Toter durch Polizeigewalt in Berlin Friedrichshain

13.07.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Ajax9 / Shutterstock.com

Am Dienstag ist ein 39-Jähriger bei einer gewalttätigen Festnahme durch die Polizei gestorben. Natürlich handelt es sich hierbei um ein Opfer von Polizeigewalt.

Der Polizeieinsatz erfolgte nach Angaben der Polizei in der Stralauer Allee, „weil der Mann gegen 12.40 Uhr randalierend und belästigend in einem nahegelegenen Ladengeschäft in Erscheinung getreten sein und anschließend auf einer Baustelle einen Baucontainer betreten, wirr geredet und die Tasche eines Zeugen in ein Gewässer geworfen haben soll.“ Wie üblich betonen Polizei und Presse den mutmaßlichen Drogenkonsum des Opfers. Der Mann wurde daraufhin „zu Boden gebracht und gefesselt“, woraufhin dieser Atemnot beklagte und noch vor Ort verstarb. Nach fehlgeschlagener Reanimation konnte im Krankenhaus nur noch der Tod bestätigt werden. Genauere Informationen über den Verstorbenen gibt es bisher nicht.

Die Polizei selbst sieht natürlich kein Fehlverhalten. Die beteiligten Beamt:innen bleiben weiter im Einsatz, ein Strafverfahren soll es zunächst nicht geben. In ihrer Pressemitteilung heben sie das schnelle Lösen der Fesseln als Beweis für ihre Unschuld hervor, auch die Obduktion soll keine Hinweise auf ein lagebedingtes Ersticken ergeben haben.

Offensichtlich ist trotzdem, dass es sich hier um einen Tod in Folge von Polizeigewalt handelt. Auch wenn Medien, Politik und rechte Ideolog:innen der Staatsgewalt einen nahezu unantastbaren Charakter zuschreiben: Die Polizei tötet nicht nur mit voller Absicht, wie es etwa beim Mord an George Floyd, dem kürzlichen Mord an Nahel M. in Frankreich, oder auch dem Mord am 16-jährigen Geflüchteten Mouhamed Lamine Dramé in Dortmund der Fall war. Die Polizei tötet auch, wenn sie es ohne Vorsatz tun: Ein unabsichtlicher Toter durch Polizeigewalt ist immer noch ein Toter durch Polizeigewalt. Auch „legale“ gewalttätige Polizeimaßnahmen können zum Tod führen. Ohne den Zugriff der Polizei könnte der Verstorbene noch am Leben sein. Die Polizei nimmt Tote während Festnahmen und in Polizeigewahrsam billigend in Kauf.

Denn: Die Polizei ist erstens strukturell rassistisch, und zweitens strukturell unfähig, mit schwierigen Situationen umzugehen. Auch in Deutschland sterben regelmäßig Leute durch Polizeigewalt. Im aktuellen Fall: Anstatt auf den Betroffenen, der sich nach eigenen Angaben der Beamt:innen in einer psychischen Ausnahmesituation befand, mit Feingefühl und Deeskalation zuzugehen, oder psychologische oder sozialarbeiterische Hilfe zu rufen, wurde dieser zu Boden geworfen und fixiert. „Wirres Reden“ ist kein Grund für Gewalt. Auch vermeintlicher Drogenkonsum sollte kein Anlass für Gewalt sein. Besonders perfide ist, dass die „Randale“ des Opfers sich physisch bloß gegen einen Baustellencontainer und eine Tasche gerichtet haben soll.

In Angesicht dieses Einsatzes zeigen auch die Medien, die die Angaben der Polizei unkritisch übernehmen und noch eine Stufe weiter ideologisieren, auf wessen Seite sie stehen. So wird einstimmig von einem gewalttätigen Randalierer und einer unschuldigen Polizei gesprochen. Der Konsum von „Heroin und Ecstasy“ steht überall in den Überschriften, und die Berliner Zeitung macht aus dem Wurf einer Tasche ins Wasser kurzerhand die Anschuldigung, der Mann habe „einen Zeugen in ein Gewässer geworfen“ – was einfach eine ideologisch motivierte Lüge ist.

Es zeigt sich erneut: Die Polizei ist in erster Linie kein „Freund und Helfer“, sondern Gewaltorgan des Staates, das mit hilfe der Medien ideologisch gerechtfertigt wird. Statt dessen Aufrüstung brauchen wir kurzfristig Abrüstung, Training in echter Deeskalation, Ressourcen für psychologische und sozialarbeiterische Betreuung und Änderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen, die Polizeigewalt begünstigen sowie ihre strafrechtliche Verfolgung nahezu unmöglich machen. Doch die immer wiederkehrenden Fälle von Polizeigewalt zeigen eindeutig: Die Institution Polizei ist nicht reformierbar und gehört abgeschafft. Unser Mitgefühl gilt dem Opfer von Friedrichshain und allen Opfern von Polizeigewalt weltweit.

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