Tausende protestieren gegen die G7

09.06.2015, Lesezeit 5 Min.
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// Mehr als 5.000 antikapitalistische DemonstrantInnen in Garmisch-Partenkirchen gehen trotz der Polizeirepression auf die Straßen. //

Garmisch-Partenkirchen ist eine kleine Stadt in den bayerischen Alpen, nur wenige Kilometer nördlich von der österreichischen Grenze. Die 25.000 EinwohnerInnen sind von Bergen und grünen Wiesen umgeben – es ist einer dieser Orte, wo TouristInnen hinfahren, um der Weltpolitik zu entfliehen.

Doch am Sonntag versammelten sich die Regierungschefs der sieben mächtigsten Länder der Welt im Schloss Elmau, nur 18 Kilometer von der Kleinstadt entfernt, für den G7-Gipfel. Deswegen kamen mehr als 5.000 antikapitalistische DemonstrantInnen aus ganz Deutschland und Europa nach Garmisch-Partenkirchen. Zum Schutz des Gipfels baute die Regierung einen 18 Kilometer langen Zaun, trat vorübergehend aus dem Schengen-Raum aus und mobilisierte mehr als 20.000 PolizistInnen – der größte Polizeieinsatz in der Geschichte des bayerischen „Freistaats“. Die eintägige Sitzung der sieben Regierungschefs kosten den deutschen SteuerzahlerInnen zwischen 200 und 360 Milliarden Euro.

Zunächst friedlich

Die Sonne strahlte und die Thermometer zeigten 33 Grad, als sich tausende DemonstrantInnen vor dem Bahnhof in Garmisch-Patenkirchen versammelten. Umgeben waren sie von einer noch größeren Anzahl von PolizistInnen in schwarzen Kampfanzügen mit Helmen, Masken, Schlagstöcken und einem unendlichen Vorrat an Pfefferspray.

Viele BewohnerInnen von Garmisch-Partenkirchen kamen auf die Straße, um den „Umzug“ zu sehen, mit Kameras und Schildern, die sowohl DemonstrantInnen wie PolizistInnen begrüßten. Monatelang hatten die Behörden vor Horden von „ChaotInnen“ und „TerroristInnen“ gewarnt, die die Stadt invadieren würden, und forderten Landwirte auf, ihre Wiesen nicht für ein Protestcamp zu vermieten.

Aber die Bevölkerung begrüßte die Demonstration herzlich und wies die Militarisierung ihrer Stadt durch die Polizei zurück. Der Aufzug lief vier Kilometer ohne Zwischenfälle, obwohl die Menge von tausenden PolizistInnen umgeben war. Kreative Protestformen – einschließlich einer riesigen Krake und einer kleinen Armee von Clowns – vermischten sich mit einer Vielzahl linksradikaler Strömungen.

Angriff der Polizei

Während eines Theaterstücks über die G7, als viele DemonstrantInnen auf dem Boden saßen, griff die Polizei die Spitze der Demo mit Pfefferspray und Schlagstöcken an. Dutzende Menschen wurden verletzt und mehrere mussten ins Krankenhaus. Nach einer angespannten Pause musste sich die Demo umdrehen und zurück ins Stadtzentrum laufen.

Die Polizei hatte zuerst behauptet, dass sie zurückschlagen musste, nachdem sie „mit Fahnenstangen und einer mit Benzin gefüllten Flasche“ angegriffen worden sei. Wenig später musste sie zugeben, dass es keine brennende Flüssigkeit in der Flasche gegeben hatte – anders gesagt, sie griffen eine friedliche Demonstration an, nachdem jemand (angeblich) eine Plastikflasche geworfen hatte!

Die Demonstration hatte einen Punkt erreicht, der nur ein paar Dutzend Meter hinter der B2, der Hauptstraße Richtung Schloss Elmau, lag. Die Polizei war entschlossen, jede Blockade zu verhindern, die den Transport von tausenden ÜbersetzerInnen, JournalistInnen und anderen ArbeiterInnen für den Gipfel gestört hätte. Außerdem brauchten sie Bilder der Gewalt, um den historisch massiven Polizeieinsatz nachträglich zu rechtfertigen.

Genau in dem Moment, als die DemonstrantInnen die Stadtmitte wieder erreicht hatten und ein kleines Straßenfest losging, begann ein sintflutartiger Regen. Das Protestcamp musste wegen Blitz, Donner und hämmerndem Regen evakuiert werden. Erst am Abend konnten die AktivistInnen zurück zu ihren Zelten.

Weitere erfolgreiche Blockaden

Am folgenden Tag ist es kleinen Gruppen von DemonstrantInnen gelungen, sich durch den Wald zu schlängeln und die B2 zu blockieren. Die Polizei verhaftete mehrere Dutzend Menschen an verschiedenen Punkten auf der Straße, aber JournalistInnen konnten per Hubschrauber zum Gipfel gebracht werden.

Eine Koalition aus reformistischen Parteien und NGOs hatte die Demonstration in Garmisch-Partenkirchen abgelehnt und stattdessen eine Demonstration am vorigen Donnerstag in München organisiert, 100 Kilometer entfernt. Bis zu 40.000 Menschen nahmen an diesem Protest teil, der sich jedoch nicht gegen Kapitalismus, Imperialismus und die G7 richtete, sondern nur gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP – mit einer starken ideologischen Neigung zum Schutz des deutschen Kapitals gegen seine Konkurrenz aus den USA.

Diese Proteste gegen die G7 waren deutlich kleiner als die gegen den G8-Gipfel im Jahr 2007 in Heiligendamm. Vor acht Jahren nahmen 70.000 Menschen an einer Demonstration in Rostock teil, während sich über zehntausend Menschen den erfolgreichen Blockaden rund um den Gipfel-Hotel anschlossen. Dieser Rückgang ist zum Teil eine Folge der geringeren geopolitischen Bedeutung der G7/G8 im Vergleich zu Treffen wie die G20, die wichtige Regionalmächte wie China einschließen. Gleichzeitig boykottierte die reformistische Partei „Die Linke“ die diesjährigen Proteste komplett und hielt stattdessen einen Parteitag an diesem Wochenende ab.

AktivistInnen der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) nahmen mit Delegationen aus verschiedenen Städten an der Demonstration teil. Ein gemeinsamer Block mit AktivistInnen der Liga für die Fünfte Internationale und der Jugendorganisation „Revolution“ forderte die internationale Einheit der ArbeiterInnenklasse gegen Kapitalismus und Imperialismus. Wir schickten auch unsere Solidarität an die ArbeiterInnen von Amazon in Bad Hersfeld, die am Donnerstag und Freitag in den Streik getreten waren, genauso wie an Krankenhausbeschäftigte aus Wien, die für mehr Personal kämpfen. Denn nur die ArbeiterInnen mit ihren eigenen Kampfmitteln, wie Streiks und Besetzungen, können die G7 schlagen.

Eine ausführlichere Analyse der G7-Proteste wird Ende dieser Woche hier erscheinen.

Foto: PM Cheung

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