Tim ist frei: Der Kampf gegen Nazis geht weiter!

07.01.2017, Lesezeit 4 Min.
1

Nach fast sechs Jahren wurde der Antifaschist Tim H. nun endlich vom Dresdner Landgericht freigesprochen. Dieser skandalöse Prozess war der Höhepunkt staatlicher Repression gegen Antifaschist*innen, die sich 2011 in Dresden Nazis in den Weg stellten. Wir gratulieren Tim zu diesem Erfolg. Gleichzeitig dürfen wir uns keinerlei Illusionen in die bürgerliche Justiz erlauben.

20.000 Menschen blockierten 2011 Europas größten Nazi-Aufmarsch in Dresden. Damit war dieses alljährliche Schauspiel, bei dem über 5.000 Nazis anlässlich der Bombardierung Dresdens im Jahr 1945 demonstrierten, beendet. Doch offensichtlich passte das nicht nur den Nazis nicht. Auch die sächsischen Behörden schäumten vor Wut. Die Stadt ließ damals flächendeckend die Handys von rund 100.000 Menschen in der Dresdner Innenstadt überwachen. Die mittlerweile bekannten pinken Mobiplakate wurden beschlagnahmt, weil sie angeblich zu Straftaten aufriefen. Das linke Haus der Begegnung wurde von der Polizei gestürmt und Prozesse gegen Antifaschist*innen gestartet – der wohl skandalöseste gegen den Berliner Antifaschisten Tim.

„Kommt nach vorne!“

Die Worte „Kommt nach vorn“ sind sicher den meisten Linken mittlerweile bekannt. Denn das sind die Worte, die Tim beim ersten Prozess noch 22 Monate Haft ohne Bewährung beschert hatten. Schwerer Landfriedensbruch und schwere Körperverletzung wurden ihm damals zur Last gelegt, weil er damit angeblich die demonstrierende Menge aufgestachelt habe, eine Polizeikette zu durchbrechen. Doch ob er nun wirklich derjenige war, der das gesagt hatte, konnte nicht nachgewiesen werden. Lediglich die Größenverhältnisse stimmten auf den Beweisvideos, Tim ist halt sehr groß. Der Mensch auf dem Video auch. Reicht aus, dachte sich das Gericht. Er müsse sich darüber hinaus das Verhalten der anderen Demonstrant*innen zurechnen lassen. Immerhin seien die Worte „Kommt nach vorne!“ durch ein Megafon als direkter Gewaltaufruf gegen die Polizei zu verstehen. Eine Argumentation, die selbst nach bürgerlichem Recht haarsträubend ist.

Im folgenden Berufungsprozess relativierte sich bereits einiges. Der Vorwurf des Landfriedensbruchs konnte nicht mehr aufrechterhalten werden. Auch Körperverletzung wurde fallen gelassen. Die Polizei geriet dabei selbst unter Beschuss. So sprach der Anwalt von Tim von „Manipulationen des Beweismaterials“. Denn das Video war weitaus länger, als von der Polizei vorgebracht. Die Strafe wurde damals schon auf Beleidigungen gegen Beamt*innen und eine Geldstrafe von immer noch 4.050 Euro reduziert. Nun aber endlich der Freispruch! Fast sechs Jahre nach den Blockaden selbst. Der Vollständigkeit halber sei jedoch gesagt: Die Staatsanwalt hat immer noch die Möglichkeit der Revision.

Ende eines skandalöses Prozesses

Damit geht laut der Süddeutschen Zeitung eine „Posse“ zu Ende. Doch dieser Prozess war mehr als eine Posse. Es war ein massiver Versuch, antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren und Betroffene einzuschüchtern. So hielt der Staatsanwalt bis zum Schluss daran fest, für Tim eine (wenn auch geringere) Haftstrafe von zwölf Monaten zu fordern. Und auch der Richter ist trotz des Freispruchs sicherlich kein glühender Antifaschist. So begründete er das Fallenlassen der Geldstrafe wegen Beleidigung vor allem damit, dass es die Polizei versäumt habe, den notwendigen Strafantrag fristgerecht zu stellen. Außerdem trennte er die Demonstrant*innen fein säuberlich in den „gewaltbereiten schwarzen Block“ und „friedliche Demonstranten“. Zum Glück für Tim wurde er letzteren zugeordnet.

Der Kampf gegen Nazis geht weiter!

Eine Entkriminalisierung von antifaschistischem Protest ist das noch längst nicht und auch in Zukunft nicht von Gerichten zu erwarten. Zuletzt wurde auch unser Genosse Sören vom Berliner Amtsgericht vor gut einem Monat zu einer Geldstrafe von 2.000 Euro verurteilt, weil er sich der AfD in den Weg gestellt hat. Prozesse gegen viele weitere Antifaschist*innen laufen Tag für Tag. Tag für Tag erleben wir, dass der Staat nicht auf der Seite von linken Aktivist*innen, von Geflüchteten und allen Unterdrückten steht, sondern lieber Nazis frei gewähren lässt, wenn sie marschieren oder Migrant*innen und linke Aktivist*innen attackieren. Sogar die Privatwohnung von Tim in Neukölln war in der Nacht zum 24. Dezember Ziel eines Naziangriffs. Es ist wohl kaum er erwarten, dass die Verantwortlichen dafür jemals vom Staat zur Rechenschaft gezogen werden. In dem Sinne schließen wir uns gerne den Worten von Tim an. Wir lassen uns nicht einschüchtern und werden uns weiterhin Nazis in den Weg stellen!

Mehr zum Thema