„The Refugees United Will Never Be Defeated!“

24.12.2017, Lesezeit 5 Min.
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Am Samstag protestierten im Geflüchtetenlager von Deggendorf die Refugees gemeinsam mit Unterstützer*innen gegen ihre miserablen Lebensbedingungen. Eine Inspiration des Kampfes, die in diesem persönlichen Bericht von Baran Serhad festgehalten wurde.

Es war heute ein wichtiger Tag im Kampf gegen den Rassismus in Deutschland. Ein Kampf in einem bayerischen kleinen Ort namens Deggendorf, wo die AfD größer ist als CSU ist, d.h. eindeutig unerträglich ist.

Im Grunde genommen ist dort die letzte Station der Geflüchteten, die auf die Abschiebung warten. An Zynismus ist das imperialistische Deutschland nicht zu überbieten, das bleibt uns nicht zuletzt als Erkenntnis seiner barbarischen Geschichte. Das sehen wir heute, wenn ein verdammtes Gefängnis (nur für Geflüchtete – welch dreister und barbarischer Ausdruck des Rassismus!) in der Öffentlichkeit euphemistisch als „Unterkunft“ bezeichnet wird.

Nein, diese Zustände sind menschenverachtend. Die rassistischen Polizist*innen, die chauvinistischen Politiker*innen, die Geier, die Kapitalist*innen, die die Arbeiter*innenklasse gegeneinander ausschließen, sie prekarisieren, spalten, als billige und sogar als kostenlose Arbeitskräfte ausnutzen – Sie sollen dort Erfahrungen machen. Die Menschen mit den bescheidenen Ansprüchen auf das Leben können und werden es nicht akzeptieren, in einem Gefängnis zu sitzen, obwohl sie kein Verbrechen begangen haben. Sie sind geflohen, aber das ist im Auge der bürgerlichen Medien, der Rassist*innen und bürgerlichen Parteien ein Grund genug, um sie als Kriminelle zu bezeichnen und ohne Recht auf Verteidigung zu verhaften. Sie selbst aber spielen mit Waffen und dem Kapitalexport, mit Abkommen mit Diktatoren verschiedener Länder sind sie verantwortlich Krieg und permanente Krise. Ist das die europäische hochentwickelte Zivilisation? Ich sehe eine Tragödie der Menschheit. Eine widersprüchliche Situation, die Trotzki auf den Punkt brachte:

Die Welt des verfaulenden Kapitalismus ist überfüllt. Die Frage der Zulassung von hundert zusätzlichen Flüchtlingen wird ein großes Problem für eine Weltmacht vom Range der Vereinigten Staaten. In der Zeit des Flugzeugs, Telegraphs, Radios, Fernsehens wird das Reisen von Land zu Land durch Pässe und Visen lahmgelegt. (…) Inmitten der ungeheuren Landflächen und der Wunder der Technik, die dem Menschen Himmel und Erde erschließen, hat es die Bourgeoisie fertiggebracht, unseren Planeten in ein widerwärtiges Gefängnis zu verwandeln. ( Der imperialistische Krieg und die proletarische Weltrevolution (1940), in: Das Übergangsprogramm.

Wir haben uns von den Geflüchteten informieren lassen. Aus einem unvermeidlichen Reflex geraten wir sehr schnell in ein leidenschaftliches Gespräch, weil wir unzufrieden sind und der geflüchtete Bruder besonders unzufrieden. Sie dürfen nicht arbeiten, haben kein Zugang zu Bildung, sind isoliert von der Gesellschaft. Als ob das nicht genug wäre, sagt mir der Oberpolizist, dass unter den Anwohner*innen eine tiefe Unzufriedenheit mit den Geflüchteten besteht. Denn sie seien „undankbare Asylbewerber“. Der reaktionäre Inhalt der nationalen Grenzen wird in dem Titel „Asylbewerber“ konkret, nicht wahr? Eine hierarchische, autoritäre und arrogante Haltung gegenüber den Menschen, die „auf Hilfe angewiesen sind“. Sie sollten damit aber nicht übertreiben, letztlich sind das ja keine Deutschen.

Wir organisieren eine spontane Demonstration Richtung Geflüchtetengefängnis mit etwa 100 Aktivist*innen aus mehreren Städten Bayerns. Die Polizei genehmigt sie jedoch nicht. Ihr Grund ist, dass wir angeblich keinen Grund hätten. Unser Grund aber ist, dass die Geflüchteten ohne Grund im Gefängnis sitzen. „Nein, das ist kein Grund, weil das nicht tagesaktuell ist“, sagt mir der Oberpolizist. Aber auch wenn die deutsche Gesellschaft diesen Rassismus normalisiert hat, kann das Thema doch nicht an Aktualität und Intention verlieren, oder? Die Diskussion schreitet nicht voran. Wir sind auch nicht in diese Kleinstadt gefahren, um mit der Polizei zu sprechen. Wir wollen mit ihr nirgendwo sprechen, wir fordern auch ihren Rausschmiss aus unseren Gewerkschaften. Unsere Bezugspersonen sind die streikenden Refugees – genauso denken und handeln wir kollektiv. Die Demo geht Richtung Gefängnis und wir sind kämpferisch. Die Polizei kann uns nicht aufhalten. Wir schreiten voran und erreichen die Refugees.

Auf die Aufrufe, dass sie zu uns kommen sollen, reagieren sie begeistert. Sie kommen zu uns und es wird getanzt – auch Parolen werden gerufen. „Stop Deportation“, „Kein Mensch ist illegal“ rufen alle Anwesenden – selbstverständlich außer der Security und der Polizei. Dann haben die Geflüchteten aus Sierra Leone die afghanischen Geflüchteten aus einem anderen Gefängnis gerufen und diese haben sich auch daran beteiligt. Kämpferische Reden und die Parole „The Refugees united will never be defeated“ waren der Höhepunkt der Freude.

Wir beendeten unsere Aktion friedlich und ohne Konflikte. Wir waren doch alle glücklich und haben getanzt. Die Polizei war der anderen Meinung: Wir hätten uns angeblich ordnungswidrig verhalten. Die Personalien von einigen Genoss*innen wurden festgenommen und sie schickten uns wütend nach Hause. Wir sind ständig wütend über die herrschenden Verhältnisse – aber unsere Wut ist gerechtfertigt.

Es war ein wichtiger Tag.

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