amerikanische Großkapital habe eine einheitliche Position. Die Finanzkapitalist*innen versicherten, ihre Interessen in den Staatsfinanzen würden durch den ehemaligen Vorstandsvize von Goldman Sachs, Steve Mnuchin, repräsentiert. Die Öl- und Bergbauunternehmen sowie weitere Interessensgruppen, die mit konventionellen Energien verbunden sind, sind der Trump-Regierung ebenfalls sehr nah, besonders durch Rex Tillerson, den ehemaligen ExxonMobil-Geschäftsführer und neuen Staatssekretär.

Die Automobilunternehmen hingegen nehmen eine vorsichtigere Position ein, basierend auf der Überlegung, der „Protektionismus“ sei verhandelbar. Wir haben schon zahlreiche Firmen wie Ford und Carrier US-Arbeitsplätze im Austausch für Unterstützungsleistungen erhalten sehen.

Die resoluteste bürgerliche Opposition gegen Trump scheint sich auf Silicon Valley zu konzentrieren. Diese Unternehmen mögen auf kurze Zeit vielleicht auch Vorteile durch die neue Regierung erlangen, strategisch gesehen sind sie jedoch auf Kollisionskurs mit ihr, da sie die hauptsächlichen Nutznießer des Outsourcing von Produktionskraft nach China und anderen Niedriglohnländern sind. Sie profitieren außerdem von dem Beschäftigungsvisa-System, welches es ihnen ermöglicht, hochqualifizierte Arbeitskräfte zu niedrigen Kosten einzustellen.

Protektionismus und Konfrontation mit China

Der Präsident verdeutlichte, dass der alte Status Quo vorüber ist und die Welt von nun an mit einer stärker protektionistischen USA umgehen muss. In diesem Zustand der allgemeinen Unsicherheit ist eine aggressivere Handelspolitik zu erwarten. Das bedeutet zum Beispiel das Ersetzen multilateraler Handelsabkommen durch bilaterale Handelsblöcke. Das soll eine stärkere Position ermöglichen und mehr qualitative Vorteile fürs US-Kapital sichern, als „Anführer“ der (neo)liberalen Ordnung. Sie platziert China in die unmittelbare Schusslinie, betrifft aber auch Verbündete und Partner wie Japan, Deutschland und Mexiko.

Doch über die Handelskomponente der Außenpolitik hinaus ist klar, dass der Präsident keine allumfassende Strategie hat. Seine russlandfreundlichen Aussagen deuten auf einen Schwenk hin, weg von der Politik der Feindseligkeit, die von republikanischen und demokratischen Regierungen über die letzten Jahrzehnte aufrechterhalten wurde. Welche konkreten Auswirkungen diese Aussagen in der Außenpolitik haben werden, ist aber noch unklar. Einige Analytiker*innen spekulieren, dass diese Nähe zu Russland eine kurzfristige Taktik ist, darauf ausgelegt, gleichzeitig die Situation in Syrien zu entschärfen und das Bündnis zwischen Russland und dem Iran zu brechen. Andere glauben, sie sei ein strategischer Wechsel mit dem Ziel, die Beziehung zu Russland mit der von China zu vertauschen, welche in den frühen 1970ern von Nixon geschaffen wurde, um die beiden trennen.

In jedem Falle zeigt der Flynn-Vorfall den beträchtlichen inneren Widerstand, der Trump erwartet, sollte er seine russlandfreundliche Politik weiterhin aufrechterhalten.

Trotz Trumps groben verbalen Unilateralismus (zum Beispiel die NATO als überholt zu bezeichnen) scheint für den Moment seine Strategie nicht in einem Austritt aus Bündnissen zu bestehen. Eher wird er deren Finanzierung und Verantwortungen neu verhandeln, welche zum Großteil von den Vereinigten Staaten getragen werden.

Die Methode des Drohens und anschließenden Rückzugs, ohne irgendetwas im Austausch zu erhalten, welche Trump an China versuchte, scheint nicht geeignet, um die dahinschwindende US-Hegemonie zu erhalten. Die taktisch explosive Politik ohne klaren strategischen Inhalt erhöht weltweite Spannungen und Instabilitäten, und könnte zu Handels- und Militärkonflikten von großem Ausmaß führen.

Widerstände gegen Trump

Trumps Regierung ist zweifellos eine bourgeoise, es ist eine Anti-Arbeiter*innen-Regierung. Doch die ihr innewohnenden Schwächen schließen ihre Festigung als „Cäsaristische Lösung“ der Krise aus. Sollte Trump seine Anti-Globalisierung-Politik weiter vorantreiben als es vorteilhaft für die Profite des US-Kapitals ist, kann ein Impeachment (Amtsenthebungsverfahren) nicht ausgeschlossen werden. Obwohl das momentan noch Spekulation wäre, sollte es nicht überraschend sein, dass seit dem ersten Tag seiner Regierung manche Sektoren der Republikaner auf die Eingrenzung von Trumps Macht und den Aufbau einer alternativen Leitung hin arbeiten. So etwa durch den Sektor, der von den Koch-Brüdern geführt wird. In den liberalen Medien zirkuliert ebenfalls die Idee eines Amtsenthebungsverfahrens als mögliche Notlösung.

Die größte Ermutigung für diejenigen von uns, die gegen das kapitalistische System kämpfen, ist der Anstieg von Basismobilisierungen, zu dem diese Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse geführt haben. Die Arbeiter*innenklasse hat Verbündete unter den Frauen, die am 21. Januar Washington und andere große Städte fluteten. Unter den Millionen Jugendlichen, die für eine linke Alternative durch Sanders gestimmt haben. Unter denjenigen, die sich gegen Trumps Anti-Migrant*innen-Regelungen organisieren. Und unter den Ausgebeuteten und Unterdrückten in der gesamten Welt, einschließlich den mexikanischen Arbeiter*innen, die gegen Trump und die gegenwärtige imperialistische Offensive kämpfen. Die Demokratische Partei versucht bereits, aus dieser Unzufriedenheit Kapital zu schlagen, so wie sie es durch die Geschichte hinweg schon immer getan hat. Im Gegenzug dazu müssen wir eine antiimperialistische und antikapitalistische Lösung der Arbeiter*innenklasse für diese Krise voranbringen.

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