TrotzkistInnen im Parlament

03.01.2014, Lesezeit 5 Min.
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// Ein Kurzporträt der argentinischen Front der Linken und ArbeiterInnen //

Im Oktober 2013 schrieb die Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) in Argentinien Geschichte: Zum ersten Mal konnten drei trotzkistische Kandidaten ins nationale Parlament einziehen, nachdem die FIT bei den Wahlen 1,2 Millionen Stimmen erreicht hatte. Historisch ist der Erfolg dieser Wahlfront aus drei trotzkistischen Organisationen deshalb, weil sie mit einem Programm zur Wahl angetreten ist, das die Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse von jeglicher Variante der Bourgeoisie, eine ArbeiterInnenregierung und die sozialistische Weltrevolution fordert.

Die Front aus der Partei Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS), der ArbeiterInnenpartei (PO) und der Sozialistischen Linken (IS) konnte so aufzeigen, dass ein Programm, welches einen radikalen Umsturz des kapitalistischen Systems fordert, trotzdem Massen ansprechen kann. Dies ist besonders bemerkenswert, da die relative Stabilität der argentinischen Wirtschaft bisher zu keiner Radikalisierung von Massensektoren geführt hat. Auch wenn das Wahlprogramm der FIT aufgrund der durchaus unterschiedlichen Ausrichtungen der drei teilnehmenden Organisationen nicht vollständig den Anforderungen eines revolutionären Programms entspricht (weil in ihm beispielsweise die Rolle der Organe der Selbstorganisierung oder die Frage der Beziehung dieser Organe zur revolutionären Partei fehlt), konnte die FIT somit den Beweis antreten, dass es nicht notwendig ist, revolutionäre Ideen vor den Massen zu verstecken, um ein breites Publikum anzusprechen. Gerade in einer Zeit, in der sich viele Sektoren auch der radikalen Linken auf “breite” Projekte wie Syriza in Griechenland oder die Linkspartei in Deutschland orientieren, die letztlich keinen Bruch mit der KapitalistInnenklasse vorschlagen, ist es ein Verdienst der FIT, das Banner der Klassenunabhängigkeit hochzuhalten.

Die FIT steht in der Tradition eines revolutionären Parlamentarismus, der die parlamentarische Arbeit nicht als einen Zweck in sich begreift, sondern nur als ein weiteres Mittel im Arsenal, welches den revolutionären Umsturz des Kapitalismus und die Etablierung der Diktatur des Proletariats herbeiführen sollen. In diesem Sinne wollen die Abgeordneten der FIT das Parlament als eine Bühne nutzen, um auf der einen Seite die Kämpfe der ArbeiterInnen, der Jugend und der armen Massen zu unterstützen und zu thematisieren, die bürgerliche Realität und die Komplizenschaft von Regierung und Parlament mit der Bourgeoisie zu denunzieren, und um auf der anderen Seite aufzuzeigen, wie eine Demokratie der ArbeiterInnen im Gegensatz zur aktuellen Demokratie für die Reichen aussehen könnte. Dazu gehören Prinzipien wie die Rotation der Parlamentssitze und die Spende an soziale Kämpfe von alledem, was über einen durchschnittlichen ArbeiterInnenlohn hinausgeht. Zu den Anträgen, die die FIT seit Zusammentritt des nationalen Parlaments Anfang Dezember 2013 eingebracht hat, gehören unter anderem die Forderung nach der sofortigen Absetzung des neuen Armeechefs Milani, der während der Militärdiktatur mitverantwortlich für den Tod zehntausender politischer und gewerkschaftlicher AktivistInnen war, dem Fallenlassen der lebenslangen Strafen gegen kämpferische Erdölarbeiter von Las Heras sowie die Unterstützung für die aktuellen Lohnforderungen der ArbeiterInnen des öffentlichen Dienstes.

Die PTS, argentinische Schwesterorganisation von RIO als Teil der Trotzkistischen Fraktion (FT-CI), die Teil der FIT ist, ist sich der großen Möglichkeiten und Herausforderungen bewusst, die der aktuelle Erfolg der FIT für die radikale Linke in Argentinien und auch weltweit präsentieren. Nichtsdestotrotz erkennt sie auch die Grenzen dieser Front an, die es bisher nicht ermöglicht haben, aus ihr einen realen Vorläufer für eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei in Argentinien zu entwickeln. Eine dieser Grenzen liegt in wichtigen programmatischen und vor allem politischen Unterschieden zwischen den Organisationen der FIT, wie sich zuletzt bei den Polizeiaufständen zeigte, die das Land in eine der schwersten politischen Krisen der letzten Zeit gestürzt haben. Die Uneinigkeiten über die Charakterisierung der Rolle der Polizei führen zu unterschiedlichen Positionen angesichts des reaktionären Aufstandes. Während die PTS weiterhin dafür kämpft, mit den anderen Organisationen der FIT Schritte zur Etablierung einer revolutionären ArbeiterInnenpartei zu gehen und ihnen zu diesem Zweck die Diskussion eines Manifests für eine Bewegung für eine Internationale der Sozialistischen Revolution vorschlug, zögert sie dennoch nicht, diese Organisationen scharf zu kritisieren, wenn es nötig ist. So legte die PTS in ihrer Parteipresse (auf Spanisch) ausführlich dar, warum RevolutionärInnen – anders als die PO vorschlägt – keine strategische Orientierung auf eine politische und gewerkschaftliche Arbeit im Polizeiapparat entwickeln sollten.

Einer der AnführerInnen der PTS und der FIT, Christian Castillo, seit der Wahl im Oktober Mitglied des Provinzparlaments von Buenos Aires (der bevölkerungsreichsten Provinz des Landes), wird am 10. Januar 2014 in Berlin auf einer Podiumsdiskussion zur Situation in Argentinien, zu den Perspektiven der FIT und zur Strategie von RevolutionärInnen inner- und außerhalb des Parlaments sprechen. Castillo, der auf dieser Veranstaltung als Teil einer Europareise zur Diskussion mit der radikalen Linken in Großbritannien, Deutschland, Frankreich, dem Spanischen Staat und Griechenland sprechen wird, betonte in seiner ersten Rede im bonaerensischen Provinzparlament Anfang Dezember:“Alle wissen, dass wir dafür kämpfen, den Kapitalismus und den Imperialismus zu stürzen und eine ArbeiterInnenregierung und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten.”

Veranstaltung: Freitag, 10. Januar, 19 Uhr

Versammlungsraum im Mehringhof
Gneisenaustr. 2a, 2. HH, über dem Theater
U6/U7 Mehringdamm, Berlin-Kreuzberg
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